Offener Brief von Flüchtlingsinitiativen an Innensenator Grote: Senat muss Versprechen für Drittstaatsangehörige aus der Ukraine endlich einlösen
Die Lage von aus der Ukraine geflohenen Menschen ohne ukrainische Staatsangehörigkeit – insbesondere der Gruppe der Studierenden unter ihnen – spitzt sich weiter zu. Viele dieser Personen stehen vor der Ausweisung, obwohl ihnen ausdrücklich „eine Brücke für eine Fortsetzung des Studiums“ zugesagt worden war. Diese Zusage wird aber nicht eingelöst.
Mehrere Organisationen, die seit Jahren Geflüchtete bei der Integration in Deutschland unterstützen und sich in den vergangenen 12 Monaten speziell um die Studierenden aus Drittstaaten gekümmert haben, haben nun einen offenen Brief an Innensenator Grote geschrieben, in dem sie die Einlösung des Versprechens aus dem vergangenen Jahr einfordern:
Sehr geehrter Herr Innensenator Grote, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat nicht nur die ukrainischen Staatsangehörigen betroffen. Auch zahlreiche Personen aus anderen Staaten, die in der Ukraine ihren Lebensmittelpunkt hatten, waren zur Flucht gezwungen. Viele von diesen Drittstaatsangehörigen waren zum Studieren in die Ukraine gekommen. Für die Studierenden war vom Hamburger Senat zunächst eine Sonderregelung eingeführt worden. Von den aktuell 1.048 drittstaatsangehörigen Studierenden aus der Ukrainehaben bislang 423 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht (in Form einer Fiktionsbescheinigung) für sechs Monate erhalten, die ihnen vorübergehend einen mit den ukrainischen Staatsangehörigen vergleichbaren Rechtsstatus einräumte. Diese Regelung war ausdrücklich als „Brücke“ zu einer Fortsetzung des Studiums in Deutschland geplant. Zudem sollte nach Ablauf der sechs Monate eine „wohlwollende“ Prüfung auf andere Möglichkeiten des Aufenthaltes (z.B. FSJ oder Berufsausbildung) stattfinden. Die Praxis zeigt: Das Gegenteil ist der Fall. Es werden in der ganz überwiegenden Mehrheit der Fälle Ablehnungen des Antrags auf Aufenthaltserlaubnis ausgesprochen und eine kurzfristige Ausreise verfügt. Nur insgesamt 41 Aufenthaltserlaubnisse für Studium, studienvorbereitende Sprachkurse, Ausbildung, Arbeit als Fachkraft und (in der großen Mehrzahl) Freiwilligendienst wurden bislang ausgestellt. Die Begründungen sind dabei häufig schwer bis gar nicht nachvollziehbar. Sprachkurse werden als unzureichend angesehen, obwohl sie die behördlichen Anforderungen erfüllen – aber die Behörde fragt nicht nach, gibt keine Gelegenheit zu Ergänzungen. Bei der Ablehnung wird inhaltlich keine Begründung geliefert, warum der konkrete Sprachkurs nicht ausreichend sein soll. Was es bräuchte, wäre die klare Benennung von Anforderungen, zudem müssten ausreichend lange Fristen für die Vorlage von Nachweisen gewährt und der Mangel an erschwinglichen Intensiv-Sprachkursen behoben werden. Viele der Drittstaatsangehörigen aus der Ukraine scheitern zudem am Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung. Für ein Studium sollen sie über 900 Euro monatlich nachweisen, und das für ein ganzes Jahr im Voraus. Das können oft weder sie noch ihre Familien leisten. Bei Ausbildungen und Freiwilligendiensten führt es zur Ablehnung, wenn das Monatseinkommen nur wenige Euro unter dem „Soll“ liegt. Hier muss der Senat helfen mit Teilstipendien oder Überbrückungsdarlehen. Stattdessen wird auf die Betroffenen Druck zur Ausreise ausgeübt. Zudem verweigert das Amt für Migration den Studierenden in vielen Fällen das sonst übliche Anhörungsrecht vor Erlass einer negativen Entscheidung. Eine ordnungsgemäße Anhörung setzt voraus, dass den Antragstellenden der Grund für die Ablehnung der beantragten Aufenthaltserlaubnis mitgeteilt wird und sie dazu Stellung nehmen können. Dies wurde praktisch bei allen Drittstaatsangehörigen versäumt. Stattdessen wurden Ausreiseverfügungen erlassen, bei denen vorgelegte Nachweise häufig schlichtweg nicht berücksichtigt wurden. Die Bearbeitung der Verfahren vermittelt einen teils chaotischen Eindruck. Wartezeiten im Amt für Migration von vier Stunden und mehr waren der Regelfall, nachweislich übersandte Dokumente fehlten in den Akten, ein Kontakt zu den Personen, die in den Verfahren Entscheidungen treffen, ist nicht möglich. Die Träger von Freiwilligendiensten mussten teilweise monatelang auf aufenthaltsrechtliche Klärung warten, bis der zugesagte Freiwilligendienst beginnen konnte. Eine echte Chance auf eine Fortsetzung des Studiums oder auf eine Ausbildung in einem dringend benötigten Beruf sieht anders aus. Wie wenig der Senat die Zusage einlöst, die mit der Studierendenregelung gemacht wurde, wie eklatant Grundsätze einer rechtsstaatlichen Verfahrensführung verletzt werden, hinterlässt uns fassungslos. So darf es nicht weiter gehen. Wir fordern Sie auf, durch klare Anweisungen an die Entscheider:innen im Amt für Migration rechtliche Klarheit zu schaffen und den Betroffenen eine echte Perspektive in Deutschland zu ermöglichen. Die meisten der Drittstaatsangehörigen sind mit ihrer Qualifikation und ihren Deutschkenntnissen bereits auf einem Niveau, mit dem sie zeitnah eine qualifizierte Beschäftigung aufnehmen und zur Milderung des Fachkräftemangels in Hamburg beitragen können. Sie haben es in der Hand, dazu beizutragen. Im Namen der folgenden Organisationen, die sich um die Unterstützung und Integration von Geflüchteten engagieren, schreiben wir Ihnen diesen Brief: Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen (BHFI) hamburgasyl – Arbeitsgemeinschaft Kirchliche Flüchtlingsarbeit Asmara’s World e.V. ARRiVATi- Community Care & Empowerment Refugee Law Clinic (RLC) Universität Hamburg Kontakt Dr. Katherine Braun, hamburgasyl, Arbeitsgemeinschaft Kirchliche Flüchtlingsarbeit Tel: 0171 6816001, E-Mail: Katherine.Braun@flucht.nordkirche.de Manfred Ossenbeck, Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen (BHFI) Tel: 0171 2027137, E-Mail: manfred.ossenbeck@bhfi.de |