Menschen ohne Papiere in Hamburg

Handreichung „Das sind Ihre Rechte“ erstellt von der Diakonie Hamburg, Fluchtpunkt, Kirchenkreis Hamburg-Ost und Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein. Informationen und Anlaufstellen für Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere in Hamburg. Vollständig überarbeitet und aktualisiert 2023.

Eine ganz besonders ausgegrenzt lebende Personengruppe in der Stadt ist die der Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere. Sie werden diffamierend oft mit den Begriffen „Illegale“/“Illegalisierte“ stigmatisiert, was bei vielen eine Assoziationskette zu kriminellem Verhalten auslöst. Aber: „Das einzige, was sich die allermeisten von ihnen zuschulden kommen lassen, ist: hier zu sein“, sagt Professor Christian Pfeiffer von der Kriminologischen Forschungsstelle Niedersachsen (zitiert nach MOPO vom 10.2.1997)

Es gibt eine Vielzahl von Wegen, auf denen Menschen in die aufenthaltsrechtliche Illegalität gezwungen werden. Dies können negative Asylentscheidungen sein, der Ablauf gültiger Ausweispapiere oder Visa, Menschenhandel und anderes. In der Folge stehen zentrale Einrichtungen und Leistungssysteme nicht mehr offen, der Zugang zum Arbeitsmarkt ist versperrt und es bedarf größter Vorsicht in sämtlichen Lebensbereichen, um den offiziellen Stellen nicht bekannt zu werden.

Entsprechend schwierig ist es, verlässliche Daten und Zahlen zur betroffenen Personengruppe zu erheben. Der Deutschlandfunk strahlte am 22.9.2019 einen ausführlichen Beitrag zur Situation papierloser Menschen, v.a. mit Bezug auf die Situation in Hamburg, aus: Papierlose in Deutschland – Leben in der Schattenwelt. Darin wurde die Schätzung von 200.000 bis 600.000 Menschen ohne Papiere für Deutschland angegeben. Während der illegalisierte Aufenthalt viele Probleme schafft, ist er in der Politik kaum ein Thema.

Besonders in Großstädten wie Hamburg stellen Menschen ohne Papiere eine bedeutende Größe dar. Genau wie andere Bewohner*innen der Stadt haben sie einen Job, verfügen über Wohnraum, haben Kinder in Schule und Kindergarten und versuchen im Krankheitsfall, medizinische Versorgung zu bekommen. Die Bedingungen, unter denen sie dies tun, unterscheiden sich allerdings elementar von Menschen mit sicherem Aufenthaltsstatus.

Der Lebensunterhalt muss ohne Zugang zum regulären Arbeitsmarkt, ohne arbeitsrechtliche Absicherungen und ohne sozialrechtliche Leistungen bestritten werden, oft im Baugewerbe, dem Dienstleistungssektor (wie z.B. in der Gastronomie oder dem Reinigungsgewerbe), in privaten Haushalten als Haushaltshilfe oder in der Prostitution. Ausbeutung, Krankheitsfälle ohne Lohnfortzahlung und geregeltem Versorgungssystem, Betrug und starke Abhängigkeitsverhältnisse schaffen höchst prekäre Lebenssituationen.

Das Gesundheitssystem steht nur eingeschränkt offen, was in Krankheits- und Verletzungsfällen schwerwiegende und lebensbedrohliche Komplikationen auslösen kann. Ebenso versperrt ist der Wohnungsmarkt. Möglich sind hier überteuerter oder überbelegter Wohnraum und die Willkür von Seiten der Vermieter*innen, der diese Menschen schutzlos ausgeliefert sind.

Papierlos zu leben heißt aber nicht, ohne Rechte zu sein! Grund- und Menschenrechte gelten unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Was versperrt ist, ist vielmehr der sichere Weg, diese Rechte auch einzufordern. Dem liegt die Angst zugrunde, jederzeit mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, also Inhaftierung und Abschiebung, rechnen zu müssen, wenn der Rechtsweg bzw. die Inanspruchnahme von Regelleistungen gesucht werden sollte.

Die dringende Frage ist also, wie die Rechte etwa auf medizinische Versorgung, Existenzsicherung, Bildung, Beurkundung von Geburten, Schutz vor Ausbeutung erkämpft und verwirklicht werden können. Siehe dazu diesen Artikel der Bundeszentrale für Politische Bildung: „Menschenrechte gelten auch ohne Papiere – aber wie können Sie durchgesetzt werden?“

Daneben finden unter den Stichworten der Sanctuary und Solidarity Cities grundlegende Diskussionen darüber statt, wie der Weg zu aufenthaltsrechtlicher Legalisierung, solidarischem Miteinander und dem Schutz vor Abschiebung und Entrechtung gestaltet werden kann.

Die Clearingstelle KITA für Kinder ohne Aufenthaltsstatus erklärt in diesem Fact Sheet wie sie  Kinder ohne Aufenthaltsstatus in Kindertagesstätten vermittelt.
Website des Flüchtlingszentrums mit Flyern in verschiedenen Sprachen: https://www.fz-hh.de/de/projekte/clearingstelle_kinder.php

Die Bundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität der Diakonie Deutschland legt in einem Arbeitspapier (2019) zentrale Problemstellungen und Verbesserungsvorschläge dar. Das Arbeitspapier

Ebenfalls von der  der Bundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität ist das Arbeitspapier „Gesundheitliche Versorgung von Frauen ohne Papiere im Rahmen von Schwangerschaft und Geburt“ (2023).

Die “Platform for International Cooperation on Undocumented Migrants (PICUM)”, eine Nichtregierungsorganisation zur Unterstützung der Rechte undokumentierter Migrant*innen in Europa, hat in einer Publikation von 2018 („HÖRT UNS AN: Kinder und Jugendliche ohne Aufenthaltsstatus erzählen ihre Geschichten“) die Erfahrungsberichte von Migrant*innenkindern und Jugendlichen, ihren Eltern, Unterstützer*innen und unterstützenden Organisationen in ganz Europa veröffentlicht (hier auch auf weiteren Sprachen zu finden).

Unter https://solidaritaetorganisieren.noblogs.org findet sich eine Sammlung an Informationen und Erfahrungsberichten von Menschen, die zu einem Leben in der Illegalität gezwungen sind sowie von deren Unterstützer*innen. Diese ist auch als Broschüre erhältlich. Die Initiative setzt sich für eine Stärkung von gelebter Solidarität für illegalisiert in Deutschland lebende Menschen ein. Der Blog dient dem Austausch und Kontakt.

Einige Beratungsstellen für Menschen ohne Papiere finden Sie hier:

ANDOCKEN – Ärztliche und Soziale Praxis für Menschen ohne Papiere
Bernstorffstraße 174, 22767 Hamburg
Tel. 040 430 98 796
E-Mail: andocken@diakonie-hamburg.de
Dienstag 10-12 Uhr
Donnerstag 14-16 Uhr

Zentrale Information und Beratung für Flüchtlinge gGmbH (Flüchtlingszentrum)
Frau Niethammer
Adenauerallee 10 20097 Hamburg
Telefon 040/284079123
E-Mail: niethammer@fz-hh.de

Hier weitere Adressen der Flüchtlings- und Migrationsarbeit in Hamburg.