„Verlässlichkeit des Rechtsstaats und humanitärer Blick auf den Einzelfall“
Evangelische Anliegen in Zeiten populistischer Flüchtlingsdebatten
Zum diesjährigen Flüchtlingssymposium am 22. Juni 2017 in Berlin stellte Ulrich Lilie, Präsident des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung e.V. (EWDE) folgende Thesen zur aktuellen Flüchtlingsdebatte auf:
1. Menschen, die vor Terror, Krieg und Verfolgung aus Syrien, Afghanistan, Eritrea und anderen Ländern fliehen müssen und auf der Suche nach Zuflucht und Zukunft zu uns gekommen sind, müssen im Zentrum aller Bemühungen unseres Rechtsstaates stehen. Sie haben ein verbrieftes Recht auf Schutz und Sicherheit in Deutschland, auch in Europa.
2. Wir erleben Zeiten populistischer Debatten und leider auch symbolischer Gesetzgebung – zumeist ohne Sicherheitsgewinn, aber zu Lasten des Flüchtlingsschutzes. Dem müssen wir zur Versachlichung und als Leitlinie laut vernehmbar die Verlässlichkeit des Rechtsstaats mit Blick auf den Einzelfall entgegen setzen. Wir müssen bei aller Herausforderung durch die Zahl der Schutzsuchenden unser Denken und Handeln klar danach ausrichten, dass das Recht auf Schutz der Betroffenen auch Realität werden kann.
3. Die Qualität des rechtsstaatlichen Asylverfahrens kann noch besser werden. Dieses Anliegen teilen wir mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Hier muss Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen.
4. Gerichtlicher Rechtsschutz ersetzt nicht Qualität und Qualitätssicherung im Asylverfahren. Er ist jedoch ein notwendiges Korrektiv im gewaltenteiligen Staat und nicht, wie manche populistisch formulieren, ein „Aushebeln schärferer Asylpraxis“. Gerichtlicher Rechtsschutz im Asylverfahren zeichnet die Verlässlichkeit des Rechtsstaates aus, am konkreten Schicksal, am Einzelfall muss sich diese Verlässlichkeit beweisen. Darum ist es unverzichtbar, den Zugang zum Rechtsschutz durch qualifizierte Asylverfahrensberatung, verlängerte Klagefristen und effektiven Zugang zu anwaltlicher Rechtsvertretung auch bei Abschiebungen zu stärken.
Angesichts der offenliegenden Mängel im Asylverfahren muss es jetzt vor allem um Qualität, und dann erst um Schnelligkeit gehen.
5. Wir brauchen eine europäische Lösung und Verantwortungsteilung beim Flüchtlingsschutz. Daran darf ein starkes Deutschland einen starken Anteil haben.
6. Zur Verlässlichkeit des Rechtsstaats gehört es auch, dass Geflüchteten, die nicht in ihre Heimat zurückkehren können, ein Leben in Deutschland mit ihrer Familie ermöglicht wird. Wer aus wahltaktischen Gründen verhindert, dass Geflüchtete ihre engesten Angehörigen nachholen, trägt wissentlich zu ihrer Desintegration bei.
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