Unbegleitete Minderjährige Geflüchtete

Unbegleitete minderjährige Geflüchtete (UMF) in Deutschland und Hamburg

Zahlen zu Deutschland

Im Jahr 2023 (Stand 30.09.23) haben laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 10.900 unbegleitete Minderjährige einen Asylerstantrag gestellt. Das sind ca. 5% aller Erstantragstellenden im Jahr 2023. Die Hauptherkunftsländer sind weiterhin Afghanistan und Syrien mit Schutzquoten von jeweils 98%. In Hamburg lebten zum Stichtag am 31.10.2024 657 unbegleitete minderjährige Geflüchtete. (Quelle: Sozialbehörde)

Die Gesamtschutzquote für Asylerstanträge von unbegleitet Minderjährigen liegt im Jahr 2023 mit 3971 positiven von 4250 Entscheidungen bei rund 93%. (Quelle: Zahlen & Fakten zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen – BumF)

Flucht nach Deutschland

Minderjährige Geflüchtete, die nach Deutschland kommen haben eine weite und sehr lange Reise hinter sich. Fluchtrouten sind gerade für Kinder sehr gefährlich und werden oft von bewaffneten Gruppen kontrolliert, Kinder und Jugendliche müssen Vergewaltigungen fürchten, können verschleppt und als Kindersoldaten zwangsrekrutiert oder als billige Arbeiter*innen ausgenutzt werden, es fehlt an medizinischer Versorgung und ausreichend zu essen und trinken. Um die Wege zu bewältigen, müssen Kinder und Jugendliche unbekannten Menschen Vertrauen schenken, geraten in Abhängigkeiten und wenn sie irgendwo „verloren gingen“ würde niemand davon Kenntnis nehmen. Die Flucht wird von dem Traum nach einem sicheren und erfüllten Leben begleitet.

Fluchtgründe

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kommen aus vielfachen Gründen nach Deutschland: Sie fliehen vor Kriegen, Krisen, Unruhen und Konflikten sowie vor Armut und Naturkatastrophen. Auch (drohende) politische Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen oder religiösen Bevölkerungsgruppe kann eine Fluchtursache sein. Kinder und Jugendliche können von Ausbeutung, Sklaverei oder Kinderarbeit, von Verfolgung wegen Wehrdienstverweigerung, oder auch drohender Zwangsrekrutierung als Kindersoldaten betroffen sein.

Spezifische Fluchtgründe für Mädchen und junge Frauen sind beispielsweise drohende Genitalverstümmelung, Zwangsheirat, sexueller Missbrauch oder Zwangsprostitution.

Ankunft in Hamburg

Wenn Kinder und Jugendliche in Hamburg ankommen, müssen sie verschiedene Stationen durchlaufen, um im System aufgenommen zu werden. Ihre Identität, Herkunft, Familienverhältnisse, ihr Alter müssen geprüft werden. Der Landesbetrieb Erziehung und Beratung (LEB) hat in Hamburg die Aufgabe, den Schutz dieser jungen Menschen zu gewährleisten. Hierfür werden sie vom Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) gem. § 42 a Sozialgesetzbuch VIII vorläufig in Obhut genommen. In diesem Rahmen werden die Voraussetzungen für eine Inobhutnahme und eine mögliche Verteilung auf andere Kommunen geprüft. Innerhalb des KJND ist der „Fachdienst Flüchtlinge“ zuständig für die Erstaufnahme und alle jugendamtlichen Aufgaben.

Von der Erstaufnahme geht es dann in betreute Einrichtungen der Erstversorgung.

Altersfeststellung

Dafür werden Kinder und Jugendliche zuallererst in einem Aufnahmegespräch von Sozialpädagog*innen des KJNDs in Inaugenschein genommen. Es werden biographische Daten abgefragt und Dokumente zum Identitätsnachweis geprüft. So soll eine Minderjährigkeit festgestellt werden. Bei Unsicherheit über das Alter sollte eine ärztliche Untersuchung beim Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), am Institut für Rechtsmedizin, durchgeführt werden. Dies geschieht oft nicht, sondern es wird anhand des äußeren Eindrucks Volljährigkeit angenommen und ein fiktives Geburtsdatum gegeben.

Die Betroffenen benötigen Rechtshilfe, um Ihr Recht auf eine Überprüfung und ihren Anspruch Jugendhilfe geltend zu machen.

Vormundschaft

Für unbegleitete minderjährige Geflüchtete soll nach SGB XIII das Jugendamt unverzüglich einen Vormund beim Familiengericht bestellen. Solange vom Gericht kein Vormund bestellt ist, soll das Jugendamt diese Funktion im erforderlichen Umfang zum Wohle der Betroffenen ausüben.

Es wird zwischen Privat- und Amtsvormund unterschieden.

Privatvormünder haben Vorrang.  Häufig stammen sie aus dem sozialen Umfeld des Betroffenen. Der klare Vorteil liegt in der persönlichen Begleitung und Herstellung einer zwischenmenschlichen Beziehung. Ungeschulte Privatpersonen, insbesondere Angehöriger mit geringen Deutschkenntnissen, sind allerdings häufig überfordert und stellen geeignete Anträge aus Unkenntnis nicht. Sie sollten darüber aufgeklärt werden, dass die persönliche Beziehung zum Jugendlichen auch von einem Amtsvormund gern unterstützt wird, und sie nicht selbst gesetzliche Vertreter des jugendlichen werden müssen. Vormünder sollen wesentliche Teile der Elterlichen Sorge übernehmen. Darunter fällt die rechtliche Vertretung, die Personen- und Vermögenssorge, die Sicherung und Schaffung von Bleiberechtsperspektiven, die Vertretung im asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren, die Unterstützung bei Familienzusammenführung, die Gesundheitsfürsorge, die Sicherstellung von Schul- und Ausbildungszugang und Spracherwerb sowie die Beantragung erforderlicher Leistungen.

Asylverfahren

Ein Asylverfahren wird in Betracht gezogen, wenn Menschen aufgrund von politischer Verfolgung (Artikel 16a Grundgesetz) nach Deutschland geflohen sind oder wenn ihr Leben oder ihre Freiheit im Herkunftsland aufgrund ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen der politischen Überzeugung (Genfer Flüchtlingskonvention) bedroht war und ist. Weiter können schwerwiegende Gefahren für Leib oder Leben, wenn Folter oder Todesstrafe drohen oder eine erhebliche Gefahr durch einen internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikt besteht, ein subsidiärer Schutz bewirken.

Die Anhörung ist im Asylverfahren der wichtigste Termin und ausschlaggebend für die Gewährung eines möglichen Aufenthaltes und die einzige Möglichkeit eine persönliche Aussage zu seinem Begehren zu machen. Deswegen wird eine Vorbereitung darauf sehr empfohlen.

fluchtpunkt bietet eine Spezialsprechstunde für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge an: Neues Projekt – Fluchtpunkt Hamburg

Recht auf Bildung

Über 16-Jährige werden in der Regel in eine Ausbildungsvorbereitungsklasse eingeschult. Jüngere Schüler*innen werden in sogenannten Internationalen Vorbereitungsklassen (IVK) beschult. Anmeldung hier: https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/behoerden/schulbehoerde/siz-info-18724

Abschiebung

Beobachtungen zeigen, dass vermehrt auch unbegleitete Minderjährige zu einer freiwilligen Rückkehr gedrängt werden sollen. Dies widerspricht der geltenden Rechtslage und dem Vorrang des Kindeswohls. Nach § 58 Abs.1a AufenthG muss sich die Behörde vergewissern, dass die/der UMA im Zielstaat einem Mitglied ihrer/seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird. Diese Übergabe muss konkret geplant und umsetzbar sein.

Ausblick/ Wünsche/Forderungen

Für eine gelingenden Integration ist eine sichere Lebenslage, vor allem für Kinder und Jugendliche, essenziell wichtig. Dazu gehören u.a. stabile soziale Kontakte und emotionale Bindungen. Familiennachzug und –Zusammenführung müssen gewährleistet sein.

Unbegleitete minderjährige Geflüchtete brauchen Unterkünfte, in denen sie sich sicher fühlen und durch vertrauensvollen Menschen angemessen betreut werden. Ein Zugang zu psychologischer Behandlung und Traumatherapien, auch in der Muttersprache, könnten ihnen helfen ihre Erfahrungen mit professioneller Hilfe zu verarbeiten. Ein schneller Zugang zur Schule, Ausbildung und Studium würde jungen Menschen ermöglichen, gute Sprachkenntnisse, weiterführende Bildung, Schul- und Studienabschlüsse zu erwerben und neue Freunde zu finden. Kinder und Jugendliche erschließen dort auch ihr soziales Umfeld, agieren selbständig, haben am gesellschaftlichen Leben teil und finden ihre soziale Rolle darin, einen neuen Alltag für sich. Junge Menschen brauchen sichere Aufenthaltspapiere, ein Anrecht auf rechtliche Beratung und Vertretung im Asylverfahren und einen dauerhaften Schutz vor Abschiebungen.

Weiterführende Links:

Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: http://www.b-umf.de/

BAMF: BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – EMN Deutschland Paper – Unbegleitete Minderjährige in Deutschland

UNO: Flüchtlingskinder: Informationen zu Kindern auf der Flucht

Asyl.net: basiswissen.asyl.net – Arbeitshilfen für die Begleitung unbegleiteter Minderjähriger im Asyl- und Klageverfahren

Kinderschutzbund: Für Kinder und Jugendliche | Der Kinderschutzbund Landesverband Hamburg

Weitere Informationen zum Thema Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge finden Sie unter Praktische Hilfen.