Frag Dr. Sommer!

Am 26. und 27. Juni fand zum 23. Mal das Flüchtlingssymposium in der evangelischen Akademie in Berlin statt. Unter dem Titel „An Europas Grenzen und in Deutschland. Flüchtlingsschutz als Kern unserer Werte“ diskutierten wir mit Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft. Es ging um aktuelle Fragen zum Flüchtlingsschutz, wie des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, Aufnahme in den Kommunen und Umsetzung des Koalitionsvertrags.

Im Rahmen des Abschlusspanels übergab Dietlind Jochims, stellvertretend für die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche zuvor gesammelte Fragen an Dr. Sommer, Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. In den zahlreichen Fragen geht es vor allem um die aktuelle Entscheidungspraxis des BAMF zu Dublin Rückführungen u.a. nach Litauen, Kroatien oder Italien und über die von den Kirchengemeinden eingereichten Härtefalldossiers.
In den Härtefalldossiers begründen die Gemeinden den jeweiligen Einzelfall und legen die besondere Härte dar. Selbst in Fällen, in denen eine Trennung von Ehepaaren drohte oder Menschen brutale Push-Backs an den EU-Grenzen erlebt haben, lehnte das BAMF die Möglichkeit ab, dass Menschen für ihr Asylverfahren in Deutschland verbleiben konnten. Diese Entscheidungspraxis verstört nicht nur die Gemeinden, sondern auch uns als Beratungsstellen, Kirche und Netzwerk.

Von Dr. Sommer wollten wir wissen:

Halten sie es für realistisch, was Sie Menschen nach Pushbacks und Gewalterfahrungen antworten, nämlich: Es ist zu erwarten, dass diese sich zur Beschwerde an die zuständen Vorgesetzten in Kroatien wenden?

Warum übt das BAMF selbst dann keinen Selbsteintritt aus, wenn es um Staaten geht, in denen Geflüchtete nach Urteil des EuGH nicht im Einklang mit EU-Recht behandelt werden z.B. Litauen?

Und was sind eigentlich ihre Kriterien eines Einzelfalls?

Herr Sommer hat die vielen Fragen mitgenommen und wir sind auf seine Antworten gespannt.

Wir werden weiterhin für die Rechte für Menschen auf der Flucht einstehen und auch das Bundesamt daran erinnern, dass Menschenrechte die Grundlage jedes staatlichen Handelns darstellen müssen.

World Refugee Day

– Keine Kompromisse bei Menschenrechten!
– Gleiche Rechte für alle Schutzsuchenden!
– Kein weiterer Abbau von Flüchtlingsrechten in Europa!

Am 26.05.23 feierte Deutschland ein trauriges Jubiläum – 30 Jahre Asylrechtsverschärfung.
Auf Betreiben der CDU-FDP- Regierung schränkte der Bundestag 1993 das Asylrecht drastisch ein. Auch die meisten SPD-Abgeordneten wollten die Zahl Schutzsuchender einschränken und stimmten zu. 3 Tage später starben in Solingen bei einem rassistischen Brandanschlag fünf aus der Türkei stammende Frauen und Mädchen.

In diesen Tagen sind EU und deutsche Regierung dabei, dem deutschen und europäischen Asylsystem und den Rechten der mit Ziel Deutschland fliehenden Menschen den Todesstoß zu versetzen. Das werden wir nicht hinnehmen! Wir rufen daher anlässlich des World Refugee Day am 20. Juni zu Protesten auf!
Trotz einer Aufforderung von PRO ASYL, den Flüchtlingsräten und mehr als 50 Organisationen an die
Bundesregierung zur Abkehr von ihren Plänen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), wurde beim Treffen der EU-Innenminister*innen am 8. Juni 2023 mit Zustimmung von Innenministerin Nancy Faeser (SPD), diese gravierende Deformation des EU-Asylrechts beschlossen. Die Regierung hat damit ihren eigenen Koalitionsvertrag gebrochen. Die erzielten „Kompromisse“ gehen auf Kosten des Flüchtlingsschutzes!

Die Regelungen, auf die sich die EU-Innenminister*innen geeinigt haben, werden schwerwiegende Folgen haben: Unter anderem wurde beschlossen verpflichtende Grenzverfahren einzuführen, das Konzept der „sicheren Drittstaaten“ zu verschärfen und das „Dublin-System“ zu modifizieren. Die EU- Minister machen damit das Asylrecht zum Ausnahmerecht, das nur noch ganz wenige in Anspruch nehmen können:

1. Massiv erschwerter Zugang zum EU-Asylsystem durch Sperrung der Fluchtwege
Die bisher schon unmenschliche Zurückweisung von flüchtenden Menschen an den EU-Grenzen unter Beteiligung der EU-Grenz“schutz“agentur FRONTEX wird besonders im Mittelmeer intensiviert. EU- Staaten legalisieren die gegen EU-Recht verstoßenden Pushbacks. Rettungsschiffe werden durch immer strengere Auflagen daran gehindert Leben zu retten. Es werden sogar die Verbrecher der „Libyschen Küstenwache“ bei der mörderischen Jagd auf Flüchtende unterstützt und finanziert.

2. Das Prinzip der „sicheren Drittstaaten“ und „sicheren Herkunftsländer“
Das Konzept der sogenannten „sicheren Drittstaaten“, also Rückschiebung in Staaten, die Flüchtende auf ihrer Flucht passiert haben und die als „sicher“ erklärt wurden, dient dazu, dass europäische Staaten die Verantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen auslagern. So werden in Griechenland z.B. die Anträge von syrischen, afghanischen und weiteren Asylsuchenden als „unzulässig“ abgelehnt, weil die Türkei für sie sicher sei – obwohl diese massiv nach Afghanistan und auch nach Syrien abschiebt. Hunderte Schutz suchende Menschen vor der griechischen Küste ertrunken! Wir fordern: Dieses Konzept wurde schon vor 30 Jahren ins deutsche Asylrecht eingeführt und ergänzt durch das Prinzip der „sicheren Herkunftsstaaten“. Danach werden Asylanträge von Menschen aus Staaten, die von Deutschen Behörden als „sicher“ eingestuft wurden, von vornherein als unbegründet abgelehnt. Die Liste dieser Staaten soll nun noch ausgeweitet werden.

3. Internierungs-Lager in EU-Nachbarstaaten und Asylverfahren an den Außengrenzen
Geplant ist, Flüchtende in geschlossenen Lagern an der EU-Außengrenze oder in EU-Nachbarstaaten wie Tunesien zu internieren. Befinden sich die Lager auf EU-Territorium, wird so getan, als wenn sie nicht eingereist wären, ihr Asylantrag wird im Eilverfahren geprüft (wobei nicht der Fluchtgrund, sondern Herkunft und Fluchtweg geprüft werden). Bis zu 12 Wochen soll diese „Vorprüfung“ und Internierung dauern. Und die allermeisten werden dann abgeschoben. Den Menschen wird die Möglichkeit genommen, sich rechtlich beraten zu lassen, sie werden von der Außenwelt abgeschirmt. Nicht einmal Familien mit Kindern werden von den verpflichtenden Grenzverfahren ausgenommen – selbst dem Überschreiten dieser roten Linie hat die Bundesregierung zugestimmt und damit vor den Forderungen der EU-Länder mit rechten Regierungen kapituliert.

4. Modifizierte Fortführung der „Dublin-Verordnung“
Die unfairen Zuständigkeitsregelungen der Dublin-Verordnung werden im Prinzip beibehalten. Das gilt insbesondere für das Ersteinreise-Kriterium, nach dem der EU-Staat, in dem ein Geflüchteter zuerst europäischen Boden betreten hat, für sein Asylverfahren zuständig ist. Bisher konnten Menschen aus zentraleuropäischen Staaten wie der BRD innerhalb von 6 Monaten in den Ankunftsstaat zurückgeschoben werden. Das geht vor allem zu Lasten der Schutzsuchenden, die lange auf die Prüfung ihres Asylantrags in der EU warten müssen. Nun wurde beschlossen, dass die Schutzsuchenden (nach der bis zu 12-wöchigen „Vorprüfung“ an der Außengrenze) paritätisch auf die EU-Staaten verteilt werden sollen. Aber die unwilligen Mitgliedsstaaten müssen – trotz der viel beschworenen Solidarität – auch zukünftig keine Flüchtlinge aufnehmen. Stattdessen können sie Geld zahlen, mit dem Grenzsicherungsmaßnahmen finanziert werden: 22.000 € soll ein Mensch auf der Flucht wert sein, den sie nicht aufnehmen wollen! So bekommt der Ausverkauf der Menschenrechte eine buchstäbliche Bedeutung.

Diese Liste der Schäbigkeiten gegenüber Menschen, die sich auf der Flucht nach Europa befinden, wird der Öffentlichkeit auch noch als Lösung der Probleme der deutschen Kommunen bei der Unterbringung und Versorgung geflüchteter Personen verkauft! Dabei wird seit einem Jahr mit der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Aufnahme der Kriegs- geflüchteten aus der Ukraine bewiesen, dass es auch anders, nämlich menschlicher geht. Doch statt diese EU-Richtlinie auf ALLE geflüchteten Menschen in der EU anzuwenden, werden Geflüchtete ohne ukrainischen Pass diskriminiert. Auch das werden wir niemals akzeptieren!
Noch sind die Beschlüsse nicht Gesetz: Das EU-Parlament muss ihnen noch zustimmen.

Wir appellieren an das EU-Parlament, seiner humanitären Verantwortung gerecht zu werden und
an die Bundesregierung, ihren eigenen Koalitionsvertrag ernst zu nehmen:

  1. Für menschenwürdige und faire Asylverfahren: Keine verpflichtenden Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen!
  2. Weg mit dem Drittstaats-Prinzip! Keine neuen „sicheren Drittstaaten“!
  3. Für echte Solidarität in der Flüchtlingsaufnahme: Keine Weiterführung des gescheiterten Dublin-Systems!
  4. Keine Behinderung der Seenotrettung!
  5. Sichere Fluchtwege nach Europa!
  6. Gleiche Rechte für ALLE Schutzsuchenden nach dem Vorbild der Behandlung Geflüchteter mit ukrainischem Pass!


Unterzeichnende Gruppen:

Amnesty International + Bergedorfer Bündnis gegen Rechts + Bunte Hände
+ DFG-VK LV Hbg. + Flüchtlingsrat Hbg. + Freie Deutsch-Syrische Gesellschaft
+ GEW LV Hbg. + hamburgasyl – AG Kirchliche Flüchtlingsarbeit + Hamburger Hilfskonvois
+ Hamburger Bündnis gegen Rechts + NINA womeN IN Action + OMAS GEGEN RECHTS Hbg.
+ RESQSHIP + Sea-Watch + Solidarische Stadt Hbg.
+ Verband deutsch-syrischer Hilfsvereine + VVN-BdA LV Hbg. + WillkommensKulturHaus Ottensen + Wir für Niendorf

Aufruf World Refugee Day

Veranstaltungsprogramm World Refugee Day Rathaus Altona

Pressemitteilung ProAsyl

Bundesverwaltungsgericht bejaht Unverletzlichkeit der Wohnung für Geflüchtete – und schränkt den Schutz durch die Hintertür wieder ein – Bündnis plant Verfassungsbeschwerde

Das Bundesverwaltungsgericht wies heute zwei Klagen geflüchteter Menschen zurück und versagte den Bewohner*innen von Erstaufnahmeeinrichtungen den vollen Schutz ihrer Grundrechte. Das Gericht entschied, dass die Unverletzlichkeit der Wohnung grundsätzlich auch für die Zimmer von Geflüchteten in Erstaufnahmeeinrichtungen gilt. Weiter stellte das Gericht klar: Wie Privatwohnungen dürfen Zimmer von Geflüchteten nur in Fällen einer dringenden Gefahr betreten werden. Das Gericht billigte dennoch die Praxis, Wohnheimzimmer zum Zweck der Abschiebung zu jeder Tageszeit auch ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss zu durchsuchen. Die Klage gegen die Hausordnung in Freiburg, die dem Sicherheitspersonal weite Betretungs- und Kontrollrechte einräumte, wies das Bundesverwaltungsgericht als unzulässig zurück.

Beide Klageverfahren wurden von einem Bündnis von Organisationen unterstützt, dem die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF), PRO ASYL, die Aktion Bleiberecht Freiburg und der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg angehören. Das Bündnis sieht in dem Urteil die Bestätigung der anhaltenden Praxis, die Rechte von Geflüchteten unzulässig zu beschneiden, um migrationspolitische Zeichen zu setzen. Um den vollen Grundrechtsschutz gerichtlich durchzusetzen, plant das Bündnis nun den Gang zum Bundesverfassungsgericht.

„Die Klarstellung, dass die Unverletztlichkeit der Wohnung vollumfänglich auch in Geflüchteten-Unterkünften gilt, war wichtig“, betont Sarah Lincoln, Rechtsanwältin und Fallkoordinatorin bei der GFF. „Dieser Schutz ist aber wenig wert, wenn das Gericht am Ende andere kreative Wege findet, um den Schutz zu unterlaufen: indem es die Abschiebung aus einem Schlafzimmer nicht als Durchsuchung sieht, indem es die Ausreisepflicht zur dringenden Gefahr für die Rechtsordnung erklärt, indem es die gerichtliche Überprüfung von Hausordnungen unmöglich macht.“

„Diese Urteile sind enttäuschend. Wieder einmal zeigt sich, wie schwer es für Geflüchtete ist, sich gegen Verletzung ihrer Grundrechte gerichtlich zu wehren. Obwohl das Gericht erkennen lässt, dass es die angegriffenen Hausordnungen für rechtswidrig hält, lässt es den Rechtsschutz an formalen Gründen scheitern“, mahnt Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL. „Was das Bundesverwaltungsgericht mit der einen Hand an Grundrechtsschutz für Geflüchtete gibt, nimmt es mit der anderen Hand, indem es überfallartige Abschiebungen erlaubt. Das könnte die jetzt schon harte Abschiebungspraxis verschärfen.“

„Wir haben nicht nur für uns geklagt, sondern für alle Menschen, die in diesen gefängnisähnlichen Camps leben. Deswegen verstehen wir nicht, warum das Gericht nur deshalb nicht entscheiden will, weil wir dort nicht mehr leben. Viele geflüchtete Menschen sind nach wie vor von diesen repressiven Regeln betroffen. Wir kämpfen weiter für ein selbstbestimmtes Wohnen“, sagt Ba Gando, Kläger aus Freiburg.

„Heute wurde wieder einmal deutlich: Die Rechte von geflüchteten Menschen sind in Gefahr – wir bekommen nicht den gleichen Schutz wie andere Menschen“ sagt Alassa Mfouapon, der wegen seiner Abschiebung aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen geklagt hatte.

„Auch wenn die Klage unzulässig ist: Das Gericht hat sehr deutlich gemacht, dass die Hausordnungen rechtswidrig sind. Es fehlt nicht nur an einer gesetzlichen Grundlage. Zimmer dürfen auch nur bei einer dringenden Gefahr betreten werden. Die Bundesländer müssen jetzt ihre Aufnahmegesetze und die Hausordnungen überarbeiten. Wir brauchen endlich eine Debatte über eine Aufnahmepolitik, die sich an den Schutzsuchenden orientiert“, fordert Ben Bubeck von der Aktion Bleiberecht Freiburg, die sich seit Jahren für eine menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten einsetzt.  

Zu den Urteilen

Das Bundesverwaltungsgericht verhandelte zu zwei Verfahren. In dem einen Verfahren wies das Gericht die Klage gegen eine nächtliche Zimmerdurchsuchung zum Zwecke der Abschiebung zurück. Das Gericht sah zwar die Unverletzlichkeit der Wohnung auch für die Zimmer von Geflüchteten in Erstaufnahmeeinrichtungen als anwendbar an. Es erteilte damit der Auffassung der Vorinstanz eine klare Absage, wonach – ähnlich wie bei Geschäfträumen – für Wohnheimzimmer nicht der volle Schutz aus Art. 13 GG gelte. Allerdings wertete es die polizeiliche Maßnahme nicht als Durchsuchung, die nach dem Grundgesetz stets einen richterlichen Beschluss erfordert. Weil der kleine Raum auf einen Blick erfasst werden konnte, sei keine Suche erforderlich gewesen. Damit hebelt das Gericht den Schutz des Wohnraums in kleinen Wohnungen aus.

Das Gericht sah eine dringende Gefahr für das Betreten des Zimmers für ausreichend, aber auch erforderlich. Diese Gefahr sei mit der Ausreisepflicht des Klägers gegeben. Auch damit wird das Grundrecht auf Schutz der Wohnung ausgehöhlt. Eine dringende Gefahr setzt eine Ausnahmesituation voraus, in der ein wichtiges Rechtsgut wie Leib oder Leben gefährdet ist. Nur dann kann das Eindringen in den privaten Lebensraum zulässig sein. Die reine Ausreisepflicht des Klägers kann dafür nicht ausreichen – zumal es keinen Versuch gab, den Kläger abzuschieben, ohne ihn nachts aus dem Bett zu reißen. In diesem Verfahren vertrat Rechtsanwalt Roland Meister den Kläger, gemeinsam mit Sarah Lincoln.

Die Klage wegen der Hausordnung der Landeserstaufnahmeeinrichtung Freiburg wies das Gericht als unzulässig zurück, weil das Rechtsschutzinteresse fehle. Damit wird der Rechtsschutz gegen Hausordnungen faktisch unmöglich gemacht, weil eine Entscheidung in der Hauptsache niemals in dem Zeitraum erreicht werden kann, in dem die Kläger in der Unterkunft wohnen. Indem die Bundesländer die Geflüchteten umverteilen, können sie sich dann außerdem leicht einer Klage entledigen. Dieses Verfahren wurde über den Rechtshilfefonds von PRO ASYL gefördert und von Rechtsanwalt Thorsten Deppner und Sarah Lincoln vertreten.

Die Beschneidung der Rechte von Geflüchteten in Erstaufnahmeeinrichtungen ist ein Beispiel von vielen für Vorstöße aus Politik und Verwaltung, Asylsuchenden den geltenden Schutz ihrer Grundrechte zu verweigern. Das Bündnis prüft mit den Klägern gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Verfassungsbeschwerde einzulegen.

Weitere Informationen

Zum Fall Hausordnungen Freiburg: https://freiheitsrechte.org/themen/soziale-teilhabe/hausordnung
Zum Fall Polizeirazzia Ellwangen: https://freiheitsrechte.org/themen/soziale-teilhabe/lea-ellwangen

Kontakt für Presseanfragen

Gesellschaft für Freiheitsrechte: Dr. Maria Scharlau, Tel. 01579/2493108, presse@freiheitsrechte.org
Presse-Stelle PRO ASYL: Tel. 069/24231430, presse@proasyl.de

https://www.proasyl.de/pressemitteilung/bundesverwaltungsgericht-bejaht-unverletzlichkeit-der-wohnung-fuer-gefluechtete-und-schraenkt-den-schutz-durch-die-hintertuer-wieder-ein-buendnis-plant-verfassungsbeschwerde/

Keine Kompromisse beim Flüchtlingsschutz!

Als Teil eines Bündnisses von mehr als 50 Organisationen fordern die Flüchtlingsbeauftragten der Nordkirche die Bundesregierung zur Abkehr von ihren Plänen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems auf. Mit Blick auf das Treffen der EU-Innenminister am 8. Juni 2023 appelliert das Bündnis an Innenministerin Nancy Faeser (SPD), ihrer humanitären Verantwortung gerecht zu werden und ihren eigenen Koalitionsvertrag ernst zu nehmen. Es dürfe keine Kompromisse auf Kosten des Flüchtlingsschutzes geben.

Das gemeinsame Statement mit unseren Forderungen kann hier abgerufen werden.

Hamburg, den 6. Juni: Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) hat das Statement ebenfalls unterzeichnet. Dies wurde auf der Sitzung der Kirchenleitung vergangenes Wochenende beschlossen.

Jahresbericht Abschiebungsbeobachtung

Pressemitteilung Diakonie Hamburg: Diakonie Abschiebungsbeobachter am Hamburg Flughafen legt Jahresbericht 2022 vor und fordert bessere Bedingungen für Betroffene

Aus dem jetzt vorgelegten Jahresbericht 2022 des Abschiebebeobachters am Hamburger Flughafen geht hervor, dass die Probleme der letzten Jahre weiterhin bestehen. So sind Verständigungsprobleme oder Abschiebungen von mittellosen Personen im Berichtszeitraum weiterhin vorgekommen. Dr. Dirk Hauer, Migrationsexperte des Diakonischen Werks Hamburg: „Dass Menschen ohne einen Cent in der Tasche abgeschoben werden, verschlimmert die ohnehin schwierige Situation der Betroffenen. Wir appellieren an die zuständigen Behörden, Ermessensspielräume im Sinne der Betroffenen auszuschöpfen.“ Auch fehlt weiterhin eine einheitliche Zuständigkeit bei gescheiterten Abschiebungen. Dr. Dirk Hauer: „Es kann nicht sein, dass Personen nach einer gescheiterten Abschiebung einfach sich selbst überlassen werden. Es braucht eine klare Zuständigkeit, wer die Personen wieder nach Hause bringt. Wir appellieren hier an die Fürsorgepflicht insbesondere gegenüber vulnerablen Personen.“ 

Der Abschiebebeobachter kritisiert in seinem Bericht den mangelnden Schutz von Minderjährigen. So sollte ein Minderjähriger nach Gambia abgeschoben werden, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen zum Schutz von Minderjährigen nicht erfüllt waren.Hans-Peter Strenge, Moderator des Flughafenforums, dem Begleitgremium der Abschiebebeobachtung: „Dass ein unbegleiteter Minderjähriger entgegen den rechtlichen Bestimmungen abgeschoben werden sollte, führte zu einhelliger Bestürzung unter allen Forumsmitgliedern. Um mehr Fachexpertise zum Thema Kindeswohl in die Arbeit des Forums einfließen zu lassen, soll die Besetzung um den Kinderschutzbund zukünftig erweitert werden.“

Link zum Jahresbericht

Auf Grundlage des Jahresberichts berichtet der Abschiebungsbeobachters am 11.05.2023 ab 17.00 Uhr den Mitgliedern des Innenausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft in einer öffentlichen Sitzung.

 https://www.diakonie-hamburg.de/de/presse/pressemitteilungen/Diakonie-Abschiebungsbeobachter-am-Hamburg-Flughafen-legt-Jahresbericht-2022-vor-und-fordert-bessere-Bedingungen-fuer-Betroffene/

Bericht des NDR

Hintergrund

Das Diakonische Werk beobachtet im Rahmen eines Monitoringprojekts Abschiebungen am Hamburger Flughafen. Unser Projektmitarbeiter, Moritz Reinbach, beobachtet und dokumentiert Vollzugsmaßnahmen der Bundespolizei und steht allen an Abschiebungen beteiligten Personen als Ansprechpartner zur Verfügung. Im Fokus der Beobachtung stehen die Wahrung humanitärer Mindeststandards und die Sicherstellung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

Die quartalsweisen Berichte und Problemanzeigen des Abschiebungsbeobachters werden im Hamburger Flughafenforum zwischen der Bundespolizei, den Landesbehörden aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen besprochen. Das Forum wird von Staatsrat a.D. Hans-Peter Strenge moderiert.

Das Projekt „Abschiebungsbeobachtung am Hamburger Flughafen“ ist ein Projekt des Diakonischen Werkes Hamburg und wird finanziert durch die Behörde für Inneres und Sport in Hamburg. Im vorliegenden Berichtszeitraum wurden 157 Rückführungen von unserem Mitarbeiter Moritz Reinbach beobachtet.

Pressemitteilung Diakonie

Wiesbaden/Berlin, 26. April 2023 –  Die Diakonie Deutschland appelliert an Bund und Länder, die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt endlich gemeinsam voranzutreiben. Dazu müsse der Bund auch die Migrationsberatung auskömmlich finanzieren. Von den Ländern erwartet die Diakonie politische Unterstützung – mit eigenen und mit den Kommunen abgestimmten Strategien, so die Diakonie anlässlich der Integrationsministerkonferenz in Wiesbaden.

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik Diakonie Deutschland: „Ohne Zuwanderung könnten wir unseren Fach- und Arbeitskräftebedarf nicht decken und unsere Sozialkassen würden jedes Jahr schrumpfen. Auch in Zukunft werden Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Die Menschen fliehen vor Krieg, Verfolgung, Unterdrückung und wirtschaftlicher Not. Deutschland kann aus der Not der Aufnahme eine Tugend zur Steigerung des Arbeitskräftepotenzials machen. Die Menschen, die schon da sind, müssen einen schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Davon profitiert unsere Gesellschaft! Diese Integration kostet Geld und die Asylverfahren dauern. Das muss zukünftig schneller gehen. Damit Geflüchtete, die schon länger hier in Deutschland leben, diese verlorene Zeit für eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt schnell wieder aufholen können, braucht es gezielte Vorbereitungen zur Integration in den Arbeitsmarkt und eine starke und nachhaltige soziale Arbeit. Nötig ist eine verlässlichere und nachhaltige Finanzierung. Eine gesicherte Migrationsberatung unterstützt nachhaltig die Integration in den Arbeitsmarkt.“

Außerdem fordert die Diakonie Deutschland eine Härtefallregelung, die es in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Menschen mit ungeklärter Identität und Staatsangehörigkeit ermöglicht, mit Erreichen der Volljährigkeit eingebürgert zu werden. Maria Loheide: „Wer mit ungeklärter Identität in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, darf nicht ein Leben lang zum Opfer einer Sicherheitslogik werden. Wir sind ein Land der Menschenrechte.“

https://www.diakonie.de/diakonie-zitate/diakonie-zitat-fluechtlinge-schneller-in-den-arbeitsmarkt-integrieren

Weitere Informationen:

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist dank der Zuwanderung – auch aus humanitären Gründen – auf einem Höchststand: https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetigkeit/Tabellen/inlaender-inlandskonzept.html

Mit gezielter individueller und bedarfsgerechter Beratung könnten es noch mehr sein. Die Diakonie betreibt mehrere hundert Migrationsfachdienste: https://www.diakonie.de/wissen-kompakt/migrationsfachdienste/

Verzögerte Leistungen

Diakonie: Zuständigkeitswechsel verzögert Leistungen für Geflüchtete

Geflüchtete, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten, haben es zur Zeit schwer, tatsächlich an die ihnen zustehenden Leistungen zu kommen. Beratungsstellen berichten von verzweifelten Menschen, die wochen- und monatelang keine Grundsicherungsleistungen nach dem AsylbLG erhalten. Grund dafür ist die zentralisierte Zuständigkeit des Amtes für Migration seit dem 1. Januar 2023. Dirk Hauer, Migrationsexperte des Diakonischen Werks Hamburg: „Die Umstellung der Zuständigkeit hat zu unerträglich langen Bearbeitungszeiten geführt. Inzwischen gibt es Fälle, in denen Menschen seit dem Zuständigkeitswechsel keinen Cent bekommen haben. Zudem erfolgen Rückmeldungen an Beratungsstellen sehr verzögert, und die Erreichbarkeit per Telefon oder E-Mail ist für Betroffene und Berater*innen äußert schwierig geworden.“

Insbesondere wenn es um Leistungsansprüche und existenzielle Fragen geht, sollten sich Menschen auf schnelles Behördenhandeln ohne Verzögerungen verlassen können. Dirk Hauer: „Leistungsgewährende öffentliche Stellen müssen für jede und jeden schnell und gut erreichbar sein, im Zweifel auch direkt und analog. Das gilt erst recht für Personen, denen es nicht leichtfällt, Behördensprache zu verstehen oder sich selbst und ihr Anliegen verständlich zu machen.“

Das Diakonische Werk Hamburg fordert deshalb, dass Leistungen so lange weiter gewährt werden, bis Anträge geprüft und beschieden sind. Dirk Hauer: „Wenn aus welchen Gründen auch immer schnelles Behördenhandeln nicht möglich ist, so darf das nicht zu Lasten der Leistungsberechtigten gehen.“

Für inhaltliche Fragen steht Ihnen gern Bettina Clemens unter Tel. 040-30620-242 oder clemens@diakonie-hamburg.de zur Verfügung.

Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen

Viele Geflüchtete erhalten zum Leben lediglich Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – und damit weniger als das neue Bürgergeld, das laut Gesetz das menschenwürdige Existenzminimum sicherstellen soll. Hamburgasl hat zusammen mit weiteren Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und Anwält*innenverbände den Apell unterschrieben: Es gibt nur eine Menschenwürde – Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!
Wir fordern gleiche Standards für alle: Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden. Die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem eingegliedert werden.

Im Folgenden der Appell von Anfang 2023 im Wortlaut:

Seit dem 1. Januar 2023 erhalten materiell bedürftige Menschen in Deutschland das sogenannte Bürgergeld. Das Bürgergeld tritt an die Stelle der bisherigen Hartz-IV Leistungen. Geflüchtete wurden dabei allerdings nicht mitgedacht: Denn wie schon bei Hartz IV bleiben asylsuchende und geduldete Menschen auch vom Bürgergeld ausgeschlossen. Statt des regulären Sozialrechts gilt für sie das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Das Asylbewerberleistungsgesetz besteht seit 1993. Es ist ein Sonderrecht für geflüchtete Menschen. Das Leistungsniveau des Asylbewerberleistungsgesetzes unterschreitet das sozialrechtliche Existenzminimum erheblich. Die Regelsätze sind viel niedriger. Oft werden Geldleistungen durch Sachleistungen ersetzt, die die Menschen diskriminieren und entmündigen. Weil Sachleistungen den individuellen Bedarf nie wirklich decken können, stellen sie in der Konsequenz eine weitere drastische Leistungskürzung dar. Die Einschränkung der Gesundheitsversorgung führt oft zu verschleppter, verspäteter und unzureichender Behandlung. Sanktionen führen häufig zu weiteren Kürzungen, die mitunter über viele Jahre aufrechterhalten werden. Durch die fehlende Einbindung in das reguläre
Sozialsystem werden die Betroffenen zudem von den Maßnahmen der Arbeitsförderung weitgehend ausgeschlossen.

Erklärtermaßen hoffte man auf eine abschreckende Wirkung: Niedrige Geldbeträge und die Sachleistungsversorgung sollten Geflüchtete zur Ausreise bewegen. Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Anwält*innenverbände sind sich seit Einführung des Gesetzes darin einig, dass das Asylbewerberleistungsgesetz wieder abgeschafft werden muss.

2012 hat das Bundesverfassungsgericht in einer wegweisenden Entscheidung dafür gesorgt, dass die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zumindest vorübergehend annähernd dem Hartz-IV-Niveau entsprachen. Zugleich erteilte das höchste deutsche Gericht dem Ansinnen, Sozialleistungen zur Abschreckung Asylsuchender einzusetzen, eine deutliche Absage: „Die in Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz garantiert Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“ (Beschluss vom 18.7.2012 – 1 BvL 10/10).

Trotzdem kürzte die Große Koalition die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in den Jahren 2014 bis 2019 in mehreren Schritten erneut und weitete den Anwendungszeitraum von 15 auf 18 Monate aus. 2022 hat das Verfassungsgericht die 2019 eingeführten zusätzlichen Leistungskürzungen für Alleinstehende in Sammelunterkünften als verfassungswidrig gekippt (Beschluss vom 19.10.2022 – 1 BvL 3/21). Ein weiteres Verfahren ist anhängig (1 BvL 5/21).

Auch zu den Sanktionen, die das Asylbewerberleistungsgesetz vorsieht, hat sich das Bundesverfassungsgericht geäußert. Aus dem Urteil zu den Hartz-IV-Sanktionen vom 5.11.2019 geht klar hervor, dass die Sanktionen des Asylbewerberleistungsgesetzes mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind.

Das Asylbewerberleistungsgesetz verstößt damit gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, das Grundrecht auf Gleichheit, das Sozialstaatsgebot (Art. 1, 3, 20 GG), das Grundrecht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG), die UN-Kinderrechtskonvention und den UN-Sozialpakt.

Die Bundesregierung will das Asylbewerberleistungsgesetz laut Koalitionsvertrag von 2021 »im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts« überarbeiten, doch das reicht nicht aus. Letztlich bleibt es damit beim doppelten Standard.

Unsere Forderungen

Es kann nicht zweierlei Maß für die Menschenwürde geben. Wir fordern das gleiche Recht auf Sozialleistungen für alle in Deutschland lebenden Menschen, ohne diskriminierende Unterschiede. Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden. Die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem einbezogen werden. Dies erfordert insbesondere folgende Änderungen:

  1. Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und Einbeziehung Geflüchteter ins Bürgergeld bzw. die Sozialhilfe (SGB II/XII). Auf migrationspolitisch motivierte Kürzungen und Sanktionen ist gemäß dem Urteil des BVerfG aus 2012 ausnahmslos zu verzichten.
  2. Einbeziehung aller Geflüchteten in die Sprach‑, Qualifizierungs- und Arbeitsförderungsinstrumente des SGB II.
  3. Einbeziehung geflüchteter Menschen in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung (SGB V/XI). Dabei muss sichergestellt sein, dass auch Menschen ohne Papiere jederzeit ohne Angst vor Abschiebung Zugang zum Gesundheitssystem haben. Insbesondere muss ein Anspruch auf Sprachmittlung bei Inanspruchnahme von Leistungen im Gesundheitswesen verankert werden.
  4. Von Krankheit, Traumatisierung, Behinderung, Pflegebedürftigkeit Betroffene sowie schwangere, alleinerziehende und ältere Menschen und geflüchtete Kinder müssen – entsprechend ihrem Recht aus der EU-Aufnahmerichtlinie – einen Anspruch auf alle aufgrund ihrer besonderen Situation erforderlichen zusätzlichen Leistungen erhalten (insbesondere nach SGB IX, SGB VIII u.a.).
  5. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sind als Geldleistungen auszugestalten.

Hintergrundinformationen und eine Liste aller Unterzeichnenden Organisationen finden Sie auf www.proasyl.de.

Offener Brief

Offener Brief von Flüchtlingsinitiativen an Innensenator Grote: Senat muss Versprechen für Drittstaatsangehörige aus der Ukraine endlich einlösen

Die Lage von aus der Ukraine geflohenen Menschen ohne ukrainische Staatsangehörigkeit – insbesondere der Gruppe der Studierenden unter ihnen – spitzt sich weiter zu. Viele dieser Personen stehen vor der Ausweisung, obwohl ihnen ausdrücklich „eine Brücke für eine Fortsetzung des Studiums“ zugesagt worden war. Diese Zusage wird aber nicht eingelöst.
Mehrere Organisationen, die seit Jahren Geflüchtete bei der Integration in Deutschland unterstützen und sich in den vergangenen 12 Monaten speziell um die Studierenden aus Drittstaaten gekümmert haben, haben nun einen offenen Brief an Innensenator Grote geschrieben, in dem sie die Einlösung des Versprechens aus dem vergangenen Jahr einfordern:

Sehr geehrter Herr Innensenator Grote,

der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat nicht nur die ukrainischen Staatsangehörigen betroffen. Auch zahlreiche Personen aus anderen Staaten, die in der Ukraine ihren Lebensmittelpunkt hatten, waren zur Flucht gezwungen. Viele von diesen Drittstaatsangehörigen waren zum Studieren in die Ukraine gekommen. Für die Studierenden war vom Hamburger Senat zunächst eine Sonderregelung eingeführt worden. Von den aktuell 1.048 drittstaatsangehörigen Studierenden aus der Ukrainehaben bislang 423 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht (in Form einer Fiktionsbescheinigung) für sechs Monate erhalten, die ihnen vorübergehend einen mit den ukrainischen Staatsangehörigen vergleichbaren Rechtsstatus einräumte.

Diese Regelung war ausdrücklich als „Brücke“ zu einer Fortsetzung des Studiums in Deutschland geplant. Zudem sollte nach Ablauf der sechs Monate eine „wohlwollende“ Prüfung auf andere Möglichkeiten des Aufenthaltes (z.B. FSJ oder Berufsausbildung) stattfinden.

Die Praxis zeigt: Das Gegenteil ist der Fall. Es werden in der ganz überwiegenden Mehrheit der Fälle Ablehnungen des Antrags auf Aufenthaltserlaubnis ausgesprochen und eine kurzfristige Ausreise verfügt. Nur insgesamt 41 Aufenthaltserlaubnisse für Studium, studienvorbereitende Sprachkurse, Ausbildung, Arbeit als Fachkraft und (in der großen Mehrzahl) Freiwilligendienst wurden bislang ausgestellt. Die Begründungen sind dabei häufig schwer bis gar nicht nachvollziehbar. Sprachkurse werden als unzureichend angesehen, obwohl sie die behördlichen Anforderungen erfüllen – aber die Behörde fragt nicht nach, gibt keine Gelegenheit zu Ergänzungen. Bei der Ablehnung wird inhaltlich keine Begründung geliefert, warum der konkrete Sprachkurs nicht ausreichend sein soll. Was es bräuchte, wäre die klare Benennung von Anforderungen, zudem müssten ausreichend lange Fristen für die Vorlage von Nachweisen gewährt und der Mangel an erschwinglichen Intensiv-Sprachkursen behoben werden. Viele der Drittstaatsangehörigen aus der Ukraine scheitern zudem am Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung. Für ein Studium sollen sie über 900 Euro monatlich nachweisen, und das für ein ganzes Jahr im Voraus. Das können oft weder sie noch ihre Familien leisten. Bei Ausbildungen und Freiwilligendiensten führt es zur Ablehnung, wenn das Monatseinkommen nur wenige Euro unter dem „Soll“ liegt. Hier muss der Senat helfen mit Teilstipendien oder Überbrückungsdarlehen. Stattdessen wird auf die Betroffenen Druck zur Ausreise ausgeübt.

Zudem verweigert das Amt für Migration den Studierenden in vielen Fällen das sonst übliche Anhörungsrecht vor Erlass einer negativen Entscheidung. Eine ordnungsgemäße Anhörung setzt voraus, dass den Antragstellenden der Grund für die Ablehnung der beantragten Aufenthaltserlaubnis mitgeteilt wird und sie dazu Stellung nehmen können. Dies wurde praktisch bei allen Drittstaatsangehörigen versäumt. Stattdessen wurden Ausreiseverfügungen erlassen, bei denen vorgelegte Nachweise häufig schlichtweg nicht berücksichtigt wurden. 

Die Bearbeitung der Verfahren vermittelt einen teils chaotischen Eindruck. Wartezeiten im Amt für Migration von vier Stunden und mehr waren der Regelfall, nachweislich übersandte Dokumente fehlten in den Akten, ein Kontakt zu den Personen, die in den Verfahren Entscheidungen treffen, ist nicht möglich. Die Träger von Freiwilligendiensten mussten teilweise monatelang auf aufenthaltsrechtliche Klärung warten, bis der zugesagte Freiwilligendienst beginnen konnte.

Eine echte Chance auf eine Fortsetzung des Studiums oder auf eine Ausbildung in einem dringend benötigten Beruf sieht anders aus. Wie wenig der Senat die Zusage einlöst, die mit der Studierendenregelung gemacht wurde, wie eklatant Grundsätze einer rechtsstaatlichen Verfahrensführung verletzt werden, hinterlässt uns fassungslos. So darf es nicht weiter gehen. Wir fordern Sie auf, durch klare Anweisungen an die Entscheider:innen im Amt für Migration rechtliche Klarheit zu schaffen und den Betroffenen eine echte Perspektive in Deutschland zu ermöglichen. Die meisten der Drittstaatsangehörigen sind mit ihrer Qualifikation und ihren Deutschkenntnissen bereits auf einem Niveau, mit dem sie zeitnah eine qualifizierte Beschäftigung aufnehmen und zur Milderung des Fachkräftemangels in Hamburg beitragen können. Sie haben es in der Hand, dazu beizutragen.

Im Namen der folgenden Organisationen, die sich um die Unterstützung und Integration von Geflüchteten engagieren, schreiben wir Ihnen diesen Brief:

Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen (BHFI) hamburgasyl – Arbeitsgemeinschaft Kirchliche Flüchtlingsarbeit
Asmara’s World e.V. ARRiVATi- Community Care & Empowerment
Refugee Law Clinic (RLC) Universität Hamburg  

Kontakt

Dr. Katherine Braun,  hamburgasyl, Arbeitsgemeinschaft Kirchliche Flüchtlingsarbeit
Tel: 0171 6816001, E-Mail: Katherine.Braun@flucht.nordkirche.de

Manfred Ossenbeck, Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen (BHFI)
Tel: 0171 2027137, E-Mail: manfred.ossenbeck@bhfi.de

Gleiches Recht für alle

Breites zivilgesellschaftliches Bündnis fordert ein Jahr nach Kriegsbeginn in der Ukraine vollständige Gleichbehandlung von aus der Ukraine geflüchteten Schutzsuchenden aus Drittstaaten.

Am 24. Februar jährte sich der russische Angriffskrieg. Am 4. März 2022 wurde zum ersten Mal der vorübergehende Schutz vom Europäischen Rat aktiviert. Mehr als eine Million geflüchtete Menschen aus diesem Krieg wurden mittlerweile in Deutschland registriert – Ukrainische Staatsangehörige und Menschen aus anderen Staaten, die ihren Lebensmittelpunkt in der Ukraine hatten.

Nach wie vor besteht dringender Handlungsbedarf, was die Situation zahlreicher Drittstaatsangehöriger und Staatenloser aus der Ukraine in Deutschland angeht.

Derzeit befinden sich in Deutschland etwa 38.000 Geflüchtete aus der Ukraine ohne ukrainischen Pass. Da sie nicht wie ukrainische Staatsangehörige pauschal von der Anwendung der EU-Richtlinie 2001/55/ EG zum vorübergehenden Schutz profitieren, die in Deutschland mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 AufenthG für zwei Jahre für zwei Jahre einhergeht, sind viele Menschen jetzt schon von Abschiebung bedroht, bei anderen laufen bald Fiktionsbescheinigungen aus. Obwohl sie vor demselben Krieg wie ukrainische Staatsangehörige geflohen sind und Schutz suchen, ist ihre derzeitige Situation von Unsicherheit, Diskriminierung und Willkür geprägt.

Die Auslegung und Umsetzung der EU-Richtlinie unterscheidet sich je nach Bundesland. Viele Betroffene sind einer absoluten Willkür bei den Entscheidungen der einzelnen Ausländerbehörden und Sachbearbeiter*innen ausgesetzt. Der Ermessensspielraum der Behörden wird nur sehr selten zu Gunsten der Betroffenen genutzt. Dies hat zur Folge, dass die Erwerbstätigkeit in manchen Bundesländern gänzlich untersagt ist, anderenorts eine Ausreiseaufforderung nach der anderen eingeht.

Während Entwicklungsministerin Schulze und Arbeitsminister Heil in Ghana und Bundeskanzler Scholz in Indien versuchen, Fachkräfte anzuwerben, sollen hochqualifizierte Menschen ohne ukrainischen Pass, die sich aufgrund des Krieges in der Ukraine seit einem Jahr in Deutschland befinden, ausgewiesen werden. Diese Willkür muss ein Ende haben.

1)  Das zivilgesellschaftliche Bündnis fordert konkrete, langfristige und einheitliche aufenthaltsrechtliche Lösungen für alle geflüchteten Menschen aus der Ukraine

Das Bündnis fordert die Bundesregierung auf:

  • Die EU-Richtlinie über den vorübergehenden Schutz – breit und bundesweit – einheitlich anzuwenden. Die Aufenthaltserlaubnis gem. § 24 AufenthG ist für alle Menschen zu erteilen, die in der Ukraine ihren Lebensmittelpunkt hatten. Hierbei sollte anerkannt werden, dass der Beginn eines Studiums auch dazu zählt.

Viele Familien haben ihre gesamten finanziellen Mittel ausgeschöpft, um in die Zukunft ihrer Kinder zu investieren. Andere haben alles in ihren Herkunftsländern aufgegeben, um sich in der Ukraine ein Leben aufzubauen. Dies ist von der Bundesregierung in der Umsetzung zu berücksichtigen sowie klar, öffentlich und transparent zu kommunizieren.

  • Aufenthaltstitel nach §24 AufenthG auszustellen, um nicht-ukrainischen Staatsangehörigen den Zugang zu Integrationsmaßnahmen zu ermöglichen.

Sie bekommen somit die Möglichkeit, die Voraussetzungen für andere Aufenthaltserlaubnisse nach dem vorübergehenden Schutz zu erfüllen, sich gegebenenfalls an Universitäten zu immatrikulieren, um ihr Studium fortzusetzen oder sich um eine Ausbildung oder Arbeit zu bemühen. Bereits abgelaufene Fiktionsbescheinigungen müssen bis dahin rückwirkend verlängert werden.

  • Die Beweisanforderungen bei Anträgen auf eine Aufenthaltserlaubnis den entsprechenden Umständen der aktuellen Situation anzupassen.

Vor dem Hintergrund, dass viele Menschen derzeit nicht die notwendigen Dokumente aus der Ukraine bzw. deren Auslandsvertretungen beschaffen können, muss eine alternative Glaubhaftmachung – z.B. über eine Eidestattliche Versicherung –  beim Beleg von Familienbindungen, Immatrikulationen an Universitäten  in  der Ukraine    oder  dem Wohnsitz  dort, ermöglicht werden.

  • Die Aufenthaltserlaubnis gem. § 24 AufenthG ist für alle Menschen zu erteilen, die in der Ukraine ihren Lebensmittelpunkt hatten.

Hierbei sollte anerkannt werden, dass der Beginn eines Studiums auch dazu zählt. Viele Familien haben ihre gesamten finanziellen Mittel ausgeschöpft, um in die Zukunft ihrer Kinder zu investieren. Andere haben alles in ihren Herkunftsländern aufgegeben, um sich in der Ukraine ein Leben aufzubauen. Dies ist von der Bundesregierung in der Umsetzung zu berücksichtigen sowie klar, öffentlich und transparent zu kommunizieren.

  • Aufenthaltstitel nach §24 AufenthG auszustellen, um nicht-ukrainischen Staatsangehörigen den Zugang zu Integrationsmaßnahmen zu ermöglichen.

Sie bekommen somit die Möglichkeit, die Voraussetzungen für andere Aufenthaltserlaubnisse nach dem vorübergehenden Schutz zu erfüllen, sich gegebenenfalls an Universitäten zu immatrikulieren, um ihr Studium fortzusetzen oder sich um eine Ausbildung oder Arbeit zu bemühen. Bereits abgelaufene Fiktionsbescheinigungen müssen bis dahin rückwirkend verlängert werden.

  • Den Zugang zu Deutsch- und Integrationskursen für alle Personen zu ermöglichen, die einen Antrag auf vorübergehenden Schutz gestellt haben
  • Den Zugang zum Arbeitsmarkt für alle Menschen, die einen Antrag auf vorübergehenden Schutz gestellt haben, gleichermaßen zu gewährleisten.

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist Bestandteil der EU-Richtlinie über den vorübergehenden Schutz und eine wichtige Voraussetzung für Teilhabe und Aufbau der für einen anschließenden Aufenthaltstitel nötigen finanziellen Ressourcen.

Manche Bundesländer erteilen Drittstaatsangehörigen aus der Ukraine Fiktionsbescheinigungen mit dem Satz “Erwerbstätigkeit nicht erlaubt”. Die Ausländerbehörden müssen bundesweit einheitlich den Zugang zum Arbeitsmarkt durch Ausstellung von Fiktionsbescheinigungen nach §24 AufenthG mit Erlaubnis der Erwerbstätigkeit ermöglichen, ungeachtet des vermuteten Ausgangs einer Antragsstellung auf vorübergehenden Schutz.

2) Den Zugang zur Aufenthaltsgenehmigung zum Zweck des Studiums (§16b AufenthG) im Anschluss an den §24 AufenthG und durch geringere Anforderungen an finanzielle Mittel zu vereinfachen.

Ein Studium in Deutschland ist für ausländische Studierende aus Nicht-EU-Staaten nur mit enormen finanziellen Ressourcen möglich. Auch, um dem großen Fachkräftemangel in Deutschland entgegenzuwirken, sollte der Zugang zum Studium über geringere Anforderungen an die Aufenthaltserlaubnis und mehr verfügbare Stipendien vereinfacht werden. Auch eine Finanzierung des Studiums durch eigene Arbeit muss einheitlich und überall ermöglicht werden.

Bei unvorhergesehenen Ereignissen im Herkunftsland muss es möglich sein, dass auch während eines Aufenthalts nach §16b AufenthG und anderen Paragraphen Betroffene individuelle Grün- de für eine nicht-sichere und/oder nicht-dauerhafte Rückkehr ins Herkunftsland oder die Herkunftsregion erneut prüfen lassen können.

3)  Die Bundesregierung muss sich für den Schutz von Drittstaatsangehörigen in der gesamten EU einsetzen.

Das zivilgesellschaftliche Bündnis fordert die Bundesregierung auf, sich einzusetzen für:

  • Eine sichere Einreise ohne Diskriminierung für alle Menschen, die aufgrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine fliehen bzw. weiterfliehen müssen – ungeachtet ihrer Staatsange- hörigkeit. Auch Personen, die sich nicht ausreichend ausweisen können oder keinen biometrischen Reisepass haben, muss unter reduzierten Beweisanforderungen eine Einreise in das EU-Gebiet ermöglicht werden.
  • Die diskriminierungsfreie Weiterreise innerhalb der EU. Auch innerhalb der EU müssen gemäß der EU-Richtlinie 2001/55/EG Menschen aus der Ukraine unabhängig von ihrem Reisepass weiterreisen dürfen.
  • Eine weit gefasste Anwendung der Richtlinie zum vorübergehenden Schutz, in der alle Menschen, die  bei Kriegsausbruch ihren Wohnsitz in der Ukraine hatten, Berücksichtigung finden.
  • Die umgehende Beteiligung u.g. zivilgesellschaftlicher Unterstützungsorganisationen in den Arbeitsgruppen auf EU-, Bundes-, Landes-  und Kommunaler Ebene für die Umsetzung der EU-Richtlinie 2001/55/EG zum vorübergehenden Schutz.
  • Die Verlängerung der Anwendung des vorübergehenden Schutzes aufgrund des Kriegs in der Ukraine bis 2025.

Im Namen aller unterzeichnenden Organisationen

Pressemitteilung als pdf-Dokument mit allen unterzeichnenden Organisationen und Gruppen