Kommentar zum Kirchenasyl

5. Dezember 2017 – Ein Kommentar zur aktuellen Berichterstattung zum Thema Kirchenasyl

Worüber reden wir eigentlich beim Thema Kirchenasyl?

Deutliche Kritik an der Zahl der von Kirchengemeinden, Klöstern und Ordensgemeinschaften gewährten Kirchenasyle wurde diese Woche laut. Viele Zeitungen und Medien – auch Ihre – haben dieser Kritik Raum gegeben. Wir als Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche fragen: Worüber reden wir gerade?

Kirchen geht es mit jedem Kirchenasyl um die Verhinderung einer unzumutbaren Härte im Einzelfall. Immer mit Kenntnis und im Kontakt mit den zuständigen Behörden. Grundsätzlich ist das auch von den meisten akzeptiert. Aber worum geht es in der momentanen Diskussion?

Geht es um Zahlen? Um zu viele Kirchenasyle? Wir wissen von aktuell etwa 350 Kirchenasylen bundesweit. 530 Menschen haben in ihnen vorübergehend Schutz gefunden. Ja, die Zahl ist gestiegen in den letzten Jahren. Die der Geflüchteten auch. Proportional hat sich die Zahl nicht erhöht.

Geht es darum, dass es sich nicht um „echte Härten“ handeln könne, weil die meisten doch „nur“ in ein anderes europäisches Land abgeschoben werden sollen?

Dann würden wir gern fragen: Ist die junge Frau aus Eritrea, die nach kaum vorstellbarem Leid auf ihrer Flucht in Italien weder Unterkunft noch Versorgung erhielt, die auf der Straße leben musste, mehrfach sexuellen Übergriffen ausgesetzt war und mit Aids infiziert wurde, aber dort keine medizinische Behandlung erhielt, jetzt aber nach Italien rücküberstellt werden soll, kein besonderer Härtefall?

Ist es keine unzumutbare Härte, eine Familie mit vier kleinen Kindern nach Norwegen abzuschieben, das ihnen bereits die Abschiebung nach Afghanistan angekündigt hat, wo ihr Leben in Gefahr ist? Norwegen schiebt auch Familien nach Afghanistan ab.

Oder ist der 18-Jährige, der – weil volljährig – von seiner Familie getrennt nach Bulgarien zurück soll, wo die ganze Familie inhaftiert wurde, kein Härtefall?

Oder reden wir darüber, ob Kirchenasyl in einem Rechtsstaat einen Platz hat? Wir sind überzeugte Demokrat*innen; froh, dass wir in einem Rechtsstaat leben. Aber wir sind nicht naiv, zu meinen, dass Verwaltungshandeln in einem Rechtsstaat immer fehlerfrei sei. Und manchmal dient ein Kirchenasyl auch dazu, Verwaltungshandeln noch einmal zu überprüfen. Also, worüber reden wir?

Wir würden sehr gerne darüber reden, wie wir nicht nur in Kirchenasylfällen gemeinsam Menschenrechtsverletzungen und besondere Härten für Geflüchtete vermeiden könnten.

Mit freundlichen Grüßen,

Dietlind Jochims
Vorsitzende der Ökumenischen BAG Asyl in der Kirche e.V.
dietlind.jochims@oemf.nordkirche.de