Ursachen von Kirchenasyl beseitigen

„Am liebsten wäre es uns, kein Kirchenasyl gewähren zu müssen“

Bundesweite Kirchenasylkonferenz: Rückkehr zu Flüchtlingspolitik, die rechtsstaatlichen
Ansprüchen genügt und sich an Menschenrechten orientiert

Frankfurt am Main, 1. Juli 2017. Bei einem Treffen von Flüchtlingsinitiativen aus ganz
Deutschland haben am Wochenende in Frankfurt am Main Vertreterinnen und Vertreter
den zunehmenden Druck von Politik und Behörden auf das Kirchenasyl kritisiert. In
einer Erklärung forderten sie die Verantwortlichen auf, „zu einer besonnenen,
rechtsstaatlichen Ansprüchen genügenden und an den Menschenrechten orientierten
Flüchtlingspolitik“ zurückzukehren. In Frankfurt hatten sich rund 250 Aktive aus
evangelischen und katholischen Kirchen-gemeinden, Klöstern, Diakonie und Caritas
zu einer bundesweiten Kirchenasylkonferenz getroffen. Eingeladen zu diesem Tag hatten
die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (BAG), die Evangelische
Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und die Diakonie Hessen.

Kirchengemeinden unter Druck

„Wir sehen das Kirchenasyl unter großem Druck“, sagten die Initiatoren Dietlind
Jochims, Vorstandsvorsitzende der BAG, und Andreas Lipsch, Interkultureller Beauftragter
der EKHN und Leiter der Abteilung Flucht, Interkulturelle Arbeit, Migration der Diakonie
Hessen. „Zum einen gibt es den Leidensdruck durch eine immer restriktiver werdende
Flüchtlingspolitik und die stark steigende Zahl von Härtefällen. Immer öfter suchen
Menschen verzweifelt nach Schutz in Kirchenräumen. Zum anderen gerät das Kirchenasyl
selbst immer wieder unter politischen Druck, im Extremfall kommt es mittlerweile zu
Strafanzeigen oder angedrohten Räumungen.“

„Unser Hauptziel bleibt, die Ursachen von Kirchenasyl zu beseitigen.“

Die Teilnehmenden der Konferenz verabschiedeten eine gemeinsame Erklärung mit
dem Titel: „Am liebsten wäre es uns, kein Kirchenasyl gewähren zu müssen.“ Darin
werden die aktuellen Missstände in der Flüchtlingspolitik deutlich benannt, insbesondere
die drohenden Abschiebungen nach Afghanistan sowie in europäische Länder, in denen
die Grund- und Menschenrechte von Schutzsuchenden häufig verletzt werden, wie Ungarn,
Bulgarien oder Italien. Die Konferenz betont: „Unser Hauptziel bleibt, im Dialog mit der
Politik und den staatlichen Behörden die Ursachen von Kirchenasyl zu beseitigen. Wir
erwarten von den politisch Verantwortlichen, uns durch die Rückkehr zu einer besonnenen,
rechtsstaatlichen Ansprüchen genügenden und an den Menschenrechten orientierten
Flüchtlingspolitik dabei zu unterstützen.“

Die Erklärung der bundesweiten Kirchenasylkonferenz am 1.7.2017 im Wortlaut:

„Am liebsten wäre es uns, kein Kirchenasyl gewähren zu müssen.“
Die Zahl der Menschen aber, die Schutz in kirchlichen Räumen suchen, steigt. Gründe
dafür sind eine immer rigider und restriktiver werdende Asylpolitik, die hohe Zahl der
Asylanträge, eklatante Mängel in der europäischen Flüchtlingspolitik, skandalöse
Aufnahmebedingungen in den Dublin-Ländern, insbesondere in Bulgarien, Ungarn und
Italien, und vielfach fehlerhaft durchgeführte Asylverfahren. Angesichts dieser Situation
ist die aktuelle Zahl der uns bekannten Kirchenasyle in Deutschland gemessen an den
existierenden Notlagen mit 309 sehr niedrig. Längst nicht alle Anfragen münden in ein
Kirchenasyl. Die vermehrten Bitten um Kirchenasyl machen vor allem Probleme deutlich
und funktionieren als Seismograph. Das Kirchenasyl kann aber nicht die Lösung für
strukturelle Probleme in der Flüchtlingspolitik sein. Grundsätzlich gewähren wir Kirchenasyl
nur, wenn wir im Einzelfall davon ausgehen müssen, dass Menschen Gefahr für Leib und
Leben oder eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Grund- und Menschenrechte droht.

Zur Vermeidung solcher Gefahren fordern wir:

▪ Etliche Kirchenasyle werden Menschen aus Afghanistan gewährt. Wir fordern unverändert
die vollständige Aussetzung von Abschiebungen nach Afghanistan und erwarten, dass die
angekündigte neue Beurteilung der dortigen Sicherheitslage durch das Auswärtige Amt der
Realität angepasst wird. Wir sehen zusätzlich die dringende Notwendigkeit, die Praxis
der Kettenabschiebungen, zum Beispiel über Norwegen nach Afghanistan, in den Blick
zu nehmen. Statt des reinen Verweises auf Zuständigkeiten muss die deutsche Politik
hier ihre Verantwortung wahrnehmen.

▪ Kirchenasyle wollen nach Abschiebungen auch innerhalb der EU drohende erniedrigende
und menschenrechtswidrige Behandlungen verhindern. Es gäbe deutlich weniger Kirchenasyle,
wenn Rückführungen nicht mehr in solche europäischen Mitglied-staaten erfolgen würden, in
denen Grund- und Menschenrechte von Schutzsuchen-den häufig, zum Teil systematisch,
verletzt werden. Dies betrifft zum Beispiel Bulgari-en mit gewaltsamen Übergriffen in Lagern
und Gefängnissen, Ungarn, das generelle Inhaftierung von Flüchtlingen vorsieht, oder Italien,
wo aus Deutschland zurückgeschickte Menschen meist auf der Straße ohne Versorgung
leben müssen. Abschiebungen nach Griechenland, die bis März 2017 wegen systemischer
Mängel im Aufnahmesystem des Landes ausgesetzt waren, sollten weiterhin unterbleiben,
solange sich die Lage für Flüchtlinge in Griechenland nicht substantiell verbessert.

▪ Viele Kirchenasyle setzen sich für von Trennung bedrohte Familien ein. Wir fordern
das BAMF auf, seine Ermessensspielräume zu nutzen, um familiäre Bindungen und
humanitäre Aspekte zu berücksichtigen.

▪ Versuche der Diskreditierung und Kriminalisierung durch Vorwürfe, das Kirchenasyl
werde missbraucht, die Drohung mit Sanktionen, Einschüchterungen durch Strafverfahren
gegen Betroffene und ihre Unterstützer*innen sowie Androhung und Durchführung von

Kirchenasyl-Räumungen weisen wir zurück.

Es bleibt unser Hauptziel, im Dialog mit der Politik und den staatlichen Behörden die Ursachen von Kirchenasyl zu beseitigen. Wir erwarten von den politisch Verantwortlichen, uns durch die Rückkehr zu einer besonnenen, rechtsstaatlichen Ansprüchen genügenden und an den Menschenrechten orientierten Flüchtlingspolitik dabei zu unterstützen.

Frankfurt am Main, 1.7.2017

 

Ökum. Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V.

Heilig-Kreuz-Kirche

Zossener Str. 65

10961 Berlin

www.kirchenasyl.de