Neues Jahr – Neues Flüchtlingspolitikversagen

2020 endete und das neue Jahr begann mit tragischen Vorfällen, die sich für Menschen auf der Flucht in Europa abspielten. Diese zeigen einmal mehr das Versagen der europäischen Flüchtlingspolitik. Im Folgenden wollen wir auf eine Auswahl dieser verweisen und appellieren an alle Beteiligten für mehr Mitmenschlichkeit und Solidarität einzustehen.

Bosnien & Herzegowina
Das Flüchtlingslager in Lipa im Norden Bosnien Herzegowinas war kurz vor Weihnachten von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) evakuiert worden, weil es nicht winterfest ausgestattet war. Kurz darauf brannten die Zelte aus, sodass mehr als 1000 Bewohner*innen obdachlos wurden und tagelang bei Schnee und Minusgraden ausharren mussten. Nachdem der Versuch der Behörden scheiterte, die Schutzsuchenden in eine ehemalige Kaserne im Süden des Landes zu bringen, wurden die Menschen in das ausgebrannte Lager zurückgebracht. Das bosnische Militär hat Zelte aufgebaut, jedoch fehlt es an Strom, fließend Wasser, sanitären Anlagen, Einrichtungen zum Kochen und gewärmten Plätzen. Aus Protest gegen diese Zustände begannen einige Bewohner*innen am Neujahrstag einen Hungerstreik, welcher offenbar nun wieder beendet wurde. Auf Transparenten der Menschen waren Slogans wie „Wir wollen Freiheit“ und „Wir sind keine Tiere“ zu lesen.

Pro Asyl kritisiert die Zustände in einer Pressemitteilung und fordert Bund und Länder zum Handeln auf

Weitere Informationen:
Interview der „Zeit“ mit einer Vertreterin einer NGO vor Ort vom 06.01.2021
Radiobeitrag von „Deutschlandfunk“ vom 04.01.2021
Beitrag der „Süddeutschen Zeitung“ vom 03.01.202
Beitrag des „Spiegel“ vom 29.12.2020

Griechenland
In Kara Tepe, dem Ersatzlager von Moria auf der griechischen Insel Lesbos, gibt es kein warmes Wasser und keine Heizung.  Die Situation ist so schlimm, dass Kinder an Selbstmord denken. Für die Bewohner*innen ist die Lage noch schlimmer als es zuvor im abgebrannten Camp Moria war. Nach jedem Regen versinken Zelte im Schlamm, Strom gibt es nur mit Glück, Toiletten sind Mangelware. Nun kommen die winterlichen Temperaturen hinzu. Vor Weihnachten appellierten fast 5000 der mehr als 7000 Geflüchteten in einem Brief an die EU-Kommission: Sie fordern Hilfe – und ein Recht auf Mitbestimmung, wie es in Moria galt.

Weitere Informationen:
Radiobeitrag von „Deutschlandfunk“ vom 27.12.2020
Beitrag der „Tagesschau“ vom 23.12.2020
Kommentar von Giorgos Chondros in „Der Standard“ vom 06.01.2021

Mittelmeer
Die Zustände auf dem Mittelmeer bleiben desaströs und ohne zivile Seenotrettung sähe es noch viel schlimmer aus.
Das spanische Seenotrettungsschiff „Open Arms“, welches derzeit das einzige zivile Seenotrettungsschiff ist, welches Such- und Rettungsmissionen (SAR) im Mittelmeer durchführt, rettete alleine zwischen Silvester und dem 2.1.2021 265 Menschen vor dem fast sicheren Tod im zentralen Mittelmeer. Malta weigerte sich, sechs Babys und über 50 unbegleiteten Kindern nur 38 Meilen vor seiner Küste aufzunehmen. Die Hilfe wurde untersagt, obgleich sich das Boot in Gewässern befand, für die die Küstenwache des Inselstaats zuständig ist. Italien hat sich letztendlich bereiterklärt die Menschen auf der Open Arms aufzunehmen.

Weitere Informationen (in Englisch):
https://www.infomigrants.net/en/post/29421/open-arms-brings-over-250-migrants-to-sicily-after-2nd-rescue
https://thecivilfleet.wordpress.com/2021/01/03/malta-refuses-to-help-over-50-unaccompanied-children-rescued-in-its-waters-to-reach-dry-land/

Frankreich
In und um Calais, im Norden Frankreichs, gibt es zahlreiche Zeltplätze von Menschen, die nach England weiterziehen wollen. Diese Orte sind eine Folge des bekannt geworden „Dschungel“, einer selbsterrichteten Zeltstadt von Migrant*innen. Obwohl diese 2016 geräumt wurde, sind doch aktuell wieder rund 500 Menschen in Calais, die auf eine Gelegenheit zur Überfahrt warten. Der vollzogene Brexit macht ihr Vorhaben auf die britische Insel zu kommen nun noch schwieriger und die französischen Behörden haben schon im neuen Jahr ihre Strategie weiterverfolgt die Zeltplätze zu vernichten, ohne den Menschen alternative Perspektiven zu geben.

Weitere Informationen:
https://calais.bordermonitoring.eu/2020/12/31/fundamentale-rechte-werden-an-der-grenze-weiterhin-nicht-beachtet/#more-1684
https://calais.bordermonitoring.eu/2021/01/03/ueber-1-000-raeumungen-im-jahr-2020/