Flucht Adventskalender

„…so werden wir sein wie die Träumenden…“

Mit diesem Vers aus Psalm 126 kommen unsere diesjährigen Grüße zum Advent, wie jedes Jahr in Form von Geschichten statt Schokolade.  

Willkommen zum #Hoffnungsgeschichten-Adventskalender!
https://www.flucht.adventskalender-nordkirche.de

Vom 1. Dezember bis Weihnachten möchte er Sie und Euch begleiten mit 24 Geschichten, erzählt von Geflüchteten und Unterstützer:innen, die hier mit uns in Hamburg, Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern leben.

Die Erzählungen wollen nicht hinter ihren Türchen bleiben. Sehnsucht, Hoffnungen und Träume wollen geteilt werden, drängen nach außen, sollen gepflegt und ernährt werden. Diese Hoffnungen in unsicheren Zeiten möchten wir sichtbar machen – und zeigen, was dazugehört: Nicht das Abschotten und Ausgrenzen – das lässt Hoffnungen welken.

Sondern weite Tore und Herzen, Menschenwürde für jeden einzelnen Menschen, geteilte Träume. Die Adventszeit lebt ja von dieser Hoffnung, manchmal aller Realität trotzend, oft gegen Widerstände.

Wir werden uns weiter für den Schutz von Geflüchteten einsetzen und mitwirken an einer Kirche und einer Gesellschaft, die entschieden eintritt für Menschenrechte, die Empathie fördert und ermutigt zu Solidarität – und so Hoffnung nährt. Denn dann werden wir sein wie die Träumenden – nicht nur im Advent, aber gerade dann!

Wir freuen uns, wenn der Adventskalender weite Verbreitung findet – online und in Gesprächen.

Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche

Mahnwache Kirchenasyl

In der Nacht 29. auf den 30 September wurde ein Mann aus dem Kirchenasyl in der katholischen Heilige-Elisabeth-Pfarrgemeinde in Hamburg-Bergedorf abgeschoben. Dieser Bruch des Kirchenasyls ist beispiellos und darf sich nicht wiederholen.
Am 8. Oktober hat die AG Kirchliche Flüchtlingsarbeit zur Mahnwache „Hände weg vom Kirchenasyl“ aufgerufen. Unterschiedliche Redner*innen aus Kirche, Zivilgesellschaft und Politik haben sich beteiligt. Einige Redebeiträge finden Sie hier.

Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) und amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)

Liebe Geschwister, 
ihr steht heute zusammen, um ein Zeichen zu setzen. Vor zwei Wochen wurde erstmals seit Jahrzehnten ein Mensch aus einem Kirchenasyl in Hamburg heraus abgeschoben. Es ist ein Moment, der uns bewegt. Denn das Kirchenasyl ist mehr als eine Tradition — es ist ein Ausdruck von Nächstenliebe und christlicher Verantwortung. Wo staatliche Schutzmechanismen versagen, da wird das Kirchenasyl notwendig. Menschen finden dort einen Ort, an dem sie Ruhe und Sicherheit erfahren. Ein Ort, der Hoffnung gibt. Die Auflösung dieses Schutzraumes erschüttert uns. Sie stellt uns vor die Frage: Was bedeutet es, Verantwortung zu tragen?

Unsere Kirche steht für Mitmenschlichkeit. Für Barmherzigkeit. Wir treten ein für den Schutz derer, die keine Stimme haben. Das ist unsere Aufgabe — und unser Auftrag. Wenn Menschen in Not sind, dann müssen wir unsere Türen öffnen. Nicht verschließen. Das gilt unabhängig von Herkunft oder Religion. Kirchenasyl ist kein juristisches Schlupfloch. Es ist ein Signal. Ein Zeichen, dass unser Gewissen wach bleibt. Deshalb: Lasst uns heute und in Zukunft klar und deutlich dafür eintreten. Gemeinsam. Für eine Gesellschaft, die Menschlichkeit vor Bürokratie stellt.
Ich danke Euch, dass Ihr heute hier seid. Dass Ihr mit Eurem Engagement ein Zeichen setzt. Ein Zeichen für Mitgefühl, Gerechtigkeit und den Schutz von Menschen in Not.
Herzlichen Dank!
Erzbischof Dr. Stefan Heße im Erzbistum Hamburg

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Mahnwache „Hände weg vom Kirchenasyl“,
jetzt ist es gut eine Woche her, dass ein junger Mann, der schwer krank ist und in einer katholischen Gemeinde hier in Hamburg Schutz im Kirchenasyl erhalten hat, mitten in der Nacht abgeholt und abgeschoben worden ist. Das Vorgehen der Behörden und der Polizei hat viele, die heute hier sind, verstört, wütend, traurig und fassungslos gemacht. Mich macht der Bruch des Kirchenasyls hier in Hamburg – der erste seit mehr als 40 Jahren – weiterhin sehr betroffen.

Umso besser ist es, dass wir, dass Sie heute hier sind, um ein klares Zeichen zu setzen: Das Kirchenasyl ist ein hohes Gut, mit dem wir alle sorgsam umgehen müssen. Es wird auch weiterhin gebraucht, um drohende Menschenrechtsverletzungen und andere humanitäre Härten abzuwenden. Wenn Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften Kirchenasyl gewähren, wenden sie sich damit nicht etwa gegen den Rechtsstaat. Vielmehr geht es um einen Dienst am Fundament unserer Rechtsordnung – dem Schutz der Würde eines jeden Menschen.
Staatliches Recht findet auch im Raum der Kirche Anwendung. Die Praxis der letzten Jahre zeigt allerdings auch: Es gibt gute Gründe dafür, dass die Tradition des Kirchenasyls staatlicherseits respektiert wird. Denn dank des Kirchenasyl gelingt es immer wieder, im Austausch mit den zuständigen Stellen humanitär verantwortbare Lösungen zu finden. Dabei geht es stets um die Menschen und um ihr ganz konkretes Schicksal, so wie auch jetzt im Fall des jungen Afghanen, dem die katholische Pfarrei Heilige Elisabeth in Hamburg- Bergedorf Zuflucht geboten hat. Der schutzsuchende Mann befand sich in einer überaus schwierigen Situation. Ich bedauere, dass die besonderen individuellen Härten, auf die die Kirchengemeinde aufmerksam gemacht hat, nicht berücksichtigt wurden. Eine Abschiebung ist ohnehin immer mit großen Belastungen verbunden. Erschwerend kam hier hinzu, dass die Beendigung des Kirchenasyls nachts und ohne vorherige Ankündigung stattfand. Darüber ist mit den verantwortlichen Personen zu sprechen.

Mein Dank gilt allen, die sich in Hamburg für das Wohlergehen des jungen Mannes engagiert haben. Und ich danke Ihnen allen für Ihr Kommen, die große Unterstützung und Solidarität. Gleichzeitig ist es mir wichtig, mich auch an die Hamburger Behörden zu wenden: Vierzig Jahre lang gab es bei uns in Hamburg die bewährte Haltung, das Kirchenasyl zu achten. Lassen Sie uns diesen Weg des guten Einvernehmens fortsetzen. Lassen Sie uns gemeinsam dafür eintreten, dass die Würde schutzsuchender Menschen in unserem Land auch in Zukunft geschützt wird.

Fluchtpunkt – Kirchliche Hilfsstelle für Flüchtlinge

Liebe Freundinnen und Freunde,
wir von „fluchtpunkt – Kirchliche Hilfsstelle für Geflüchtete“, der Asylberatungsstelle der Nordkirche hier in Hamburg, wurden um eine Einordnung gebeten. Das will ich gern versuchen.
Ein Kirchenasyl wurde geräumt. Und bei den vielen entsetzten Reaktionen, die uns erreicht haben, war auch: Kann man dagegen nicht klagen?
Nein. Das kann man nicht. Das Kirchenasyl ist kein Rechtsinstitut. Es ist eine Tradition, die bis in die Antike zurückreicht. Kirchenasyl ist damit gelebte Verantwortung. Das ist etwas anderes als ein „Recht“ auf Kirchenasyl, und deshalb kann man Kirchenasyl auch nirgends beantragen. Das Kirchenasyl kann aber die Möglichkeit bieten, in schwierigen Fällen noch einmal einen Gesprächsfaden zu den Behörden anzuknüpfen. Dieser Schutzraum, sinnbildlich gemacht durch die Aufnahme in kirchliche Räume, muss erhalten bleiben.
Die Entscheidung über ein Kirchenasyl fällt niemals leicht.  Die Kirchengemeinde, die einem geflüchteten Menschen Zuflucht gewährt, tut dies nach gewissenhafter Prüfung und in Achtung des christlichen Gebots der Nächstenliebe. Das hat auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einmal anerkannt. Es gibt eine Vereinbarung zwischen den Kirchen und dem Amt aus dem Jahr 2015. Damals ist vereinbart worden, dass jeder Fall eines ins Kirchenasyl aufgenommenen Menschen sorgfältig auf mögliche Härtefallgründe geprüft werden soll. Die Gemeinden wenden deshalb viel Mühe auf, um Dossiers zusammenzustellen, die den Einzelfall beleuchten. Diese Vereinbarung hält das Bundesamt leider seit vielen Jahren schon nur noch dem Buchstaben nach ein. In der Praxis erleben wir sehr häufig, dass die Dossiers stereotyp abgelehnt werden mit Textbaustein-Begründungen, die dem Einzelfall nicht gerecht werden.
Auch im konkreten Fall in Bergedorf war ein junger Mensch aus Afghanistan in großer Not. Der Betroffene leidet unter einer psychischen Erkrankung, für die er in Schweden keine Hilfe findet, da Schweden abgelehnten Asylsuchenden keine Hilfen mehr gewährt, sondern sie in die Obdachlosigkeit entlässt. Zudem wurde er mit der Abschiebung nach Afghanistan bedroht. Nach deutschen Rechtsmaßstäben wäre ihm dagegen höchstwahrscheinlich ein Aufenthaltsrecht gewährt worden.
Wenn Kirchenasyl kein Rechtsinstitut ist, was ist dann eigentlich „gebrochen“ worden?
 
Gebrochen wurde ein Tabu. Gebrochen wurde das uralte, auf die Antike zurückgehende Vertrauen, dass die Mächtigen in den sakralen Raum nicht eindringen. Dass sie denjenigen nicht antasten, der seine Zuflucht zu Gott und zur Gemeinde nimmt, solange ihm diese Zuflucht gewährt wird. Dass Macht sich nicht bis ins Letzte durchsetzt – obwohl sie es könnte. Kirchenasyl steht in dieser Perspektive auch für einen zivilisatorischen Akt.
Die Gewissensentscheidung einer Kirchengemeinde wurde in Hamburg jahrzehntelang respektiert. Jetzt aber wurde dieser Konsens einseitig aufgekündigt durch die Innenbehörde. Aufgekündigt durch eine Abschiebung im Morgengrauen, eine Bohrmaschine in einem Türschloss. Alles für ein paar Abschiebungen mehr.
Jonas Schaible schrieb kürzlich: „Eine Gesellschaft, die den Schutz der Tabus verlassen hat, steht wehrlos da, wenn sie konfrontiert wird mit Brutalität, Lüge, Schamlosigkeit und Hass.“ Und beschreibt das nicht, was wir erleben? Dass durch schamlose Lügen Brutalität und Hass gegenüber flüchtenden Menschen geschürt werden? Dass auch Teile der demokratischen Parteien immer stärker die Narrative der extremen Rechten übernehmen, ihre Politik exekutieren, ob in der Ankündigung, Grenzen zu schließen und Unterstützung zu versagen, oder eben im Bruch eines Kirchenasyls? Der Staat, der heute meint, das Kirchenasyl brechen zu müssen für ein paar Abschiebezahlen mehr – was wird der morgen tun? Das ist ein Weg, den wir nicht mitgehen können.
Das Eindringen ins Kirchenasyl in Bergedorf zeigt einen Kulturwandel auf, der uns über das Asylrecht hinaus Sorgen machen muss. Hier ist auch der Status der Kirchen als ethische Instanz angesprochen.

Wir rufen den Senat auf, das Gespräch mit den Kirchen zu suchen und von weiteren Räumungen Abstand zu nehmen. Hamburg darf sich nicht vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter Druck setzen, sich nicht in den Strudel einer überhitzten politischen Debatte hineinziehen lassen.
In letzter Zeit wird häufig ein „Kurswechsel“ in der Migrationspolitik gefordert. Wir fordern: die Politik soll überhaupt erst einmal einen erkennbaren Kurs steuern. Und zwar einen, der auf Fakten basiert statt auf Ressentiments. Der sich an Menschenrechten, Grundrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien orientiert. Die Qualität einer humanen Flüchtlingspolitik bemisst sich nicht in der Zahl durchgeführter Abschiebungen. Wer Schutz braucht, muss ihn bei uns auch weiter finden können.
Flüchtlingsrat Hamburg e.V.

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
wir sind traurig, wir sind enttäuscht, wir sind sauer! Aber leider nicht überrascht…denn es ist das eingetreten, was viele seit Wochen befürchten: Wir sind heute hier, weil der Schutz von Menschen in Not auf brutale Weise gebrochen wurde. Zum ersten Mal seit langem wurde nun auch in Hamburg ein Kirchenasyl aufgelöst – ein Ort, der für Solidarität und Zuflucht steht, wurde willkürlich ignoriert. Über Jahrzehnte hinweg war das Kirchenasyl ein Zufluchtsort für Menschen, die in größter Not Schutz suchten. Ein Raum, in dem Mitmenschlichkeit und Solidarität über bürokratische Härte triumphierten. Dieses Vertrauen wurde nun zerstört.
Kirchenasyl steht für den letzten Schutz in einem Asylsystem, das viel zu oft versagt. Es war nie eine einfache Lösung, sondern eine letzte Hoffnung, wenn alle anderen Wege versperrt wurden. Doch in diesem Fall wurde dieser Schutz missachtet. Die betroffene Person wurde aus willkürlichen Gründen aus der Kirche geholt – aus einem Raum, der dazu da ist, Schutz und Würde zu bieten, wenn Behörden diese nicht mehr gewährleisten.
Kirchenasyl ist ein Akt der Menschlichkeit, der das Versagen eines Systems korrigieren will, das Menschen in unsichere Lebensverhältnisse abschiebt. Dass dieser letzte Schutzraum aufgelöst wurde, zeigt deutlich, dass bürokratische Härte über Mitgefühl gestellt wird.
Dieser Vorfall ist nicht nur ein Angriff auf eine Einzelperson, sondern ein klares Signal, dass solche Missachtungen der Schutzräume leider zur Regel werden könnten. Es ist ein Schlag gegen all jene, die sich für Menschenrechte, Gerechtigkeit und Solidarität einsetzen.
Es zeigt, dass unser Asylsystem zunehmend unmenschlicher wird. Wir dürfen nicht zulassen, dass Solidarität kriminalisiert und der Schutz von Geflüchteten der Bürokratie geopfert wird.
Wir als Flüchtlingsrat Hamburg verurteilen diesen Akt aufs Schärfste! Ein Staat, der auf Recht pocht, darf nicht vergessen, dass Recht ohne Gerechtigkeit wertlos ist. Kirchenasyl war und ist eine moralische Institution.
Es ist Ausdruck einer Zivilgesellschaft, die nicht tatenlos zusieht, sondern handelt, wenn Menschen in Gefahr sind; wenn der Staat mal wieder versagt.
Das Prinzip des Kirchenasyls basiert auf Humanität und internationalem Schutz, der jedem Menschen zusteht. Diese Prinzipien sollten auch in unserem Asylsystem verankert sein – doch die Praxis zeigt oft das Gegenteil. Abschiebungen in Länder, in denen Menschen Gewalt und Unsicherheit drohen, sind in unserem System an der Tagesordnung. Die Ereignisse um das Kirchenasyl in Hamburg zeigen erneut, wie wenig Rücksicht auf die Gefahren für die betroffenen Personen genommen wird.
Liebe Freundinnen und Freunde,
wir sind heute hier, um unsere Stimme zu erheben – nicht nur für diejenigen, deren Schutz im Kirchenasyl gebrochen wurde, sondern für alle, die in Zukunft in solchen Situationen Schutz suchen. Wir kämpfen für ein Asylsystem, das wirklich schützt und Menschen nicht in Unsicherheit und Leid zurückschickt.

Wir fordern, dass der Schutz von Menschen in Not ernst genommen wird. Behörden müssen humanitär handeln und Kirchenasyle respektieren. Wir fordern auch, dass der Rechtsstaat den Mut zur Menschlichkeit zeigt und nicht nur Gesetze strikt durchsetzt, sondern auch die Menschenrechte wahrt.
Wir sind hier, weil wir an eine bessere, gerechtere Gesellschaft glauben – eine Gesellschaft, in der Mitgefühl und Menschlichkeit nicht der Bürokratie geopfert werden.
Lasst uns heute ein Zeichen setzen! Für Solidarität, für den Schutz von Geflüchteten und für die Wahrung der Menschenrechte in unserem Land.
Vielen Dank.
Carola Ensslen, DIE LINKE, Fraktion Hamburg

Liebe Mitstreiter*innen,
ich bin immer noch entsetzt über die Räumung des Kirchenasyls in Bergedorf. Jede Abschiebung ist schlimm, aber diese Abschiebung war besonders brutal, weil sie jeglichen Respekt vor der Kirche, vor der kirchlichen Entscheidung hat vermissen lassen. Es war ein Tabubruch.
Aber es war noch viel mehr:
Ich erlebe Hamburg immer noch als eine Stadt, in der es sehr viel Solidarität mit Geflüchteten gibt. Die Solidarität wird getragen von einer Zivilgesellschaft, die – sei es christlich oder humanitär motiviert – helfen möchte. Uns geht es doch immer noch relativ gut.
Ich erlebe aber auch, wie solidarische Menschen mehr und mehr selbst darunter leiden, dass in den Behörden, vor allem im Amt für Migration, ein immer rauerer Wind weht. Besonders trifft es Kranke und Behinderte. Den Schwächsten der Schwachen wird vorgeworfen, hier auf unsere Kosten zu leben. Es folgt in vielen dieser Fälle die Abschiebung.
Mit Humanität hat das alles nichts mehr zu tun. Aber was mich dabei besonders beunruhigt: In sehr kurzer Zeit hat die Innenbehörde ihre schon immer ablehnende Gangart auf eine geradezu hämische Freude über jede gelungene Abschiebung als ein triumphaler Erfolg umgeschaltet. Es geht nicht mehr um Menschen, es geht um die Umsetzung eines Diktates von oben. Nimmt man dann noch die Wahlerfolge der AfD im Osten dazu, dann kommt die düstere Ahnung auf, wie 1933 alles begann.
Wir alle sind gefragt, uns dem entgegenzustellen. Nie wieder ist jetzt!
Anfang des Jahres haben wir erlebt, dass Hunderttausende auf die Straße gegangen sind. Wir brauchen erneut ein solches starkes Zeichen gegen den Rechtsruck!
Bei den damaligen Kundgebungen wurde allerdings das Thema Migration weitgehend ausgeklammert. Da haben sich Politiker*innen von CDU und SPD hingestellt und über Demokratie gesprochen. Das sind aber leere Worte, wenn dieselben Politiker*innen nun das Asylrecht faktisch abschaffen wollen. Einen wirksamen Kampf gegen den Rechtsruck kann es nicht geben, wenn man selbst nach rechts rückt. Man kommt aus diesem Teufelskreis nicht mehr heraus, weil die Rechtsradikalen immer noch mehr fordern werden.

Wir müssen stattdessen in der Migrationspolitik unsere Komfortzone verlassen. Die Welt lässt sich nicht mehr zurückdrehen auf eine Zeit vor Schengen, auf eine Zeit der nationalen Abschottung. Wir leben in einer Welt mit Kriegen, Diktaturen, Terrorismus und einer vor allem von uns verursachten Klimakrise. Nicht nur wir haben ein Recht auf ein gutes Leben, sondern alle Menschen. Und nein, sie wollen deshalb nicht alle zu uns kommen. Aber wir müssen unser Herz öffnen für diese Menschen.
Symbolpolitik wie das Forcieren von Abschiebungen ist Gift für unsere Gesellschaft. Und wenn dann auch noch die reifliche Entscheidung einer Kirchengemeinde über das Kirchenasyl so mit Füßen getreten wird, dann trifft das die solidarische Zivilgesellschaft in Hamburg ins Mark. So etwas darf nicht wieder geschehen. Das Kirchenasyl darf nicht angetastet werden. Das muss der Senat ohne Wenn und Aber zusichern. Vielen Dank!
Dietlind Jochims – Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche

Schön, dass ihr da seid. Kirchenmenschen, Unterstützerinnen von Kirchenasylen, Freundinnen und Freunde aus unterschiedlichen Zusammenhängen.
 
Kirchenasyl gebrochen – Hamburg ist nichts mehr heilig, so eine Tageszeitung letzte Woche.
 
Heute stehen wir hier. Auch wir sind Hamburg. Wir zeigen, was uns heilig ist. Für was wir stehen, für was Kirchenasyl steht. Welchen Werten wir verpflichtet sind.
Kirchen sind Schutzorte. Schon immer. Hinter ihren Türen finden Menschen Zuflucht.
Im Kirchenasyl, wenn sie durch eine Abschiebung in Gefahr geraten würden. Wenn sie besonders verletzlich sind. Wenn ihre Rechte und ihre Würde gefährdet wären.
Für diese Würde und diese Rechte stehen wir hier. Aus christlicher Überzeugung. Aus Menschenliebe. Nicht gegen den Staat. Sondern, um ihn zu einem besseren, zu einem gerechteren Staat zu machen. Als Mahner:innen.
Ihr -die Behörden- müsst das Kirchenasyl nicht mögen. Aber es gibt die Versicherung, dass ihr es respektiert. Es gibt die Verabredung, dass wir gemeinsam nach guten humanitären Lösungen suchen. Weil Humanität uns alle leiten sollte, ob wir sie Nächstenliebe, Menschenrechtsarbeit oder Rechtsstaatlichkeit nennen.
Bisher galt auch: Wir nehmen uns ernst als Gesprächspartner:innen und wir stehen zu gemachten Zusagen. Die Zusage des Rathaus-Hamburgs wurde erst vor wenigen Wochen bekräftigt: Wir wollen keine Räumungen. Und wir werden nicht in ein Kirchenasyl eindringen ohne vorherige Kommunikation darüber.
 
Und nun die Frage ins benachbarte Rathaus: Für was steht ihr? Welche Werte leiten euch? Was gilt noch?
Was ist euch heilig? Manches sollte uns nämlich heilig sein, auch in einer säkularen Gesellschaft.
Wenn wir uns einig sind, hier und im Rathaus, dass uns Humanität und der Schutz von Schwachen wichtig, vielleicht sogar heilig sind. Dann sind wir uns vielleicht auch hier noch einig: Wir brauchen in unserer Gesellschaft mehr davon, nicht immer weniger. Wir müssen die Humanität stärken und nicht den Notstand der Menschlichkeit vergrößern!
Wir können streiten. Auch über Kirchenasyl. Über Härtefälle. Über Zahlen. Über Einschätzungen. Dazu sind wir gern bereit. Aber offen. Und fair. Nicht mit getriebener Symbolpolitik. Und nicht auf Kosten von Menschen im Kirchenasyl! Nicht auf Kosten von Humanität und Menschlichkeit!
Weil uns diese„heilig“ sind: Wir werden uns weiter dafür einsetzen. Darum ringen. Kämpfen. Auch im Gegenüber. Im Widerstand und im Mahnen.
Und wenn euch diese heilig sind: Dann redet und streitet mit uns über Kirchenasyle. Aber zeigt Respekt für diesen Schutzraum.
 
Wir stehen hier. Für eine Gesellschaft, der Nächstenliebe und Menschenrechte und Solidarität wieder heiliger werden. Die brauchen wir nämlich. Und Kirchenasyl gehört dazu!

Stellungnahme Räumung Kirchenasyl

Wir sind entsetzt über den Bruch des Kirchenasyls in der katholischen Heilige-Elisabeth-Pfarrgemeinde in Hamburg-Bergedorf. Das Eindringen von Polizei und Ausländerbehörde in den geschützten Raum der Kirche ist in Hamburg bislang beispiellos und darf sich nicht wiederholen.

Kirchenasyl ist gelebte Verantwortung. Die Kirchengemeinde, die einem geflüchteten Menschen Zuflucht gewährt, tut dies nach gewissenhafter Prüfung und in Achtung des christlichen Gebots der Nächstenliebe. Diese Gewissensentscheidung wurde in Hamburg bislang stets respektiert. Die einseitige Aufkündigung dieses Konsenses durch die Innenbehörde zeigt einen Kulturwandel auf, der uns über das Asylrecht hinaus Sorgen machen sollte.

Das Kirchenasyl kann die Möglichkeit bieten, in schwierigen Fällen noch einmal einen Gesprächsfaden zu den Behörden anzuknüpfen. Dieser Schutzraum, sinnbildlich gemacht durch die Aufnahme in kirchliche Räume, muss erhalten bleiben.

Zwischen den Kirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist 2018 vereinbart worden, dass jeder Fall eines ins Kirchenasyl aufgenommenen Menschen sorgfältig auf mögliche Härtefallgründe geprüft werden soll. Die Gemeinden wenden deshalb viel Mühe auf, um Dossiers zusammenzustellen, die den Einzelfall beleuchten. Leider erleben wir sehr häufig, dass diese durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stereotyp abgelehnt werden mit Textbaustein-Begründungen, die dem Einzelfall nicht gerecht werden.

Auch im konkreten Fall in Bergedorf war ein junger Mensch aus Afghanistan in großer Not. Der Betroffene leidet unter einer psychischen Erkrankung, für die er in Schweden keine Hilfe findet, da Schweden abgelehnten Asylsuchenden keine Hilfen mehr gewährt, sondern sie in die Obdachlosigkeit entlässt. Zudem wurde er mit der Abschiebung nach Afghanistan bedroht. Nach deutschen Rechtsmaßstäben wäre ihm dagegen höchstwahrscheinlich ein Aufenthaltsrecht gewährt worden.

Wir rufen den rot-grünen Senat auf, das Gespräch mit den Kirchen zu suchen und von weiteren Räumungen Abstand zu nehmen. Hamburg darf sich hier nicht vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter Druck setzen, sich nicht in den Strudel einer überhitzten politischen Debatte hineinziehen lassen. Die Qualität einer humanen Flüchtlingspolitik bemisst sich nicht in der Zahl durchgeführter Abschiebungen.

Anna-Nicole Heinrich als Präses der EKD-Synode hat sich ebenfalls gegenüber der Presse geäußert:

„Die Nachricht vom Bruch des Kirchenasyls in Hamburg hat mich richtig wütend gemacht. Bisher habe ich darauf vertraut, dass die Behörden die Vereinbarung zwischen dem BAMF und den Kirchen respektieren. Nun häufen sich die Falle, dass diese Vereinbarung nicht mehr geachtet wird und Menschen aus dem Kirchenasyl heraus abgeschoben werden. Das sind keine Versehen. Unangekündigte brachiale Polizeieinsätze gegen Menschen im Kirchenasyl sind völlig überzogen und unverhältnismäßig. Das muss aufhören!

Das Kirchenasyl ist ein letztes Mittel, um in konkreten Härtefällen Menschlichkeit walten zu lassen. Ziel ist es gefährdete, bedrohte, schwache Menschen zu schützen. Deshalb wird es immer aus guten Gründen und erst nach sorgfältiger Prüfung gewährt. Und genau deshalb werden wir dieses Engagement nicht aufgeben, auch wenn der politische Druck steigt und die Abschiebezahlen erhöht werden sollen. Es geht nicht um Zahlen, es geht um Menschen, um Frauen, Männer und Kinder – wie würde es uns gehen, wenn wir selbst betroffen wären?

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das gilt für jeden Menschen – egal, woher er kommt. Deutschland hat sich nach 1945 diese Würde mühsam zurückerobert – und hat sich in der Mitte der Völker über viele Jahrzehnte als ein Land der Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit erwiesen. Und nun sind wir gerade dabei, all das aufs Spiel zu setzen. Als Kirchen werden wir weiterhin Schwache schützen und Geflüchteten einen Raum geben. Menschen, die unsere Hilfe brauchen, dürfen uns nicht egal sein.“

Weitere Pressemeldungen:

Taz vom 30.9. – Hamburg ist nichts mehr heilig
NDR vom 30.9. – Flüchtling aus Hamburger Kirchenasyl abgeschoben
NDR vom 1.10. – Kirchenasyl: Afghane aus Begedorf nach Schweden abgeschoben
Süddeutsche Zeitung vom 30.9. – Flüchtlingspolitik, Hamburg schiebt erstmals Flüchtling aus Kirchenasyl ab
Domradio vom 30.9. – Polizei schiebt Geflüchteten aus Kirchenasyl ab
Frankfurter Allgemeine vom 30.9. – Empörung über „Bruch des Kirchenasyly“ in Hamburg

Solidarität statt Abschottung

Asylrecht schützen:
SOLIDARITÄT STATT ABSCHOTTUNG
Nein zur Grenzschließung und „Sicherheitspaket“

Demo: 28.9, 12 Uhr, Hansaplatz

Die Schließung der deutschen Grenzen, die Verschärfung des Asylrechts, die Abschiebeoffensive und das sogenannte Sicherheitspaket der Bundesregierung sind ein massiver Angriff auf Menschen- und Grundrechte. Die Antwort der Ampelparteien auf rechte Hetze und den Vormarsch rechter Parteien besteht darin, Schutzsuchende weiter zu entrechten, die Grenzen zu schließen und den Überwachungsstaat weiter auszubauen. Damit befeuern sie die Spirale aus Hass und Hetze. Das müssen wir stoppen!

Die Einschränkungen in den Asyl- und Grundrechten verschlechtern die schon jetzt prekären Lebensbedingungen und den Alltag von Geflüchteten in Deutschland. Nur ein Ausdruck davon ist die Einführung der Bezahlkarte für Schutzsuchende. Die Ampelparteien treten Grund- und Menschrechte mit Füßen. Außerdem werden mit dem Sicherheitspaket polizeiliche Befugnisse in einem Maß ausgeweitet, das einen gravierenden Eingriff in unsere Freiheitsrechte darstellt – eine neue Form autoritärer Überwachung.

Diese Zustände und das Voranschreiten zu einem autoritären Staat, in dem Menschenrechte keinen Platz mehr haben, können wir nicht hinnehmen.

Lasst uns unsere Wut gegen die Asylverschärfungen und das Sicherheitspaket auf die Straße bringen. Gemeinsam sind wir laut, wütend und solidarisch.

Am Samstag, den 28. September ab 12 Uhr mit Auftakt am Hansaplatz, Zwischenkundgebung vorm SPD-Büro (Kurt-Schumacher-Allee 10) und Abschluss am Gerhard-Hauptmann-Platz.

Protestmail

PRO ASYL hat ein Online-Mailing-Tool, um E-Mails an Regierungs- und Ampel-Koalitionsfraktionsmitglieder Olaf Scholz, Christian Lindner, Robert Habeck, Annalena Baerbock, Lisa Paus, Nancy Faeser, Christian Dürr, Lars Klingbeil, Kevin Kühnert, Britta Haßelmann, Omid Nouripour, Ricarda Lang, Marco Buschmann, Saskia Esken und Bijan Djir-Sarai mit einem Klick abzuschicken.

Die Antwort vieler Politiker*innen auf steigende Umfragewerte und Wahlerfolge von Rechtsextremisten? Die Übernahme ihrer Begriffe und Forderungen.

Entzug der Sozialleistungen, eine Abschiebeoffensive in Folterstaaten und Zurückweisungen (Pushbacks) auch an deutschen Grenzen: Mit dem täglichen Überbietungswettbewerb wird den Rechtsextremisten in die Hände gespielt.

Wir sagen: Damit muss Schluss sein! Schreib‘ deshalb mit unserem Tool eine Mail an die Spitzen der Bundesregierung und fordere sie auf, sich wieder an unseren Werten und Grundrechten zu orientieren, anstatt den Rechten hinterherzulaufen!
https://aktion.proasyl.de/gegen-rechts/

Die Daten der Absender*innen werden nicht veröffentlicht. Die Adressat*innen werden aufgefordert, sich wieder an Werten und Grundrechten zu orientieren, anstatt den Rechtsextremisten und Populisten  hinterherzulaufen. Hier ist der Text der eMail: https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Protestmail-Gegen-Rechts-fuer-das-Recht-1.pdf

Die vor kurzem veröffentlichten besorgniserregenden Positionspapiere von CDU/CSU und FDP zeigen die Notwendigkeit dieser Lobbyinitiative. Verbreiten Sie und Ihr die Mailkampagne im Rahmen Ihrer/Eurer Möglichkeiten weiter und nehmt teil. Ziel ist möglichst viele Emails zu versenden.

Petition Kirchenasyl

Über 40.000 Personen haben bereits unterschrieben. Unterstützen auch Sie die Petition der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche: Hände weg vom Kirchenasyl – Schutz für geflüchtete Menschen bewahren! | WeAct (campact.de)

An: Nancy Faeser, Bundesinnenministerin, Innenminister*innen der Bundesländer

++ Wir trauern um die Opfer von Solingen. Gleichzeitig bitten wir: Lasst uns zusammenstehen für Grund- und Menschenrechte, die Fundamente unserer Gesellschaft. ++

Im Mai stürmte die Polizei in Niedersachsen eine Kirche, um eine Abschiebung durchzuführen. In Mecklenburg-Vorpommern kam im Dezember 2023 ein bewaffnetes Sondereinsatzkommando zum Einsatz, um eine afghanische Familie aus einem Kirchenasyl abzuschieben. Auch in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz gab es Räumungen.

Das ist ein Angriff auf den Schutz geflüchteter Menschen durch das Kirchenasyl. Dabei hat Kirchenasyl eine lange humanitäre Tradition und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat erklärt, dass die Behörden das Kirchenasyl als solches respektierten.

Wir appellieren daher an die Innenminister*innen der Länder und die Bundesinnenministerin und fordern: 

  • Schützen Sie Kirchenasyle vor Räumungen! 
  • Ermöglichen Sie, dass in Härtefällen weiterhin die Möglichkeit besteht, Geflüchtete vor schweren Menschenrechtsverletzungen zu schützen!

Weiterlesen: https://kirchenasyl.de/petition-haende-weg-vom-kirchenasyl-schutz-fuer-gefluechtete-menschen-bewahren/

Anschlag von Solingen

Erklärung von PRO ASYL

Drei Tote und acht zum Teil sehr schwer verletzte Menschen ­– PRO ASYL trauert um die Opfer von Solingen. Dass ein „Festival der Vielfalt“, dies war das Motto des Solinger Stadtfestes, zum Ziel eines islamistischen Attentats wurde, erschüttert uns alle, die wir für eine demokratische und offene Gesellschaft einstehen. Islamistische Gewalt greift unsere Werte und unsere Freiheit an. Ein friedliches und zukunftsfähiges Zusammenleben ist nur miteinander möglich. Der Attentäter von Solingen wollte genau dies verhindern.

PRO ASYL erinnert daran: Flüchtlinge suchen oft genau vor der islamistischen Gewalt Schutz, der wir in Solingen begegnet sind. Und wir fordern: Gegen islamistische Terroristen muss mit allen Mitteln des Rechtsstaats vorgegangen werden.

Wer vor Terror, Gewalt und Verfolgung flieht, braucht Schutz. Zurzeit werden jedoch Stimmen laut, die ein Ende der Flüchtlingsaufnahme aus Afghanistan und Syrien fordern. Bundesdeutsche Grenzen sollen geschlossen und Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien forciert werden. Der „Jetzt reicht es“-Vorschlag des CDU- Parteichefs Friedrich Merz ist eindeutig verfassungswidrig und mit dem EU-Recht unvereinbar. Er verstößt zudem gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, die Europäische Menschenrechtskonvention, ist zutiefst unmenschlich und spaltet unsere Gesellschaft.

PRO ASYL warnt: Die politischen Verantwortlichen in der demokratischen Mitte dürfen nicht in einen Überbietungswettbewerb mit den Rechtsextremen und Völkischen eintreten. Es ist unerträglich, Schutzsuchende aus Afghanistan und Syrien unter einen Generalverdacht zu stellen. In Deutschland leben über 1,3 Millionen Geflüchtete aus diesen beiden Herkunftsländern. Ein Attentäter, der vermutlich im Auftrag des IS (Islamischer Staat) gemordet hat, kann und darf diese Menschen nicht diskreditieren. Vielmehr sollte die Politik jetzt die Strukturen in unserem Land stützen, die sich seit Jahren gegen Extremismus jeglicher Art einsetzen und endlich das Demokratiefördergesetz auf den Weg bringen.

Zu den Forderungen aus der Ampel- Koalition und der CDU/CSU, nach Afghanistan und Syrien abzuschieben, stellt PRO ASYL fest: Das Völkerrecht verbietet eindeutig jegliche Abschiebungen in diese Herkunftsstaaten. In beiden Ländern drohen Folter und unmenschliche Strafen. Das Folterverbot gilt absolut und für jeden (siehe auch: Gerade jetzt: Rechtsstaat stärken! Völkerrechtswidrige Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien sind damit unvereinbar | PRO ASYL).

Eine Welt, in der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte erodieren, ist das Ziel von Islamisten und Rechtsextremisten. Die Toten und Verletzten waren noch nicht geborgen, da setzten bereits die Instrumentalisierungsversuche der Rechtsextremisten und Völkischen ein. Wir müssen nun zusammenstehen und gemeinsam für unsere Freiheitsrechte eintreten.

www.proasyl.de

Weitere Informationen:

Abschiebungsreporting NRW hat zu diesem Thema einen Faktencheck veröffentlicht: Nach Anschlag von Solingen: Die nächste entgrenzte Abschiebedebatte.

Reinhard Pohl, freier Journalist und Herausgeber der Zeitschrift Gegenwind hat anlässlich der Abschiebung von 28 afghanischen Straftätern nach Katar am 30. August einen Bericht verfasst, nach welchen Regeln so eine Abschiebung abläuft.

Die GGUA (Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Aylsyuchender e.V.) hat die Pläne zu Leistungsausschlüssen in Dublin-Fällen EU- und Verfassungsrechtlich unter die Lupe genommen: „Vertreibung durch soziale Exklusion“

Der Mediendienst Integration hat ebenfalls Zahlen und Fakten zum Thema Abschiebung und „freiwillige Ausreise“ zusammen gestellt.

Aufnahmeprogramm Afghanistan retten

Berlin, 14. August 2024 – Anlässlich des dritten Jahrestages der Machtübernahme der Taliban am 15. August 2021 appelliert die Diakonie Deutschland an die Bundesregierung, das Bundesaufnahmeprogramm für verfolgte Afghaninnen und Afghanen wie geplant bis zum Ende der Legislaturperiode 2025 fortzuführen. Es steht aufgrund von Kürzungsplänen vor dem Aus.

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch: „Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan darf nicht den Haushaltskürzungen zum Opfer fallen. Nach wie vor gibt es viele schutzbedürftige Menschen in Afghanistan, denen Folter und Haft drohen, weil sie sich für die Menschenrechte eingesetzt haben. Es gibt immer noch offene Anträge auf Aufnahme in Deutschland. Mit vielen deutschen und europäischen Projekten haben wir die Menschen in Afghanistan ermutigt, sich für Bildung, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie einzusetzen. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen.“ 
 
Das Programm habe gerade Fahrt aufgenommen, betont Schuch. Es sei nicht nachvollziehbar, dass es nun vorzeitig eingestellt werden solle, denn es rette Menschenleben. 
 
„Als Kirche und Diakonie haben wir uns von Anfang an für das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan eingesetzt und es mit unserer Migrationsberatung unterstützt. Drei Jahre nach der Machtübernahme der Taliban ist die Lage in Afghanistan dramatischer denn je. Frauen- und Menschenrechte werden in Afghanistan mit Füßen getreten, die humanitäre Situation ist unerträglich“, so Schuch. 
 
Hintergrund: 
Wie kürzlich bekannt wurde, soll das Budget für Resettlement-Verfahren und humanitäre Aufnahmeprogramme im kommenden Haushaltsjahr von 70 Millionen Euro auf 8,9 Millionen Euro pro Jahr gekürzt werden. Konkret betrifft die Kürzung nach derzeitigen Planungen ausschließlich das Bundesaufnahmeprogramm mit einem jährlichen Budget von ca. 60 Millionen. Davon betroffen ist auch die Finanzierung der zivilgesellschaftlichen Koordinierungsstelle des Programms. Diese ist das Scharnier zwischen Zivilgesellschaft und Ministerien, berät die meldeberechtigten Stellen, prüft seit zwei Jahren die eingereichten Fälle, leitet sie zur Auswahl an das Bundesinnenministerium weiter und hat eine hohe Expertise in der Prüfung von Gefährdung und Vulnerabilität aufgebaut. Aufgrund der geplanten Kürzungen finden derzeit keine Auswahlrunden mehr statt. Damit steht das Aufnahmeprogramm möglicherweise vor dem Aus. 

Weitere Informationen:

Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan 

Gemeinsam mit mehr als 50 Verbänden und Organisationen hat die Diakonie Deutschland den Appell „Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan retten!“ unterzeichnet 

Interview mit der Migrationsberatung der Lebensraum Diakonie e. V. Lüneburg

Offener Brief

Über 300 Organisationen fordern zum Treffen von Bundeskanzler und Ministerpräsident*innen: Menschen schützen statt Asylverfahren auslagern!

In einem gemeinsamen offenen Brief an Bundeskanzler Scholz und die Ministerpräsident*innen bekräftigen 309 Organisationen – von lokalen Initiativen der Flüchtlingshilfe bis hin zu bundesweiten Organisationen –, dass sie zu einer Gesellschaft gehören wollen, die fliehende Menschen menschenwürdig aufnimmt. Auch hamburgasyl ist dabei. Kurz vor deren Treffen fordert das Bündnis den Bundeskanzler und die Ministerpräsident*innen auf, die Auslagerung von Asylverfahren klar abzulehnen und sich stattdessen gemeinsam mit der Zivilgesellschaft für eine zukunftsfähige Aufnahme von Schutzsuchenden in Deutschland stark zu machen.

Am 20. Juni, dem Weltflüchtlingstag, werden Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsident*innen während ihrer gemeinsamen Tagung über eine mögliche Auslagerung von Asylverfahren diskutieren. Das Bundesinnenministerium wird einen Sachstandsbericht zu einem Prüfauftrag vorlegen, der bei Bund-Länder-Beratungen im November 2023 beschlossen wurde.

Die Organisationen warnen vor der Auslagerung von Asylverfahren. Bisherige Versuche zeigen, dass sie zu mehr Leid bei den Betroffenen und Menschenrechtsverletzungen führen, nicht funktionieren und extrem teuer sind. Eine zukunftsfähige Gesellschaft braucht Vielfalt, Offenheit und ein konsequentes Einstehen für die Menschenrechte für alle, so das Bündnis.

Das Bündnis wurde initiiert von PRO ASYL, dem Paritätischen Gesamtverband, Ärzte ohne Grenzen, Brot für die Welt, Diakonie Deutschland und Amnesty International. Der offene Brief mit den unterzeichnenden Organisationen ist hier zu finden.