Weniger Flüchtlinge sollen im Mittelmeer ertrinken – aber auch weniger insgesamt nach Europa kommen. Das ist das Ziel, das die EU auf dem afrikanischen Kontinent verfolgt. Auf einem Gipfeltreffen am 28.8.2017 in Paris, an dem neben den Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien auch diejenigen von Niger, Tschad und Libyen sowie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini teilnahmen, wurde deutlich, wie die großen EU-Staaten sich diese Lösung vorstellen. Geflüchtete sollen nach ihrer Vorstellung bereits in Lagern im Tschad und Niger um Asyl nachsuchen; wenn sie den Kriterien des UNHCR entsprechen, sollen sie dann legal nach Europa einreisen können.
Die Menschenrechtsorganisation PRO ASYL kritisierte den Vorstoß. Er bedeute die Abschaffung des individuellen Rechtsanspruchs auf Asyl. Tatsächlich kann die EU auf dem afrikanischen Kontinent keine menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten gewährleisten. In den libyschen Haftlagern, die mancher europäische Politiker gern zu „Schutzzonen“ erklären möchte, wird gefoltert und vergewaltigt. Auch gründliche Asylverfahren sind weder hier noch im Tschad oder Niger zu erwarten, geschweige denn eine sorgfältige Nachprüfung negativer Entscheidungen durch unabhängige Gerichte.
Neben den gravierenden menschenrechtlichen Fragen blieb auf dem Gipfel völlig offen, in welcher Größenordnung sich denn eine Flüchtlingsaufnahme direkt aus Afrika bewegen könnte. Die vier EU-Regierungschefs machten hierzu keine konkreten Angaben.
Dem Sterben im Mittelmeer und auch in der Sahara Einhalt zu gebieten, ist grundsätzlich richtig. Angesichts der heute schon fehlenden Bereitschaft mehrerer EU-Staaten, weitere Geflüchtete aufzunehmen, und der tiefen Zerstrittenheit der Union in dieser Frage steht aber zu befürchten, dass der Vorstoß der Staaten am Ende darauf hinausläuft, Europas Grenzen noch weiter nach außen zu schieben. „Statt Fluchtursachen werden Flüchtlinge bekämpft“, kritisierte die Grünen-Politikerin Claudia Roth. Die Not der Flüchtlinge wäre dadurch nicht behoben. Europa würde sie aber auf Distanz halten – aus den Augen, aus dem Sinn.