„Solidarity First“

Die Diakonie Deutschland hat gemeinsam mit der Kirchlichen Kommission für Migranten in Europa (CCME) von 15.-20.10.2018 die 15. Europäische Asylrechtskonferenz ausgerichtet. Etwa 150 Teilnehmende aus 16 europäischen Ländern aus dem kirchlichen und nicht-kirchlichen Kontext haben sich auf Chios und in Athen unter dem Konferenztitel „Solidarity First – Reclaiming the values and principles of Europe” versammelt.

Auf Grundlage der Diskussionen und Erkenntnisse aus den Exkursionen u.a. in dem Hotspot Vial und anderen Flüchtlingslagern in Griechenland forderten die Konferenzteilnehmer in ihrer Abschlusserklärung am 20.10.2018:

  • Die Beendigung des Hotspot-Ansatzes, sowohl in seiner bestehenden Form als auch als Vorlage für ein zukünftiges EU-Asyl-Regime.
  • Den sofortigen Transfer der Asylsuchenden von den Inseln auf das griechische Festland sowie die sofortige Verbesserung der Aufnahmebedingungen auf den Inseln. Die Verantwortung hierfür sehen wir gleichermaßen bei den europäischen und den griechischen Behörden.
  • Die Beendigung der Externalisierungsstrategie der EU zugunsten einer gemeinsamen Asylpolitik (GEAS), die in Bezug auf Aufnahme und Ablauf, Zugang zum Verfahren und Teilung der Verantwortung zwischen allen Partnern hohe Standards erfüllt.
  • Die Einrichtung sicherer Zugangswege nach Europa für Schutz und aus anderen Gründen, beispielsweise der Familienzusammenführung und Arbeitsmigration

Katharina Stamm, juristische Referentin für Europäische Migrationspolitik der Diakonie Deutschland: ”Was wir gesehen haben stellt ein weiteres Mal das Dublin-System in Frage, das Griechenland und andere Länder an den EU-Außengrenzen mit einer überproportionalen Verantwortung allein lässt. Wir sind der festen Überzeugung, dass Europa sein Bekenntnis zu Flüchtlingsschutz erneuern und einen wirklich funktionierenden Solidaritätsmechanismus einführen muss. Sofortige Maßnahmen sind erforderlich, um die untragbaren Zustände für Flüchtlinge in den hotspots zu verbessern.“

Hier die O-Töne der drei OrganisatorInnen:

Participants were shocked by the living conditions housed in the Vial hotspot on Chios, and later condemned the “undignified and humiliating” situation in the conference resolution. They also expressed concern about the impact on local populations of policies keeping asylum seekers at the border of the European Union. “We can only conclude that Europe cannot continue with its asylum policy as-is,” remarked Dr Torsten Moritz, general secretary of CCME. “As churches we want to see this reality of suffering and death replaced by one of solidarity, fellowship, and hope.”

While those gathered in Greece represented a diversity of interests and national contexts, they agreed on a common call for solidarity between member states of the EU and with refugees as guiding principles for a true Common European Asylum System. “What we have witnessed here calls into question the current regime of the Dublin Regulation, which leaves Greece among other countries at the EU external borders with disproportionate responsibility,” remarked Katharina Stamm legal adviser on European Migration Policy of Diakonie Deutschland. “We strongly believe that Europe must renew its commitment to refugee protection, find a truly working solidarity mechanism and do to more to help those arriving in Greece and those welcoming them.”

“The evaluation of the field visits and the information received during the days of the conference highlighted the fact that the hot spot approach can’t be a “best practice for future” European policies on the management of mixed migration arrivals,” said the CCME Vice Moderator Efthalia Pappa from the church of Greece. “Durable solutions regarding reception, asylum procedures and return policies need to be in conformity with the European acquis and Member States need to implement effectively the core fundamental principles of solidarity and burden sharing,” she added.

Hier können Sie die Abschlusserklärung der Konferenz auf deutsch und englisch, die Presseerklärung von CCME vom 22.10.2018 sowie die Agenda der 15. Europäischen Asylrechtskonferenz herunterladen. Weitere Informationen finden Sie hier: https://info.brot-fuer-die- welt.de/blog/ein-weiterso- darf-es-nicht-geben

Wir sind mehr!

Die letzten Wochen zeigte sich ein buntes Bild auf den Straßen Hamburgs und vieler andere Städte in Deutschland. Tausende Menschen, die den Aufrufen folgten und sich gemeinsam bewegten, um für sichere Fluchtrouten und gegen rechte Tendenzen zu demonstrieren. Sie waren laut, bunt, stark und mehr!

Es bewegt sich was, wenn alle zusammen für Geflüchtete und ihr Recht auf Leben eintreten. Wenn die Politik auf ihre tödliche Ignoranz aufmerksam gemacht wird und wenn wir nicht müde werden, lauter, bunter, stärker und mehr zu sein, als die, die für Abschottung und Tod sind.

Seebrücke

Am 02. September 2018 kamen über 16.000 Menschen zur Demonstration des Bündis Seebrücke zusammen. Die Initiative entstand spontan, als das Seenotrettungsschiff „Lifeline“ im Juni mit 234 Menschen an Bord am Einlaufen in einen Hafen gehindert worden war. Während die Zahl der Menschen, die im Mittelmeer ihr Leben verloren haben, bereits im Juni bei über 1.200 lag (im Oktober sind es bereits über 1.800 Menschen), wurden immer mehr Schiffe der privaten Seenotretter*innen in europäischen Häfen festgesetzt und Kapitäne vor Gericht angeklagt.  Unter der Ansage „Wenn die europäischen Regierungen in der Flüchtlingsfrage versagten, liege es an den Städten zu handeln“ ruft das Bündnis Seebrücke in deutschen Städten seit Juli zu Demonstrationen auf.

Auch die Wohlfahrtsverbände der katholischen und evangelischen Kirche, Caritas und Diakonie, beteiligen sich an der Demonstration „Seebrücke“ in Hamburg. Es müsse ein Zeichen gesetzt werden, dass eine Politik der Angst nicht im Sinne von Christen ist, sagte Caritasdirektor Michael Edele. Kirsten Fehrs, Bischöfin Nordkirche sagte auf der Demo: „Denn wir dürfen nicht unwidersprochen hinnehmen, wenn Menschenwürde verletzt wird, wie jetzt zum Beispiel in Chemnitz. Wir dürfen nicht dulden, dass man Flüchtlinge auf See ertrinken lässt und  auch nicht, dass sie angepöbelt und zusammengeschlagen werden! […] Auf dem Mittelmeer spielt sich eine humanitäre Katastrophe ab, und also brauchen wir Rettungsmissionen – je mehr, desto besser. Schiffe brauchen wir, die dafür geeignet sind, mit ausgebildeten Helfern und niedrigen Bordwänden. Und nötig sind Rechtssicherheit und eine politische Lösung!“

We’ll come united

„Gegen Abschiebung, Ausgrenzung und rechte Hetze – für Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte für alle!“ Unter diesem Slogan rief das Bündnis We’ll come united zur antirassistischen Parade in Hamburg am 29. September 2018 auf. Der Aufruf dieser offenen Initiative wurde vielfach gehört: Fast 30.000 Menschen kamen aus 35 Städten mit Bussen in die Hansestadt um für Schutz und gegen die Abschiebung von Geflüchteten zu demonstrieren. Über 40 individuell gestaltete Trucks mit unterschiedlichem Programm waren unterwegs. Die Liste der Initiativen liest sich bunt: Queers United – Love is not a crime, Stand up against deportation and make noise!, Erdogan not welcome – kein Deal mit der Türkei, Lampedusa in Hamburg – 5 years of resistance!, Romani-Truck from Latveria, Heimat deine Schnauze!, Stoppt das Massensterben im Mittelmeer – Seenotrettung ist kein Verbrechen, Bleibistan – Keine Abschiebungen nach Afghanistan! und Omas gegen Rechts. Das Signal ist deutlich: Wir sind mehr!

#unteilbar

Über 242.000 Menschen gingen zwei Wochen später in Berlin bei der #unteilbar Demonstration auf die Straßen. Am 13. Oktober rief das Bündnis Unteilbar unter dem Motto „Solidarität statt Ausgrenzung – für eine offene und freie Gesellschaft“ auf, und es kamen mehr Menschen als erwartet. Es kamen Menschen und Initiativen aus ganz Deutschland, die mit ihren unterschiedlichen Blickwinkeln für ein gemeinsames Ziel auf die Straße gingen. „Die Initiative zu der Demonstration entstand, weil wir dem zunehmenden Rechtsruck der vergangenen Wochen und Monate etwas entgegenstellen wollen. Wir wollen uns nicht spalten lassen, Menschenrechte sind unteilbar“, sagt Nora Berneis, die Sprecherin der Initiative. In dem Aufruf zur Demonstration heißt es: „Wir lassen nicht zu, dass Sozialstaat, Flucht und Migration gegeneinander ausgespielt werden. Wir halten dagegen, wenn Grund- und Freiheitsrechte weiter eingeschränkt werden sollen.“ Dem schlossen sich über 450 Organisationen, Initiativen, Künstler*innen und Prominente an. Auch Bundesaußenminister Heiko Maas sah in dem Aufruf  „ein großartiges Signal“, denn Deutschland lasse sich nicht spalten, „von rechten Populisten schon gar nicht“.

Wie gehts weiter?

Am 24. Oktober gibt es um 18:30 Uhr ein von dem Bündnis Seebrücke organisiertes „Lichtermeer für sichere Häfen“  in Hamburg: 

Vom 24. – 26.10. findet in Hamburg die Konferenz der Ministerpräsidenten statt. Aus diesem Anlass erinnern wir an den Beschluss Hamburgs, sicherer Hafen für Gerettete und Geflüchtete sein zu wollen.
DEN WORTEN MÜSSEN NUN TATEN FOLGEN, damit das Sterben im Mittelmeer tatsächlich beendet wird.
Nach einer kurzen Kundgebung ziehen wir einmal um die Binnenalster. Bringt Kerzen (windsicher, am besten Grablichter) mit!

Am 05. November finden wieder überall in Deutschland am Seenot-Montag dezentrale Flashmobs der Rettungsboote statt – auch du kannst dabei sein!

Mehr Seenotrettung ist nötig! Die echten Boote liegen fest, aber jeden Montag lassen wir überall Boote nachwachsen, so dass die neue Woche gleich hoffnungsvoll beginnt! Gefaltete, mit Straßenkreide gemalte, auf dem Fahrradgepäckträger herum gefahrene, als Brosche getragene… was immer euch einfällt. Alle Boote tragen eine “Boot”schaft und ergeben zusammen einen dezentralen “Flashmob” aus Booten. Alle können mitmachen, mit viel oder wenig Aufwand, als Gruppenaktion oder alleine auf dem Weg zur Arbeit. Egal ob am Wohnzimmerfenster oder an der Bushaltestelle, ob du nur ein Boot beiträgst oder viele: Hauptsache, viele viele Boote im öffentlichen Raum. Macht Fotos und postet sie mit #seenotmontag, oder macht eure Aktion still und leise. Schreibt Presse an und berichtet. Teilt diese Veranstaltung, übersetzt sie in andere Sprachen oder erstellt eigene lokale Veranstaltungen. Und ganz wichtig: für jede Einzelaktion und evtl entstehenden Dreck oder Müll sind natürlich alle selbst verantwortlich!
#Seenotmontag #seebrücke

#NichtMeineLager

AnkERzentren, Kontrollierte Zentren, Ausschiffungsplattformen – bei der Abwehr von Geflüchteten kennt die gegenwärtige europäische Politik vor allem eine Antwort: Isolation in Lagern.

Wer auf dem Mittelmeer in die Hände der libyschen Küstenwache gerät, dem droht die Verschleppung in eines der berüchtigten libyschen Gefangenenlager.
Wer den griechischen EU-„Hotspot“ Moria auf Lesbos erreicht, sitzt dort unter menschenunwürdigen Bedingungen fest.
Wem die Flucht bis nach Deutschland gelingt, dem drohen bis zu zwei Jahre Isolation in einem AnkERzentrum.
Dieser Entrechtung von Schutzsuchenden und der Entmenschlichung unserer Gesellschaft treten wir entschieden entgegen – das sind nicht unsere Lager!

UNTERSTÜTZEN SIE DIE AKTION VON PROASYL »NICHT MEINE LAGER«!

Für ein offenes und faires Europa! Für die Aufnahme geflüchteter Menschen! Für das Recht auf Schutz und Asyl.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Neue UNHCR-Richtlinien: Abschiebungen sind dringend auszusetzen

UNHCR hat seine neuen Richtlinien zu Afghanistan veröffentlicht und bringt es auf den Punkt: Geflüchtete Afghan*innen können nicht nach Kabul geschickt werden! PRO ASYL forderte die Sammelabschiebung für Dienstag, den 11.09., akut auszusetzen. Entscheidungen über Leib und Leben dürfen diese Erkenntnisse nicht ignorieren. Trotzdem wurde der Abschiebeflug mit rund 20 Personen durchgeführt und ist am Mittwoch morgen in Kabul gelandet.

Das neue 120-Seiten-Papier des UNHCR beschreibt unter detaillierter Quellenangabe, wie sich die Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitäre Lage in Afghanistan weiter verändert hat. Diese Beschreibung verläuft diametral zur derzeitigen Praxis der Abschiebungen nach Afghanistan, konkret nach Kabul. Gerade für die entscheidende Frage der Situation in der Hauptstadt heißt es nämlich, dass dort kein Schutz zu finden ist (S. 114):

»UNHCR considers that given the current security, human rights and humanitarian situation in Kabul, an IFA/IRA [interne Schutz- oder Neuansiedlungsalternative] is generally not available in the city.«

UNHCR beschreibt ausdrücklich die Gefahren, die sich durch die verschärfte Sicherheitslage für Zivilist*innen ergeben (S. 112):

»(…) civilians who partake in day-to-day economic and social activities in Kabul are exposed to a risk of falling victim to the generalized violence that affects the city.«

»In Hinblick auf die gegenwärtige Sicherheits- und Menschenrechtslage, sowie die humanitäre Situation, ist Kabul keine generelle interne Fluchtalternative.«

Die Innenminister der Bundesländer müssen Abschiebungen nach Afghanistan stoppen, Behörden und Gerichte diese neuen Berichte ernst nehmen. Die derzeitige Asylentscheidungs- und Abschiebepraxis widerspricht den Fakten.

Weitere Informationen: ProAsyl

 

Konzepte für das plurale Miteinander

Berlin, 6. September 2018

Zu den Äußerungen von Bundesinnenminister Horst Seehofer, die Migration sei „die Mutter aller politischen Probleme“, sagt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie:

„Die Aufgabe von ,Vater Staat‘ ist es, für das plurale Miteinander politische Konzepte zu entwickeln, statt die Migration als ,Mutter aller politischen Probleme‘ zu beklagen. Mit einer solchen Äußerung stößt Innenminister Horst Seehofer Millionen von Zugewanderten vor den Kopf, die in unserem Land leben und ohne die Deutschland jetzt und auch in Zukunft nicht auskommt.

Wir müssen heute gemeinsam ein Land gestalten, das vielfältiger, älter, digitaler und damit auch ungleicher wird. Dieser Weg ist demografisch längst vorgezeichnet. Die Bundesregierung sollte Ideen liefern, wie Deutschland in zehn Jahren aussehen soll.“

Ein längeres Interview zu Rechtpopulismus, Flüchtlingsaufnahme und Pflegeproblematik finden Sie in der Neuen Osnabrücker Zeitung: https://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/1513221/diakonie-praesident-lilie-eine-gesellschaft-der-egoisten-funktioniert-nicht

Seebrücke Hamburg

Mit der SEEBRÜCKE-Großdemonstration am 2. September 2018 haben wir ein gemeinsames Zeichen gesetzt gegen die Politik der Angst und der Abschottung, wie sie von vielen europäischen Regierungen betrieben wird. Die Demonstration wurde getragen von aktiven Menschen, von Bündnissen und Organisationen aus verschiedenen Bereichen der Zivilgesellschaft und der antirassistischen Bewegung. Bei aller Unterschiedlichkeit sind wir uns einig in drei zentralen Punkten:

1. Das Ertrinkenlassen von Menschen ist falsch und muss aufhören.
2. Seenotrettung ist eine humanitäre Pflicht und kein Verbrechen.
3. Es muss sichere Fluchtwege nach Europa geben.

Wir wollen, dass sich die Hansestadt Hamburg zu diesen Zielen bekennt und entsprechend handelt. Unsere Stadt soll zum SICHEREN HAFEN werden, in dem Gerettete und Geflüchtete Aufnahme finden und in Sicherheit leben können.

Informationen zum Bündnis und weiteren Aktionen finden Sie hier: http://seebruecke-hamburg.de/

Redebeitrag von Heiko Habbe

„Wie eng wir heute auch stehen: Wir stehen immer auf Lücke. Und zwischen uns, da steht die Trauer, steht der Schmerz. Die Trauer um die, die im Mittelmeer ertrunken und in der Wüste geblieben sind, der Schmerz um die, die in libyschen Folterlagern stecken.

Wir trauern um mindestens 1.500 Menschen, die allein in diesem Jahr im Mittelmeer ums Leben kamen. Die starben, weil niemand ihnen zu Hilfe kam. Wie die junge Anwältin Freshta aus Afghanistan, ertrunken Ende März in der griechischen Ägäis mit fast ihrer ganzen Familie, weil eine Rettungsaktion der Küstenwache 24 Stunden zu spät gestartet wurde. Wir trauern um sie und am alle, deren Namen wir nicht kennen.

Wir trauern auch um Daniel Hillig. Er starb vor einer Woche in Chemnitz. Aber unsere Trauer treibt uns nicht dazu, Hass und Hetze zu verbreiten. Unsere Trauer ist Solidarität, Solidarität mit Daniels Familie, mit allen, die sich in Chemnitz und überall den Rechtsextremisten und Rassisten in den Weg stellen. Und zu denen Daniel Hillig auch gehört hätte. Lasst uns heute gemeinsam ein starkes Zeichen dieser Solidarität senden, nach Sachsen und in die ganze Republik. Unser Motto: #HerzStattHetze!

Und dass wir zusammenstehen, ist auch bitter notwendig. Denn ich habe das Gefühl, dass in dieser Gesellschaft zunehmend etwas ins Rutschen kommt. Dass wir uns von gemeinsamen Grundwerten wie Humanität und Rechtsstaatlichkeit zunehmend entfernen.

Wir erleben, dass viele von den Bildern des Sterbens im Mittelmeer so abgestumpft sind, dass ernsthaft darüber diskutiert wird, ob man Schiffbrüchige retten oder es lieber lassen soll. Aber es ist nicht zu ertragen, dass wir Politik auf dem Rücken von Menschenleben machen. Seenotrettung ist unverhandelbar, und sie muss es auch bleiben, weil das Leben jedes Menschen wertvoll ist.

Die Humanität geht uns sonst verloren, und ich habe Sorge, dass wir auch den Rechtsstaat aufgeben. Rechtsstaat ist ja nicht da, wo Behörden maximale Härte zeigen. Sondern da, wo ihre Macht gezügelt wird durch Gesetze und Gerichte. Rechtsstaat ist, wo der Schwache Schutz findet. Und deshalb: Wenn abgeschoben wird um jeden Preis, aus laufenden Verfahren, gegen Gesetz und Gerichtsentscheidung, wenn Menschen hinterher verschwinden oder sich das Leben nehmen: dann geben wir den Rechtsstaat preis. Politiker, die meinen, Gerichte müssten nach dem „gesunden Rechtsempfinden der Bevölkerung“ entscheiden: die geben den Rechtsstaat preis. Eine Polizei, die randalierenden Hooligans und Neonazis die Straße überlässt, die Unbeteiligte nicht vor Gewalttätern schützen kann, die gibt den Rechtsstaat preis. Ein Innenminister, der zu alledem schweigt, der nach zwei Tagen rechter Hetzjagden nicht mehr über die Lippen bringt, als das „Verständnis“ für die „Betroffenheit in der Bevölkerung“, der gibt den Rechtsstaat preis. Und hier müssen wir auch Verantwortlichkeit einfordern, und wir fordern: Herr Seehofer, treten Sie zurück!

Damit das Sterben im Mittelmeer ein Ende hat, fordern wir: Seenotrettung jetzt! Die Schiffe müssen von der Kette, und die Besatzungen dürfen nicht kriminalisiert werden.

Damit das Geschachere um Flüchtlingsaufnahme in Europa ein Ende hat, fordern wir im Hamburger Appell: Hamburg muss zum sicheren Hafen werden! Köln, Bonn, viele Städte, zuletzt Bremen, sind da schon einen Schritt weiter. Herr Tschentscher, öffnen Sie das Tor zur Welt für gerettete Flüchtlinge aus dem Mittelmeer!

Damit der rechte Hass nicht die Oberhand gewinnt, fordern wir die Straße zurück. Wir treten ein für ein buntes, vielfältiges und offenes Deutschland, und wir verlangen von der Politik, dass sie unsere Sorgen mindestens so ernst nimmt wie die der Wut- und Hutbürger.

Das Problem in dieser Gesellschaft heißt nicht Migration. Es heißt Rassismus. Aber #wirsindmehr!“

Kirchenasyl: Menschenrechte gehen vor!

Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V. (BAG) kritisiert eine Verengung der Kirchenasyldiskussion auf formale Aspekte und weist den einseitigen Vorwurf an Kirchengemeinden, sich nicht an Regeln zu halten, zurück. “Eine solche Fokussierung greift wesentlich zu kurz”, sagt die Vorstandsvorsitzende der BAG, Pastorin Dietlind Jochims. “Das zentrale Anliegen von Kirchenasyl ist der Schutz von Menschenrechten, nicht Regelkonformität.”

2015 hatten sich nach einem Streit um das Kirchenasyl das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die Kirchen auf eine Kommunikationsstruktur geeinigt, die gute Lösungen in besonderen Härtefällen ermöglichen sollte. Dabei ging es in erster Linie um Dublin-Kirchenasyle, die Rücküberstellungen innerhalb Europas verhindern sollten. “Wir haben diese Vereinbarung begrüßt. Besondere Härtefälle beim BAMF vorbringen und eine Überprüfung erreichen zu können, das war eine Chance”, so Jochims.

Insofern sei das Einreichen eines Härtefalldossiers wünschenswert und im eigenen Interesse der Kirchengemeinden und Betroffenen: Nur so könne das BAMF die vorgebrachten Umstände sichten und bewerten. Eine Dossierquote von lediglich 50% sei unbefriedigend, so Jochims. Als ein Regelverstoß allerdings könnten in der Vergangenheit nicht eingereichte Dossiers nicht automatisch gewertet werden: Eine Verpflichtung zur Vorlage gab es in der Vereinbarung von 2015 nicht. Für etliche Fälle hatten Kirchen und BAMF bisher außerdem ausdrücklich vereinbart, kein Dossier zu erstellen.

Zum ganzen Bild gehört nach Aussage der BAG ebenfalls: Seit 2016 gibt es deutliche Kritik auch an dem Umgang des BAMF mit der Vereinbarung. Mitte 2016 hatte das Dublinreferat die Bearbeitung der Dossiers übernommen, bis dahin war die Qualitätssicherung des BAMF zuständig. Die Anerkennungsquote für Dossiers ist seit diesem Zuständigkeitswechsel von 80% auf 20% gesunken. Antworten sind oft erschreckend allgemein und pauschal. Individuelle Erfahrungen und humanitäre Gesichtspunkte bleiben unberücksichtigt. An ärztliche Stellungnahmen werden immer höhere Anforderungen gestellt. Jochims: “Wir vermissen Überlegungen, wie diese Defizite im BAMF endlich behoben werden sollen. Eingereichte Einzelfälle qualitativ gut zu überprüfen, das gehört selbstverständlich auch zur Vereinbarung.”

Die BAG bedauert sehr, dass es keine Rückkehr zu guter Kommuniktion und lösungsorientiertem Miteinander gegeben hat. Stattdessen wurde auf Weisung des Bundesinnenministers zum 1. August eine Reihe von Verschärfungen für die Gemeinden und die Menschen im Kirchenasyl eingeführt. “Von dem ursprünglich gemeinsam geäußerten Anliegen, besondere humanitäre Härten für Geflüchtete zu vermeiden, hat man sich mit diesen Maßnahmen leider noch weiter entfernt.”

Ob die Sanktionen rechtlich zulässig sind, wird überprüft werden. Aber auch unter erschwerten Bedingungen werden Kirchengemeinden sich nicht entmutigen lassen. Wir sind froh, dass es Gemeinden gibt, die aus chirstlicher Verantwortung handeln, wenn Menschen durch eine Abschiebung Lebensgefahr oder eine Verletzung ihrer Menschenrechte droht”, sagt Jochims.

Hier finden Sie die Pressemitteilung der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche.

Neue Anforderungen ans Kirchenasyl

Aufgrund des angehängten Beschlusses der Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) vom Juni 2018 wird das BAMF an alle Kirchenasyle, die ab heute, dem 1. August 2018, begonnen werden, neue formale Anforderungen stellen. „Die IMK respektiert die Tradition des Kirchenasyls, erachtet zu dessen Erhaltung jedoch Änderungen in der Praxis für notwendig.“

So wird in Kirchenasylfällen, in denen bestimmte Fristen nicht eingehalten werden, kein Dossier eingereicht oder das Kirchenasyl nach negativem Bescheid durch das BAMF nicht beendet wird, die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2  Dublin III-Verordnung auf 18 Monate verlängert, obwohl ein Kirchenasyl eigentlich kein „Untertauchen“ i.S. des Art. 29 darstellt. Die Dossiers können ausschließlich über die von den Kirchen benannten Ansprechpartner eingereicht werden.

Die AnsprechpartnerInnen in den Landeskirchen sind hier zu finden: Zentrale Ansprechpartner der evangelischen Landeskirchen  (Den bundesweiten zentralen Ansprechpartner der Vereinigung Evangelischer Freikirchen finden Sie am Ende der Liste der EKD). Bei Kirchenasylen in katholischen Gemeinden gibt das jeweils zuständige katholische Länderbüro Auskunft darüber, wer Ansprechpartner der katholischen Kirche ist.

Hier findet sich eine Zusammenfassung der geänderten formalen Anforderungen, die für Kirchenasyle gelten, die ab dem 1. August 2018 begonnen werden, ebenso ein Formulierungsvorschlag für die Meldung eines Kirchenasyls.

Redebeitrag zur Seebrücke Demonstration

von Heiko Habbe

„Wir sind gekommen, um zu trauern, um unseren Dank auszusprechen und um Entsetzen und unseren Protest hörbar zu machen.

Wir trauern um mindestens 1.400 Menschen, die allein in diesem Jahr im Mittelmeer gestorben sind. Um die mehr als 3.000 Toten des vergangenen Jahres. Und um die mindestens 40.000 Toten der Jahre zuvor. Auf rund 40.000 werden die Todesopfer im Mittelmeer seit dem Jahr 2000 geschätzt, und manche sagen, es sind noch viel mehr. Von den meisten von ihnen kennen wir nicht einmal die Namen. Aber wir erinnern uns an Aylan Kurdi, der am 2. September 2015 vor Bodrum starb, drei Jahre alt. Wir erinnern uns an Freshta, 25 Jahre alt, die am 16. März diesen Jahres ihr Leben verlor, weil eine Rettungsaktion 24 Stunden zu spät eingeleitet wurde, und mit ihr zwei ganze Familien aus Afghanistan und dem Irak, darunter ein vier Monate altes Mädchen. Wir erinnern uns an Samia Yusuf Omar, die 2008 für Somalia bei den Olympischen Spielen antrat und vier Jahre danach ertrank, 21 Jahre alt.

Wir trauern um 40.000 Menschen, die gestorben sind, auch deshalb, weil Europa sich abzuschotten versucht gegen die Krisen, die Kriege und das Elend dieser Welt. Und wir sagen: Ihr seid nicht vergessen.

Wir sind aber auch hier, um zu danken. Wir danken denen, die mit großem persönlichen Einsatz dafür kämpfen, dass weniger Menschen im Meer sterben müssen. Wir danken Sea Watch, Lifeline, SOS Mediterranée, Sea Eye, Ärzte ohne Grenzen, Jugend rettet und allen Organisationen, die sich hier einsetzen. Wir danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ihre Zeit, ihre Kraft, ihre finanziellen Mittel einsetzen. Die sich in Gefahr begeben, um andere aus der Gefahr zu holen. Die manchmal helfen können und manchmal nur noch Tote bergen, die manchmal furchtbare Bilder sehen müssen. Und die obendrein nun zunehmend in der Öffentlichkeit angefeindet und kriminalisiert werden. Danke, dass einige von Euch heute hier sind, danke für Euren Einsatz, den wir unterstützen. Und gerade jetzt, wo die Rettungsschiffe an der Kette liegen und das Suchflugzeug am Boden bleiben muss, danken wir auch denen, die mit ihren Spenden, mit ihrem persönlichen und juristischen Einsatz dafür kämpfen, dass Lebensrettung wieder möglich wird.

Und wir sind hier, um unseren Protest und unser Entsetzen hörbar zu machen. Denn es ist ein wachsendes Entsetzen, mit dem wir erleben, in welche Richtung die öffentliche Diskussion in unserem Land geht.

Es sind nicht mehr nur die Rechtspopulisten der AfD, die eine Abschottung Deutschlands und Europas gegen Flüchtlinge fordern. Die eine entstellende Rhetorik pflegen, in der aus schutzsuchenden Menschen eine Naturkatastrophe wird, ein „unkontrollierter Strom“. Die jeden Flüchtling und jeden Muslim zu einem „Sicherheitsrisiko“ erklären wollen.

Nein, es sind Politiker von Parteien, die ein „christlich“ im Namen führen. Es sind Politiker der sogenannten Mitte, die die Flucht vor Krieg und Verfolgung lächerlich machen wollen als „Asyltourismus“. Asyltourismus, damit ist die NPD schon vor Jahren in den Wahlkampf gezogen. Es sind Politiker der Mitte, die eine zunehmend verrohende Sprache benutzen. Die von einer „Anti-Abschiebe-Industrie“ daherreden, wenn sie Anwältinnen, Beraterinnen und Unterstützerinnen meinen. Die den „Rechtsstaat“ nur noch da erwähnen, wo es um Härte, um law and order, geht. Die aber vergessen und verächtlich machen, dass Rechtsstaat da ist, wo die Schwachen geschützt werden. Und wo eine Asylablehnung und eine Abschiebung vor Gericht geprüft werden können.

Und das ist bitter nötig. Das zeigt die Zahl 31.000. 31.000 BAMF-Bescheide wurden allein im vergangenen Jahr von Gerichten aufgehoben. Das ist nebenbei der eigentliche BAMF-Skandal.

Es ist zu befürchten, dass in unserem Land der Rechtsstaat tatsächlich in Gefahr gerät. Und es sind die Politiker der gleichen Parteien, die so oft nach dem Rechtsstaat rufen, die ihn nun in Gefahr bringen. Und die nicht verstanden haben, dass es ein Kernelement der Rechtsstaatlichkeit ist, dass staatliches Handeln gerichtlich überprüft werden kann. Die die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland im Sommer 2015 als „Rechtsbruch“ kritisiert haben (was sie nie war). Und die nun ihrerseits zu einem massiven Rechtsbruch ansetzen. Die Europa völlig abschotten wollen gegen Flüchtende. Die geflüchtete Menschen in Haftlager und in Ankerzentren stecken wollen. Die das Recht auf Asyl und den Schutz der Menschenwürde zurückdrängen wollen auf den afrikanischen Kontinent und dabei auch noch mit den libyschen Foltermilizen gemeinsame Sache machen wollen.

Es sind aber nicht mehr nur die Politiker, die auf den rechten Rand schielen. Die Unworte und die Ungedanken der Neuen Rechten, sie haben längst weit in die Gesellschaft hineingefunden. Wenn eine bürgerliche Wochenzeitung ernsthaft die Seenotrettung in Frage stellen kann, wenn sie unter der Überschrift „Oder soll man es lassen?“ so tut, als könne man die Rettung von Menschenleben und das kaltblütige Sterbenlassen abhandeln auf einer Ebene, als Pro und Contra: Dann ist etwas ins Rutschen gekommen. Dann sind wir der Barbarei gefährlich nahe gekommen. Und hier müssen wir aufstehen und sagen: Nein.

Es geht nicht mehr um die Flüchtlinge allein. Es geht um den Erhalt von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Deutschland, wenn Politiker sich über Recht und Gesetz hinwegsetzen, um der Zustimmung einer imaginierten rechten Wählermehrheit hinterherzulaufen. Wenn Menschen auf der Flucht nicht mehr als schutzbedürftig wahrgenommen werden, sondern entmenschlicht werden, dadurch, dass man sie sprachlich unkenntlich macht. Wenn sie entrechtet werden mit den Mitteln des Rechts. Wenn Narrative tragend für die Begründung von Politik werden, die keinen Bezug mehr zur Realität haben. In Zeiten, in denen in Europa und in Deutschland immer weniger Flüchtlinge ankommen, muss keine „Asylwende“ geschafft werden, in solchen Zeiten müssen wir zurückfinden zu Rationalität und Humanität in der Diskussion.

Und nun müssen wir auch mal Namen nennen, wer dabei im Weg steht. Denn der Fisch stinkt vom Kopfe her. Es ist einer in unserem Land, der schon seit 2015 von der „Herrschaft des Unrechts“ daherredet – und der sie jetzt selbst errichten will. Der sich menschenverachtende Scherze erlaubt über Menschen, die nach Afghanistan abgeschoben werden. Der die Anlandung von Geretteten aus dem Mittelmeer nur erlauben will, wenn ihr Schiff nicht wieder ausläuft. Obwohl das Völkerrecht die Rettung von Schiffbrüchigen und auch Seenotrettungsmissionen ausdrücklich vorschreiben. Der mit Viktor Orbán anbandelt. Und der Händchen hält mit einem italienischen Neofaschisten und einem österreichischen Neonazi. Aber Horst Seehofer hat auch das geschafft. Er bekleidet das Amt des Verfassungsministers – und wird mehr und mehr zu einem Minister des Unrechts. Wir meinen: Heimathorst – Rücktritt jetzt.

Es ist Zeit, dass die Debatte in Deutschland umsteuert. Es ist Zeit, dass wir deutlich machen, dass wir weiter für eine humane und weltoffene Gesellschaft eintreten. Es ist Zeit, dass wir deutlich machen, dass auch unsere Stimme bei Wahlen zählt. Damit die Politiker aufhören, immer und immer den rechten Rand zu bedienen. Denn das Problem in dieser Gesellschaft hat einen Namen. Es heißt nicht Flucht, es heißt nicht Migration. Es heißt Rassismus. Und dem Vordringen von Rassismus und Menschenfeindlichkeit müssen wir entgegentreten: Stop Racism!

Es ist Zeit, dass die Stimme derer gehört wird, die sich um andere sorgen – und nicht die Stimme der Besorgtbürger. Melden wir uns also in der aktuellen Debatte zu Wort. Treten wir ein für Demokratie und Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit und Solidarität, für Menschlichkeit. Legen wir den Finger in die Wunde einer entmenschlichenden Sprache. Kritisieren wir den offenen Rechtsbruch im Namen des Rechts. Und geben wir den vielen Millionen in Deutschland eine Stimme, die durch ihr haupt- und ehrenamtliches Engagement in der Flüchtlingsarbeit seit dem Sommer 2015 dazu beigetragen haben, dass die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen in Deutschland gelingen konnte. Kämpfen wir dafür, dass Menschlichkeit in der Politik dieses Landes repräsentiert wird. Dafür, dass Europa offen bleibt für Fliehende. Dafür, dass kein Mensch im Mittelmeer ertrinken muss.“

 

Heiko Habbe ist Rechtsanwalt bei fluchtpunkt Hamburg und hat diesen Redebeitrag „als Mensch“ auf der Demonstration „Seebrücke Hamburg“ gehalten, bei der mindestens 2000 (es gibt sogar Aussagen auf Internetseiten, dass es 4500 Menschen waren) TeilnehmerInnen mitgelaufen sind.

Erst stirbt das Recht, dann der Mensch!

Flüchtlingspolitik in Europa: Erst stirbt das Recht, dann der Mensch!
Für eine christliche, menschenrechtliche und solidarische Flüchtlingspolitik in Europa!

Mitglieder des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentages haben einen Aufruf zur Flüchtlingspolitik in Europa gestartet. Sie fordern darin eine “Christliche, menschenrechtliche und solidarische Flüchtlingspolitik in Europa” und wenden sich sowohl an die Regierungen in der EU als auch ausdrücklich an die Kirchen. Die Kirchen engagieren sich seit Jahren mit großem Einsatz für eine humanitäre Flüchtlingspolitik. Doch in den letzten Wochen hat sich die politische Lage dramatisch zugespitzt. Abschottung ist zum Hauptziel der Politik in Europa und auch der Bundesregierung geworden. Das verlangt mehr denn je klare Worte aus den Kirchen: Entschiedenheit ohne politische Rücksichtsnahmen für eine humanitäre Flüchtlingspolitik!

Aufruf zur Unterzeichnung der Petition:  https://www.change.org/fluechtlingspolitik

Als Christinnen und Christen, als Bürgerinnen und Bürger, fordern wir die Regierungen in der EU auf, den Flüchtlingsschutz nicht weiter zu gefährden. Von unseren Kirchen in Europa erwarten wir die Verteidigung der Menschenwürde ohne politische Rücksichtnahme.

Kriege, Unterdrückung und Ungerechtigkeit sind zentrale Gründe dafür, dass Menschen ihr Zuhause verlassen. Für Staaten, und Gesellschaften ist diese Not eine Herausforderung. Viele Menschen in Europa sehen das Problem jedoch in den Flüchtlingen und Migranten und fordern Abschottung. Die Politik folgt dieser Logik immer mehr. Es ist höchste Zeit, dies zu ändern und die Folgen dieser Entwicklung klar zu benennen.

Die Regierungen in Europa dürfen sich nicht aus der Verantwortung stehlen, indem sie Grenzen schließen und Menschen in Not abwehren. Die Europäische Union braucht Humanität und Ordnung in der Flüchtlingspolitik, nicht Härte und Auslagerung. Es ist richtig, über gemeinsame Grenzkontrollen festzustellen, wer nach Europa einreist und für eine faire Verteilung der Flüchtlinge zu sorgen. Aber es ist völkerrechtswidrig, Menschen in Seenot nicht zu retten. Es ist unverantwortlich, Menschen monatelang in Lagern festzuhalten, andere Staaten für die Abwehr von Flüchtlingen zu bezahlen und gefährliche Herkunftsstaaten für sicher zu erklären. Diese Abschottung schreitet seit Jahren voran und höhlt das internationale und europäische Flüchtlingsrecht aus. Dabei wissen wir aus der Geschichte: Erst stirbt das Recht, dann stirbt der Mensch.

Diese Flüchtlingspolitik hat keine gute Zukunft. Diese Politik bedroht nicht nur die Flüchtlinge, sie setzt auch unsere eigene Humanität und Würde aufs Spiel. Die Kampagnen gegen jene, die sich für Flüchtlinge einsetzen – insbesondere die zivile Seenotrettung –, zeigen: Moral wird verunglimpft und Menschlichkeit kriminalisiert.

Wir lassen uns durch diese Politik nicht zum Schweigen bringen. Wir werden weiter für Mitmenschlichkeit einstehen und Zeugnis in unserer Zeit ablegen. Unsere Kirchen und Häuser müssen Zufluchtsorte für alle Menschen bleiben, die Hilfe, Schutz und Hoffnung suchen. Nicht nur, weil wir als Christinnen und Christen eine Gemeinschaft aus verschiedenen Ländern sind. Sondern auch, weil unser Glaube uns dazu herausfordert: in Jesus Christus erkennen wir den Notleidenden, den Flüchtling, den Mitmenschen.

Wir fordern von den Regierungen in der Europäischen Union:

Finden Sie Lösungen und eine Sprache, die von Humanität geleitet sind. Bekämpfen Sie Fluchtursachen, nicht die Flüchtlinge. Wahren Sie internationales Recht, statt es durch Abschottung auszuhöhlen. Entscheiden Sie sich für eine Politik der Mitmenschlichkeit und Solidarität, damit Europa seine Würde behält.

Wir fordern von den Kirchenleitungen in Europa:

Setzen Sie sich für Flüchtlinge ein. Äußern Sie sich mutiger, klarer und unmissverständlich. Nehmen Sie keine Rücksicht auf die Politik, sondern nur und ausschließlich auf die Menschen in Not. Setzen Sie sich in dieser historischen Situation für Flüchtlingsschutz und Humanität ein: Weisen Sie alle politischen Vorschläge zurück, denen nicht Liebe und Mitmenschlichkeit zugrunde liegen. Besuchen Sie die schutzsuchenden Menschen in ihren Unterkünften. Sprechen Sie mit den Helferinnen und Helfern, die aus Verzweiflung resignieren. Stärken Sie die Einrichtungen, die sich für Flüchtlinge einsetzen.

“Gib Rat, sprich Recht, mach deinen Schatten am Mittag wie die Nacht; verbirg die Verjagten, und verrate die Flüchtigen nicht!” (Jesaja 16,3)

Caritas und Diakonie warnen vor einer Abriegelung der deutschen Grenzen zulasten Schutzsuchender

Die Präsidenten der beiden christlichen Wohlfahrtsverbände, Caritas-Präsident Peter Neher und Diakonie-Präsident Ulrich Lilie, warnen vor einer Abriegelung der deutschen Grenzen zulasten Schutzsuchender. Beide Präsidenten erklären:

„Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, dürfen auch künftig nicht an unseren Grenzen zurückgewiesen werden. Wir sehen mit Sorge die politischen Forderungen nach einem deutschen Alleingang in der Flüchtlings- und Asylpolitik. Die Bundesregierung muss Rücksicht auf unsere europäischen Partner und auf internationales Recht nehmen.

Wir begrüßen eine Reform der so genannten Dublin-III-Verordnung der Europäischen Union. Sie  darf aber nicht zulasten von Schutzsuchenden gehen. Ein rechtsstaatliches Verfahren für Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, muss weiterhin gewährleistet bleiben.

Dazu gehört die Klärung, welcher EU-Mitgliedsstaat für ein Asylverfahren zuständig ist. Das muss nach geltendem EU-Recht nicht zwingend das Land sein, in dem ein Flüchtling erstmals die EU betreten hat. Diese rechtliche Überprüfung – etwa bei Fragen der Familienbindung oder des Kindeswohls – muss weiter möglich bleiben.

Die Überstellung eines Geflüchteten in einen anderen EU-Mitgliedsstaat setzt zudem die offizielle Zustimmung dieses Staates voraus. Wer darauf keine Rücksicht nimmt, riskiert, dass Schutzsuchende in der EU umherirren. Das kann und darf kein Ziel deutscher Politik sein. Es drohen Kettenreaktionen europäischer Partner, die weder humanitär noch politisch gewollt sein können.
Angesichts rückläufiger Zahlen von Asylbewerbern sehen wir keine Notlage, die ein schärferes Kontrollregime an den deutschen Grenzen erfordert. Dies würde die Freizügigkeit im Schengen-Raum gefährden und damit auch Wirtschaft und Arbeit in der Europäischen Union. Die  europäische Integration ist ein Garant für Frieden und Wohlstand auf unserem Kontinent.  Dieses in sieben Jahrzehnten errungene hohe Maß an Stabilität darf nicht kurzsichtigen politischen Interessen geopfert werden.“