Unser Blog

Ein Blog, in dem wir als hamburgasyl Beiträge zu aktuellen Themen verfassen. Über die News halten wir Sie auf dem Laufenden, wenn neue Beiträge veröffentlichen werden.


Sehnsucht nach Frieden

Ich schreibe diesen Beitrag am 8. Dezember. Gerade eben las ich von der Geburt eines Kindes auf der Geo Barents, dem Rettungsschiff von „Ärzte ohne Grenzen“ im Mittelmeer. Seine Mutter war kurz zuvor mit 73 weiteren Geflüchteten von einem seeuntauglichen Schlauchboot gerettet worden. Keine romantische, aber eine durchaus weihnachtliche Meldung.

Ähnlich geht es mir mit meinem persönlichen „Weihnachtsfoto des Jahres“: Die Madonna mit dem Kind auf dem Arm am belarussisch-polnischen Grenzzaun. Es fehlt jeder Weihnachtskitsch, auch der gefotoshoppte Weihnachtsbaum wirkt eher bitter-ironisch denn romantisch. Die europäische Flüchtlingsabwehr taugt nicht wirklich als Weihnachtskulisse.

Es passt nicht zueinander, das Elend der Geflüchteten an unseren Grenzen und auf dem Meer und der Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt oder das Lametta am Baum.

Obwohl: Weihnachten ist schon immer schon ein Fest der Sehnsucht und der Hoffnung gewesen, keines, das die Realität feiert. Das Schutzbedürftige, Kleine bringt die Rettung! Frieden auf Erden! Das war schon immer eine Verheißung, das war noch nie ein Spiegel des Tatsächlichen.

In einer NDR Umfrage wurde ich vor wenigen Tagen gefragt: Was ist für Sie das wichtigste Thema zu Weihnachten dieses Jahr? Ich habe sehnsüchtig, hoffend und biblisch geantwortet: Friede auf Erden! Und ich sehne mich nicht nur nach den großen Frieden, einem für die Menschen im Kongo, im Sudan, der Ukraine, Afghanistan oder dem Jemen. Ich sehne mich auch nach Frieden in unserem Miteinander, das von Coronaermüdung, wirtschaftlichen Ängsten und Sorgen um unsere Werte so dünnhäutig und strapaziert sich anfühlt in vielen Bereichen. Ich sehne mich danach, dass die Schutzbedürftigen Schutz erhalten.

Und ich sehe: Die widrigen Bedingungen für die Schutzlosen und die Kriege, vor denen Menschen fliehen und die Grenzen, an denen sie häufig stranden.

Verstummt weihnachtliche Hoffnung also angesichts der Grenzzäune, der Kriege und der bloßen Madonna am Grenzzaun? Sowas hat der NDR mich nicht gefragt. Meine Antwort wäre gewesen: Nein, das tut sie nicht.

Weihnachten ist zäh und widerständig. Immer schon gewesen. Gegen harte Realitäten und süßliche Verkitschungen musste es sich immer behaupten mit seiner Sehnsucht und seiner Verheißung. Allein geht das nicht. Muss es zum Glück auch nicht. Es war ja auch in der biblischen Geschichte schon ein ganzer Engelschor, der rief: Friede auf Erden! Und der verkündete, dass der Retter in einer Futterkrippe oder an einem Grenzzaun oder auf einem Rettungsschiff zu finden sein würde.

Uns allen wünsche ich, dass wir miteinander an den Sehnsüchten, Hoffnungen und (etwas unweihnachtlicher vielleicht) auch Forderungen in der Flüchtlingsarbeit festhalten. In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!

Eure und Ihre Dietlind Jochims (Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche)


Das Recht auf Bildung

Es ist ein Mittwochmorgen, und mein Wecker klingelt etwas früher als sonst. Diesmal bin ich schon beim ersten Klingeln wach und überlege mit einer gewissen Nervosität: „Wird das heute alles klappen? Wird das Kind angenommen, oder werden wir wieder weggeschickt? Könnte im schlimmsten Fall sogar die Ausländerbehörde benachrichtigt werden?“  Heute begleite ich nämlich eine Familie ohne Aufenthaltspapiere zur Anmeldung ihres Kindes in der Schule.

Eigentlich sollte die Begleitung durch mich gar nicht notwendig sein: Kinder haben unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus ein Recht auf Schulbesuch, so steht es unter anderem in der Kinderrechtskonvention. Seit November 2011 sind Schulen und andere Bildungs- und Erziehungseinrichtungen explizit von den aufenthaltsrechtlichen Meldepflichten nach § 87 AufenthG ausgenommen. Das heißt, dass Schul- und Kitaleitungen nicht mehr an Ausländerbehörden melden müssen, wenn sie von dem fehlenden Aufenthaltsstatus eines Kindes erfahren. In vielen anderen Lebensbereichen gilt diese „Denunziationspflicht“ der öffentlichen Stellen hingegen noch. Für Hamburg wurde bereits 2009 durch die damalige Schulsenatorin Christa Goetsch klargestellt, dass eine fehlende Meldebestätigung kein Hindernis für die Beschulung der Kinder sein darf.

In der Praxis sind die Zugänge zu diesem Recht auf Bildung für Kinder ohne Papiere leider häufig verwehrt. Laut einer deutschlandweiten Befragung von Grundschulen aus dem Jahr 2015 wird nur in Ausnahmen explizit darauf hingewiesen, dass eine Schulanmeldung auch ohne Meldebestätigung möglich ist. Mehr als die Hälfte der Schulen zeigen bei illegalisiertem Aufenthalt keinen Weg auf, Kinder in der Schule anzumelden, und auch in jeder zweiten Schulbehörde wird keine positive Aussage zum Schulbesuch getroffen.  

In der kirchlich-diakonischen Arbeit in Hamburg ist es uns auch aufgrund von solchen Umständen wichtig, uns nicht nur in der Begleitung und Beratung, sondern auch politisch für die Rechte aller Menschen einzusetzen. Teilhabe und Chancen, Schutz und die nötige Versorgung mit allem Lebenswichtigen sollten keine Frage der Papiere sein.

An dem erwähnten Vormittag ist zum Glück alles gut gegangen: Die Mitarbeiterin der Schule hatte die fehlende Meldebestätigung nach einer kurzen Erläuterung nicht weiter thematisiert, und das Kind konnte am selben Tag noch in den Unterricht gehen. Ich bin dann glücklich und erleichtert ins Büro gefahren: Für dieses eine Kind konnte das Recht auf Bildung bereits umgesetzt werden.

Manja Laue, Ev.-Luth. Kirchenkreis Hamburg-Ost (Juni 2022)


Situation in Rumänien
nach dem Angriffskrieg der
Russischen Föderation
auf die Ukraine

Situation in Rumänien nach dem Angriffskrieg der Russischen Föderation auf die Ukraine:
Es ist sehr deutlich, dass es in weiten Teilen der Bevölkerung eine große Hilfsbereitschaft gibt. Aber auch in Rumänien gibt es die Angst vor einer Ausweitung des Krieges auf die Nachbarstaaten.“

Seit vielen Jahren arbeite ich mit sehr engagierten Kolleginnen und Kollegen aus Rumänien zum Thema Migration – freiwillige Migration im Zusammenhang mit der Suche nach Arbeit und neuen Perspektiven oder unfreiwillige Migration aufgrund von Flucht und Vertreibung. Es ging und geht immer darum, wie Migration sicher gemacht werden kann – denn egal ob freiwillig oder unfreiwillig: Migration macht verletzlich.

Nun also der Krieg in der Ukraine, die Kolleg*innen sind vor viele Herausforderungen gestellt und versuchen, in aller Schnelle, die bestehenden Angebote wie Beratung und Notunterkünfte auszubauen, denn so viele Geflüchtete gab es in Rumänien bisher nicht. Und sie leisten Nothilfe an der Grenze. Wir sind im regelmäßigen Austausch dazu – und auf Facebook und den Website finden sich die aktuellsten Infos zu Situation.

Rumänien ist neben Polen und Moldawien eins der Hauptankunftsländer für Geflüchtete aus der Ukraine. Inzwischen (Stand 22. April) sind nach Angaben des UNHCR ca. 765000 Menschen, zu 85% Frauen und Kinder in Rumänien angekommen. Es sind Menschen mit ukrainischer (94%), russischer (2%) und verschiedener anderer Nationalitäten (4%). Auch in Rumänien sind Studierende und Arbeitnehmer*innen aus afrikanischen und asiatischen Staaten, die vor den Kämpfen fliehen, angekommen.

Die meisten Menschen kommen mit dem PKW oder zu Fuß über die Grenze. Sie haben Rumänien als Grenzübergangsregion gewählt, weil es die direkte Route war oder weil sie hoffen, von hier aus gut weiterreisen zu können – und weil sie hoffen, dass die Schlangen am Grenzübergang kürzer sind als in Polen oder Moldawien.

Ein kleiner Teil der Menschen plant in Rumänien zu bleiben, um dann möglichst schnell in ihre Heimat zurückkehren zu können. Viele möchten weiter zu Verwandten oder Bekannten in anderen Ländern wie z.B. Deutschland.

Die Menschen bleiben meist nicht lange in der Grenzregion, sondern gehen entweder selbst oder mit Unterstützung von Behörden und freiwilligen Helfern weiter in Städte wie Bukarest und Timişoara oder Cluj.

Berichten von Parteiorganisationen und diakonischen Einrichtungen zu Folge, ist die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung groß: es werden private Unterkünfte, zusätzlich zu staatlichen Einrichtungen angeboten, Spenden gesammelt und Unterstützung beim Ankommen aber auch bei der Weiterreise gegeben.

So hat die Organisation LOGS in Timisoara ein Voucher-System aufgebaut, damit die Menschen sich selbst besorgen können, was sie brauchen. Auch bietet LOGS Rechts- und Sozialberatung an und Betreuung für Kinder.

Die Organisation AidRom leistet mit Unterstützung der Diakonie Katastrophenhilfe Nothilfe an der Grenze (Nahrungsmittel, Hygieneartikel, Beratung) und hat ihre bestehenden Hilfsangebote wie Unterkünfte für besonders vulnerable Menschen ausgebaut.

Auch die Kirchen – orthodoxe, katholische und protestantische – helfen mit Unterkünften und haben zu  Spenden aufgerufen.

Es ist sehr deutlich, dass es in weiten Teilen der Bevölkerung eine große Hilfsbereitschaft gibt. Aber auch in Rumänien gibt es die Angst vor einer Ausweitung des Krieges auf die Nachbarstaaten.

Herausforderungen und Bedarfe:

Da ist auf der einen Seite der akute Bedarf an Sach- und vor allem Geldspenden, um die Menschen zu versorgen. Das funktioniert im Moment noch ganz gut – auch dank der Unterstützung aus dem Ausland.

Doch auch in Rumänien stellt man sich die Frage, wie längerfristige Unterstützung aussehen kann und wie diese finanziert werden soll.

Rumänien ist von den wirtschaftlichen Folgen des Krieges hart getroffen und die positiven Entwicklungen der letzten Jahre sind gefährdet.

Sangeeta Fager, Diakonie Hamburg (Mai 2022)


Brief an den Innensenator:

Abschiebungen nach Afghanistan
sind in der sich dort verschärfenden
Pandemiesituation (erst recht) nicht vertretbar!

Trotz Corona-Pandemie und Bürgerkrieg wurde am Dienstag erneut nach Afghanistan abgeschoben, obwohl das Land derzeit als „Hochinzidenzgebiet“ eingestuft wird. Es ist bereits das zweite Mal in diesem Jahr. Die AG Kirchliche Flüchtlingsarbeit hatte sich mit einem offenen Brief an Innensenator Grote gewendet. Tenor: Abschiebungen nach Afghanistan sind in der sich dort verschärfenden Lage (erst recht) nicht vertretbar.

Am Mittwochmorgen landete das Flugzeug mit 26 Männern in Kabul. Es war bereits die zweite Sammelabschiebung in diesem Jahr. Wir von der AG Kirchliche Flüchtlingsarbeit sind entsetzt darüber, dass Deutschland in der jetzigen Pandemielage Menschen nach Afghanistan abschiebt. Das Bürgerkriegsland gilt als  das unsicherste Land  der Welt und die Menschenrechtslage ist kritisch.

Die Pandemie als Brennglas bereits bestehender Probleme

Das Robert-Koch-Institut hat das Land am 31.01.2021 als „Hochinzidenzgebiet“ für die Verbreitung von Covid-19 eingestuft. Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen nach Afghanistan und fordert Deutsche auf, das Land zu verlassen, das Gesundheitssystem sei marode und völlig überlastet. War die wirtschaftliche Situation in Afghanistan bisher schon katastrophal, wird dies durch die Covid-19-Pandemie noch erheblich verschärft: Unter anderem sind Lebensmittelkosten extrem gestiegen, Menschenrechtsorganisationen berichten von Hungersnöten. Auch der Zugang zu Arbeit und Wohnraum ist noch schwieriger geworden,  Rückkehrende werden stigmatisiert, während zugleich  ihre Zahl (insbesondere aus dem ebenfalls durch die Covid-19-Pandemie schwer betroffenen Iran) steigt. Die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen ist erschwert. Die Pandemie wirkt in dem ohnehin von einer prekären Sicherheitslage geprägten Land wie ein Brennglas, das bereits bestehende Probleme massiv verstärkt. Wir als die AG kirchliche Flüchtlingsarbeit haben uns an Innensenator Grote mit einem Offenen Brief gewendet und einen sofortigen Abschiebestopp nach Afghanistan gefordert. Abschiebungen nach Afghanistan sind in der sich dort verschärfenden Pandemiesituation zusätzlich nicht vertretbar. Wir werden uns auch zukünftig für die Einhaltung von Menschenrechten einsetzen. Die Corona-Pandemie darf nicht dazu führen, dass wir Unrecht und das Leid der Geflüchteten aus den Augen verlieren.

Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche (Februar 2021)