In diesen Tagen hat die EU-Asylagentur die Asylzahlen für 2024 veröffentlicht und einen Rückgang um 11 Prozent auf etwa eine Million Asylanträge festgestellt.
Christian Jakob ordnete diese Zahlen in der taz ein und deutete den Rückgang zutreffend als ein Ergebnis der EU-Abschottungspolitik. Zudem ist die Zahl von 1 Mio. registrierten Asylanträgen nicht mit der Zahl der in die EU geflohenen Menschen gleichzusetzen. Denn bei etwa einem Viertel der registrierten Anträge handelt es sich um Mehrfachanträge identischer Personen, etwa wenn Asylsuchende in mehreren Ländern der EU (wiederholt) einen Asylantrag stellen. Das geht aus internen EU-Dokumenten hervor. Real haben es im Jahr 2024 damit vermutlich gerade einmal etwa 750.000 Schutzsuchende in die EU geschafft – das sind weniger als 0,2 Prozent der Bevölkerung der EU.
Historische Anmerkung: Auch 1992 kamen – entgegen üblicher Darstellungen – nicht etwa 440.000 Aylsuchende nach Deutschland, sondern vermutlich deutlich unter 300.000. Denn 400.000 war die Zahl aller registrierten Asylanträge, also auch Folge- und Mehrfachanträge identischer Personen. Die unterschiedlichen Antragsformen wurden erst später statistisch erfasst (Bundestagsdrucksache 16/7687).
Bereinigte Schutzquoten
Auch zu den Schutzquoten der EU-Asylstatistik muss etwas gesagt werden, denn die EU-Asylzahlen zu Deutschland weichen von den BAMF-Statistiken ab. Zum einen ergibt sich das daraus, dass die EU-Statistik eine „bereinigte“ Schutzquote darstellt. Diese wird von der Bundesregierung nicht veröffentlicht. Die Linke fragt diese jährlich ab (Regelanfrage für das Jahr 2023).
Die von den Behörden verwendete Schutzquote umfasst die Summe aller anerkennenden Bescheide (Asyl nach Art. 16 GG, Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention, subsidiärer Schutz, Abschiebungsverbot) und wird einfach nur in Relation zur Gesamtzahl der getroffenen Entscheidungen gesetzt, was auch sonstige Verfahrenserledigungen mit einschließt.
Durch diese Darstellung entsteht der Eindruck, dass Menschen aus bestimmten Ländern selten(er) Gründe zur Flucht haben. Das ist zum Beispiel in der Debatte um sichere Herkunftsländer von Bedeutung, aber auch, wenn Geflüchteten allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Personengruppe mit angeblich geringer Bleibeperspektive beispielsweise frühzeitige Integrationsmaßnahmen verweigert werden. Und nicht zuletzt taugen höhere Ablehnungsquoten auch dazu, in der Bevölkerung Stimmung gegen Flüchtlinge zu schüren.
Das heißt: Nicht alle, aber die meisten formellen Entscheidungen des BAMF werden in den EU-Statistiken bei der Berechnung der Schutzquote nicht berücksichtigt, woraus sich im Ergebnis eine höhere Schutzquote ergibt. Zum anderen werden in der EU-Asylstatistik bei der Berechnung der Schutzquote nationale Abschiebungsverbote nicht berücksichtigt (weil diese nicht unionsrechtlich geregelt sind). Das betrifft immerhin etwa jeden sechsten in Deutschland vom BAMF erteilten Schutzstatus, und das ist auch relevant für die nach der GEAS-Reform geplanten Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen, die bei einer unter 20 prozentigen Anerkennungsquote in der EU (auch diese Berechnung erfolgt ohne nationalen Abschiebungsschutz) verpflichtend angewandt werden.