Keine Strafe für Kirchenasyl

Berlin/Hamburg, den 28. Februar: Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V.

Nach beinahe drei Jahren können wir heute mit Äbtissin Mechthild Thürmer aus Kirchschletten in Bayern aufatmen. Das Amtsgericht Bamberg stellte das Verfahren wegen Gewährung von Kirchenasyl in mehreren Fällen wegen Geringfügigkeit nach § 153 StPO ein. Seit Sommer 2020 wartete Mutter Mechthild auf diesen Termin und das Verfahren zog sich aus verschiedenen Gründen in die Länge. Bereits im Februar 2022 bestätigte das Bayrische Oberste Landesgericht den Freispruch Bruder Abrahams. Auch ihm war Beihilfe zum illegalen Aufenthalt durch die Gewährung von Kirchenasyl vorgeworfen worden. Das Oberlandesgericht hatte noch einmal festgestellt, dass das Gewähren von Kirchenasyl keine Straftat darstellt. Die Strafverfolgung von Kirchenasyl fand regelhaft in den letzten Jahren ausschließlich in Bayern statt.

Wir freuen uns mit Mutter Mechthild und allen, die sich für die Rechte Geflüchteter einsetzen, über die heutige Gerichtsentscheidung! Wir hoffen, dass hiervon auch Signalwirkung ausgeht und sich die Behördenpraxis ändert. Wir fordern die Bayrischen Behörden, die Strafverfolgung von Kirchenasyl einzustellen. Die geflüchteten Kirchenasyl-Gäste sowie die Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften fordern die Humanität und menschenwürdige Behandlung ein, die eigentlich allen Menschen zusteht. Mit dem Kirchenasyl schaffen wir den Zugang zu Grundrechten, der im europäischen Asylsystem zunehmend ausgehebelt wird. Das Engagement von Mutter Mechthild und so vielen anderen verdient Anerkennung, nicht Bestrafung.

Pastorin Dietlind Jochims
Vorsitzende der Ökumenischen BAG Asyl in der Kirche e.V.

https://www.kirchenasyl.de/wp-content/uploads/2023/02/2023-02-28-PM-Keine-Strafe-fuer-Kirchenasyl.pdf

Lange Wartezeiten bedrohen Existenz

Pressemitteilung der Diakonie Hamburg: Bearbeitungsstau in den bezirklichen Abteilungen für Ausländerangelegenheiten

In den bezirklichen Abteilungen für Ausländerangelegenheiten müssen Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte teilweise mehrere Monate warten, bis ihre Anfragen, Terminwünsche oder Verlängerungsanträge für Aufenthaltstitel bearbeitet werden. Seit einem Jahr weisen Beratungsstellen, Ehrenamtsinitiativen und Verbände gegenüber den Bezirken und der Innenbehörde immer wieder auf diese Missstände hin, ohne dass bisher Verbesserungen erkennbar wären. Dazu Dirk Hauer, Experte des Diakonischen Werks Hamburg: „Hier geht es ja nicht um ein neues KFZ-Kennzeichen. Vielmehr sind diese Wartezeiten für viele Betroffene existenziell bedrohlich. Oft genug hängt an der rechtzeitigen Verlängerung eines Aufenthaltstitels der Job oder die Wohnung oder beides. Sowohl personelle Engpässe als auch die digitale Umstellung der Hamburger Verwaltung dürfen nicht dazu führen, dass dadurch Menschen in existenzielle Krisensituationen gestürzt werden.“

Das Diakonische Werk Hamburg fordert daher, dass Aufenthaltstitel und sich daraus ergebende Leistungsansprüche automatisch zumindest so lange verlängert werden, bis Verlängerungsanträge bearbeitet und beschieden werden können.

Job und Ausbildungsplatz sind oft an den Aufenthaltstitel gebunden. Verzögerungen bei der Verlängerung von Aufenthaltstiteln führen zudem immer wieder dazu, dass Leistungen nach dem SGB II oder Berufsausbildungsbeihilfe nicht ausgezahlt werden. Verzögerte Mietzahlungen und die Gefahr von Wohnungsverlust sind die Folge. Beratungsstellen berichten auch immer wieder davon, dass ohne gültigen Aufenthaltstitel der Krankenversicherungsschutz bedroht ist oder dass Banken das Online-Banking sperren.

https://www.diakonie-hamburg.de/de/presse/pressemitteilungen/Diakonie-haelt-Wartezeiten-in-den-bezirklichen-Abteilungen-fuer-Auslaenderangelegenheiten-fuer-Existenz-bedrohend/

Brüssel-Reise 2023

Die EU beeinflusst mit ihren Regeln, Richtlinien und Verordnungen viele Bereiche unserer Gesellschaft und Politik. In wenigen anderen Feldern wird dies so deutlich wie in der Flüchtlings- und Migrationsarbeit. In Brüssel wird mitentschieden, wer unter welchen Bedingungen kommen und bleiben darf. Trotzdem bleibt die Vorstellung von „der EU“ oft vage. Mit unserer Studienreise nach Brüssel wollen wir dies ändern. Was für ein Akteur ist die EU im Kontext der Globalisierung? Welche Rolle spielt die EU für die Einhaltung von Menschenrechten? Am Beispiel der Themen „Flucht und Migration“ möchten wir Einblick in die europäische Politik, ihre Handlungsmöglichkeiten und Ziele erhalten.

In Brüssel kommen wir mit EU-Abgeordneten und mit zivilgesellschaftlichen Akteuren zu Fragen von Flucht und Migration, Lobbyarbeit und Entwicklungspolitik ins Gespräch. Wir werden in die Arbeitsweise der EU vor Ort eingeführt, besuchen das Europäische Parlament, die EU-Kommission und Nichtregierungsorganisationen (u.a. Churches Commission for Migrants in Europe (CCME), European Council on Refugees and Exiles (ECRE) und auch das Büro der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)), die in Brüssel zu Flucht, Migration und Menschenrechten arbeiten.

Veranstalter der Studienreise ist der Kirchliche Entwicklungsdienst der Nordkirche in Kooperation mit dem Zentrum für Mission und Ökumene – Nordkirche weltweit.

Die Reiseleitung übernehmen Dietrich Gerstner, Referent für Menschenrechte und Migration im Zentrum für Mission und Ökumene und Dr. Katherine Braun, Referentin für kirchliche Flüchtlingsarbeit im Büro der Flüchtlingsbeauftragten der Nordkirche.

Die Reise findet statt von Sonntag, 22. bis Freitag, 27. Oktober 2023. Wir fahren gemeinsam von Hamburg aus mit der Bahn nach Brüssel. Dort übernachten wir im Institute of Cultural Affairs, einer schlichten Unterkunft zwischen EU-Viertel und Altstadt. 

Wichtiger Hinweis: Vor Ort werden wir die meisten Termine zu Fuß aufsuchen, da unser Quartier in der Nähe des Europaviertels liegt! Das Quartier selbst ist ebenfalls nicht barrierefrei eingerichtet!

Wir beantragen die Anerkennung der Reise als Bildungsurlaub in den Bundesländern Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.

Im Rahmen eines Vorbereitungsseminars in der Missionsakademie Hamburg (Freitag, 15./ Samstag, 16. September 2023) werden wir die Studienreise gemeinsam mit Referent*innen inhaltlich und organisatorisch vorbereiten. Wir erhalten eine erste Einführung in die Arbeitsweise der EU und bringen uns auf den aktuellen Stand der Flüchtlingspolitik. Darüber hinaus werden wir das Programm der Reise vorstellen und organisatorische Fragen beantworten. Die Teilnahme am Vorbereitungsseminar ist bindender Bestandteil der Reise.

Der Eigenbeitrag für das Vorbereitungsseminar und die Reise beträgt 350 € (Reduzierung auf Anfrage möglich). Darin enthalten sind Übernachtung und Verpflegung während des Vorbereitungsseminars in der Missionsakademie Hamburg, die Bahnfahrt hin und zurück von Hamburg nach Brüssel, Übernachtung und Frühstück im ICAB sowie eine weitere Mahlzeit an den vier Programmtagen in Brüssel und natürlich die Kosten für das Programm.

Die Reise richtet sich explizit an Menschen, die in der Flüchtlings- und Migrationsarbeit aktiv sind. Sie werden daher gegenüber anderen Interessierten bevorzugt. Für die Auswahl der Reiseteilnehmer*innen spielt eine ausgewogene Mischung aus Ehren- und Hauptamtlichen, Frauen bzw. Männern, Lebensälteren – und jüngeren und natürlich die Verortung in einem der drei Bundesländer der Nordkirche (Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein) eine Rolle. Darum bitten wir bei Ihrer verbindlichen Bewerbung um Angaben zu Ihrem Engagement (Art und Ort), Alter und Geschlecht. Menschen mit einer internationalen Herkunftsgeschichte ermutigen wir besonders sich zu bewerben.

Wir planen eine Gruppengröße von max. 18 Personen (incl. Reiseleitung).

Anmeldungen bitte bei Ines Behrends unter 040 / 30620 1530 oder ines.behrends@ked.nordkirche.de. Informationen zu Inhalten und Programm der Reise gibt es bei Dietrich Gerstner 040 / 881 81-332; d.gerstner@nordkirche-weltweit.de.

https://www.ked-nordkirche.de/veranstaltungen.html

Kundgebung gegen den Krieg

„Gegen den Krieg. Für Demokratie, Solidarität und soziale Gerechtigkeit“

Am 24. Februar 2023 jährt sich der russische Angriff auf die Ukraine. Mit einem Bündnis aus Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden und Kirche rufen wir an diesem Tag auf zu einer Kundgebung um 16 Uhr auf dem Hamburger Rathausmarkt. Landespastor Dirk Ahrens wird eine Rede halten.

Aufruf:

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine dauert nun schon ein ganzes Jahr. Mit jedem Tag wird er brutaler. Wir – die Hamburger Gewerkschaften, Kirchen und Sozial- und Wohlfahrtsverbände – verurteilen die kriegerische Aggression Russlands auf die Ukraine auf das Schärfste. Das größte Leid trägt die Zivilbevölkerung. Viele Menschen fanden bereits den Tod, erlitten grausame Verluste, sind auf der Flucht. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Weiterhin fordern wir die russische Regierung auf, die Angriffe sofort zu beenden. Lassen Sie die Waffen endlich schweigen! Es ist unerlässlich, unverzüglich nach diplomatischen Lösungen am Verhandlungstisch zu suchen!

Dieser Krieg stellt alte Gewissheiten in Frage. Freiheit und demokratische, offene Gesellschaften müssen gegen Angriffe von innen und außen verteidigt werden. Unsere Solidarität in diesem Krieg gilt den Menschen in der Ukraine, die sich gegen einen völkerrechtswidrigen Angriff verteidigen. Es ist gut, dass Europa einig an ihrer Seite steht und Solidarität zeigt. Das große Ziel muss weiterhin eine europäische und internationale Friedensordnung sein, die auf Menschenrechten, den Prinzipien der Freiheit, der Selbstbestimmung und der sozialen Gerechtigkeit beruht.

In den letzten Monaten haben Themen, wie das Sondervermögen für die bessere Ausrüstung der Bundeswehr oder die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine, die öffentliche und politische Diskussion geprägt. Diese breite und offene Debatte ist notwendig. Gleichzeitig wissen wir auch: Die Finanzierung militärischer Friedenssicherung darf die soziale Ungleichheit in unserem Lande nicht verschärfen. Seit Monaten steigen die Preise in nahezu allen Bereichen sowohl bei den Verbrauchsgütern als auch bei den Wohnkosten, ganz besonders auf dem Energiemarkt. Für Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen, für Rentner*innen, Auszubildende, Studierende und Arbeitslose ist das tägliche Leben kaum noch bezahlbar. Die Entlastungspakete der Bundesregierung gehen in die richtige Richtung, reichen aber nicht aus. Auch Hamburg muss hier noch nachbessern.

Wir verlangen darüber hinaus ab sofort eine sozial gerechte Entlastung, bei der Menschen mit viel Geld stärker belastet werden als Menschen mit wenig Geld. Vermögensabgaben und eine gerechtere Besteuerung sehr hoher Einkommen können für diese gerechte Entlastung sorgen. Wer von der Krise profitiert, Konzerne etwa, die hohe Gewinne einfahren, muss solidarisch sein. Übergewinne sollten abgeschöpft und zur Gegenfinanzierung der Entlastungen genutzt werden.

Tausende Menschen aus der Ukraine und anderen Kriegsregionen der Welt suchen in unserem Land Schutz. Ihre Integration hat Priorität. Dafür braucht es eine echte Willkommenskultur. Es ist unsere Verantwortung, dass alle Geflüchteten sich bei uns sicher fühlen und sie nicht dem Hass rechter, antidemokratischer Kräfte ausgesetzt sind. Es ist auch unsere Verantwortung, dass sie in ordentlichen Jobs arbeiten und nicht als billige Arbeitskräfte ausgebeutet werden.

Ein Jahr nach dem Krieg ist der Handlungsbedarf groß. Wir appellieren an alle und ganz besonders an die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft: Sorgen wir dafür, dass eine soziale Spaltung in unserer Gesellschaft aufgehalten wird, verteilen wir die Krisenkosten sozial gerecht und stärken wir diplomatische Wege aus dem aktuellen grausamen Krieg!

Aufrufende sind der DGB Hamburg, die Diakonie Hamburg, der SoVD, der Mieterverein zu Hamburg, die AWO, der Paritätische und die Evangelisch-lutherische Kirche in Norddeutschland.

https://www.diakonie-hamburg.de/de/artikel/Gegen-den-Krieg.-Fuer-Demokratie-Solidaritaet-und-soziale-Gerechtigkeit/

#saytheirnames

Die AG Kirchliche Flüchtlingsarbeit unterstützt den Aufruf des Hamburger Bündnis gegen Rechts zur Demonstration zum Gedenken an die Opfer der rassistischen Morde von Hanau und gegen den rechten Terror!

Wann: Sonntag, den 19. Februar um 13 Uhr
Wo: Wilhelmsburger Platz, Veddel

Am 19. Februar 2020 wurden in Hanau neun junge Menschen aus rassistischen Gründen erschossen. Der Täter aus der Nachbarschaft hat sich vor den Augen der Sicherheitsbehörden auf seine Tat vorbereitet wie es bereits der Täter von Halle, der dort ein Blutbad in der Synagoge anrichten wollte, und der Mörder von Walter Lübcke in Kassel tun konnten.

Die Prozesse und Urteile gegen die Mörder des NSU, von Halle und Kassel haben noch einmal deutlich gemacht: Das Ausmaß rechten Terrors wird nach wie vor verharmlost durch die immer wiederholte These von „Einzeltätern“, die die Rolle ihrer gemeinsamen Ideologie vom „großen Austausch“ und angeblicher weißer Überlegenheit ebenso ausblendet wie die rechte Vernetzung auch streichen in der digitalen Welt.

Drei Jahre nach Hanau: kein Vergeben, kein Vergessen – gemeinsam gegen Rassismus und Faschismus!

Das Massaker von Hanau steht in einer langen Reihe rassistischer Morde in Deutschland und deren lückenhafter Aufklärung. Welche Rolle spielen dabei rechte Netzwerke in der Polizei und anderen Behörden? Unerträglich sind anhaltende rassistische Hetze und Ausgrenzungsstrategien der AfD, aber auch nicht endende Debatten über Themen wie „mangelnde Integration“, „Parallelgesellschaften“ und „Leitkultur“. Durch beides fühlen sich potentielle Attentäter in ihren Auffassungen bestätigt und zur Tat ermutigt.

Auch drei Jahre nach dem Anschlag gibt es viele Fragen, keine Antworten, keine Konsequenzen. Die Angehörigen und Überlebenden fordern Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung und Konsequenzen! Warme Worte von oben haben die Angehörigen satt: „Wir brauchen Taten statt Worte. Wir können nicht auf den nächsten Anschlag warten!“ hieß der eindringliche Appell aus Hanau an die Öffentlichkeit. Daran wollen wir zum Jahrestag des Massakers erinnern und unsere Solidarität demonstrieren. Denn nicht zuletzt hat auch die Veröffentlichung des Geheimberichts des hessischen Verfassungsschutzes gezeigt: staatliche Strukturen sind im Kampf gegen rechte Strukturen oft nicht nur untätig – ihre Tätigkeit steht der Aufklärung z.B. des NSU-Komplexes entgegen.

Die Forderungen der Angehörigen aus Hanau sind auch unsere!

Um dem rechten Terror ein Ende zu setzen, um Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus wirksam entgegenzutreten, dürfen wir es nicht bei Fassungslosigkeit und Trauer belassen. Wir unterstützen die Selbstorganisierung der Betroffenen und stehen an ihrer Seite. Der Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus ist untrennbar verbunden mit der Solidarität im gemeinsamen Kampf für soziale Gerechtigkeit und Teilhabe, gegen strukturelle Diskriminierung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, gegen rassistische Beleidigungen, Polzeigewalt, Racial Profiling und rechte Diskurse aller Art.

Die Toten von Hanau und Halle, der versuchte Mord an Ahmet I., der Mord an Walter Lübcke, die Opfer des NSU, die Morddrohungen gegen Politiker*innen, die Drohungen des NSU 2.0 gegen bekannte Aktivistinnen, die Ignoranz gegen das Sterben von tausenden Geflüchteten im Mittelmeer [und an EU-Außengrenzen] – das alles zeigt uns, wie notwendig der gemeinsame Kampf gegen Faschismus und Rassismus ist.

Für Aufklärung und Konsequenzen müssen wir selbst kämpfen: Schließen wir uns zusammen gegen diejenigen, die uns spalten möchten!

Weitere Informationen und Mobimaterial gibt es auf der Website www.keine-stimme-den-nazis.org

Wegweisendes Urteil…

… zur Schiffskatastrophe von 2013: Für den Tod von 268 Schutzsuchenden sind italienische Küstenwache und Marine verantwortlich.

19. Januar 2023: Gemeinsame Presseerklärung von PRO ASYL, borderline-europe und WatchTheMed/Alarm Phone

Mit gemischten Gefühlen reagieren die drei Menschenrechtsorganisationen PRO ASYL, borderline- europe und WatchTheMed/Alarm Phone auf ein Urteil in Italien zu einem Schiffsunglück im Jahr 2013 vor Lampedusa: Zwar urteilte der Gerichtshof in Rom, dass sich die italienische Küstenwache und die Marine der vorsätzlichen Unterlassung der Rettung schuldig gemacht haben und so für den Tod von 268 Flüchtlingen verantwortlich sind. Doch die beiden Angeklagten Kapitän Leopoldo Manna und Fregattenkapitän Luca Licciardi, entgingen einer Verurteilung, weil der Fall verjährt ist.

„Notrufe auf See müssen ernst genommen und Rettungsoperationen unverzüglich eingeleitet werden. Das ist die zentrale Botschaft dieses Prozesses, die sich nicht nur an die italienischen sondern an alle Küstenwachen und Einsatzkräfte im Mittelmeer richtet“, bewerten PRO ASYL, borderline-europe und WatchTheMed/Alarm Phone das Urteil vom 16. Dezember 2022. Zudem muss nun geprüft werden, ob in einem zivilrechtlichen Verfahren der italienische Staat zu Entschädigungsleistungen für die Opfer verpflichtet werden kann.

„Es hat länger als neun Jahre gedauert, bis in diesem Fall unterlassener Hilfeleistung mit Todesfolge ein Urteil gesprochen wurde. Die angeklagten Verantwortlichen konnten wegen Verjährung nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Dies bleibt für die Angehörigen der Opfer eine bittere Erfahrung“, betonen die drei Organisationen weiter.

„Unsere Mandant*innen, die in den fünf Stunden auf See, in denen sie vergeblich auf Rettung warteten, ihre Angehörigen und ihre Kinder ertrinken sahen, haben uns immer wieder gebeten, dafür zu sorgen, dass sich das Geschehene nicht wiederholt. Deshalb haben sie auch die Qualen dieses langen Prozesses auf sich genommen“, so die Rechtsanwält*innen der nebenklagenden Überlebenden nach dem Urteil. 

Und weiter: „Wir können heute hoffen, dass dieses Urteil alle an die verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Pflichten erinnert, die denjenigen obliegen, die in der Seenotrettung tätig sind. Das Urteil des Römischen Gerichtshofs betrifft nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart und Zukunft: Menschenleben auf See müssen immer gerettet werden, und kein Befehl kann diese Pflicht außer Kraft setzen.“

Speziell für Italien gilt: Die neue italienische Regierung unter Giorgia Meloni sollte dieses Urteil genau studieren und ihre Verantwortung für die Seenotrettung bedingungslos anerkennen. „Denn aktuell müssen wir erleben, wie der amtierende Innenminister Matteo Piantedosi und Infrastrukturminister Matteo Salvini erneut versuchen, zivile Rettungen mit allen Mitteln zu erschweren und damit vermehrt Todesopfer billigend in Kauf nehmen“, so die drei Organisationen PRO ASYL, borderline-europe und WatchTheMed/Alarm Phone.

Zum Hintergrund und der vollständigen Presseeklärung

Einführung Chancen-Aufenthaltsrecht

Im Dezember letzten Jahres verabschiedete der Bundestag ein Gesetz zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechtes. Wir begrüßen, dass mit diesem Gesetz vor allem Langzeitgeduldete eine Perspektive der Aufenthaltssicherung bekommen. Zudem sollen für diesen Personenkreis Anreize zur Integration und Identitätsklärung geschaffen werden, ohne dass die Betroffenen eine Abschiebung befürchten müssen. Menschen, die am 31. Oktober 2022 seit mindestens 5 Jahren geduldet in Deutschland leben, sollen eine 18-monatige Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten, um in dieser Zeit die übrigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen.

In Hamburg leben ca. 7500 Menschen mit einer Duldung. Auf der Website der Stadt Hamburg sind die wichtigsten Fragen und Antworten zum Chancen-Aufenthaltsrecht auf deutsch und englisch zu finden.

Auch ProAsl hat eine Themenseite mit Hinweisen zu dieser Regelung.

Änderung Zuständigkeit AsylbLG

Seit dem 1. Januar 2023 liegt die Zuständigkeit bei der Bearbeitung von Anträgen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zentral bei der Behörde für Inneres und Sport (BIS) im Amt für Migration (Amt M) und nicht mehr bei den bezirklichen Dienststellen für Grundsicherung.

Die neu zuständige Behörde ist wie folgt erreichbar:

Behörde für Inneres und Sport
Amt für Migration, Referat M 43
Bargkoppelstieg 10-14, 22145 Hamburg
E-Mail: asylblg@amtfuermigration.hamburg.de
Tel.: (040) 428 39 – 4399

Aktuelle Hinweis

Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts haben ab 24. November 2022 alleinstehende Erwachsene, die sich länger als 18 Monate in Deutschland aufhalten (Analogleistungsbeziehende) und in einer Gemeinschaftsunterkunft leben, nicht wie bisher die Regelbedarfsstufe (RBS) 2, sondern die RBS 1 zu erhalten. Das bedeutet für diese Personen höhere Leistungen. Ob dies auch für Leistungsempfänger*innen gilt, die noch in den ersten 18 Monaten des Leistungsbezugs sind (Grundleistungsbeziehende), wird derzeit noch geprüft.

Website der Stadt Hamburg mit mehrsprachigen Infoblättern

Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!

ProAsyl, 2. Dezember 2023: Viele Geflüchtete erhalten zum Leben lediglich Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – und damit weniger als das neue Bürgergeld, das laut Gesetz das menschenwürdige Existenzminimum sicherstellen soll. Aber die Menschenwürde kennt nicht zweierlei Maß. Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und Anwält*innenverbände fordern gleiche Standards für alle: Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden. Die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem eingegliedert werden.

Seit dem 1. Januar 2023 erhalten materiell bedürftige Menschen in Deutschland das sogenannte Bürgergeld. Das Bürgergeld tritt an die Stelle der bisherigen Hartz-IV- Leistungen. Geflüchtete wurden dabei allerdings nicht mitgedacht: Denn wie schon bei Hartz IV bleiben asylsuchende und geduldete Menschen auch vom Bürgergeld ausgeschlossen. Statt des regulären Sozialrechts gilt für sie das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Das Asylbewerberleistungsgesetz besteht seit 1993. Es ist ein Sonderrecht für geflüchtete Menschen. Das Leistungsniveau des Asylbewerberleistungsgesetzes unterschreitet das sozialrechtliche Existenzminimum erheblich. Die Regelsätze sind viel niedriger. Oft werden Geldleistungen durch Sachleistungen ersetzt, die die Menschen diskriminieren und entmündigen. Weil Sachleistungen den individuellen Bedarf nie wirklich decken können, stellen sie in der Konsequenz eine weitere drastische Leistungskürzung dar. Die Einschränkung der Gesundheitsversorgung führt oft zu verschleppter, verspäteter und unzureichender Behandlung. Sanktionen führen häufig zu weiteren Kürzungen, die mitunter über viele Jahre aufrechterhalten werden. Durch die fehlende Einbindung in das reguläre
Sozialsystem werden die Betroffenen zudem von den Maßnahmen der Arbeitsförderung weitgehend ausgeschlossen.

Erklärtermaßen hoffte man auf eine abschreckende Wirkung: Niedrige Geldbeträge und die Sachleistungsversorgung sollten Geflüchtete zur Ausreise bewegen. Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Anwält*innenverbände sind sich seit Einführung des Gesetzes darin einig, dass das Asylbewerberleistungsgesetz wieder abgeschafft werden muss.

2012 hat das Bundesverfassungsgericht in einer wegweisenden Entscheidung dafür gesorgt, dass die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zumindest vorübergehend annähernd dem Hartz-IV-Niveau entsprachen. Zugleich erteilte das höchste deutsche Gericht dem Ansinnen, Sozialleistungen zur Abschreckung Asylsuchender einzusetzen, eine deutliche Absage: „Die in Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“ (Beschluss vom 18.7.2012 – 1 BvL 10/10).

Trotzdem kürzte die große Koalition die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in den Jahren 2014 bis 2019 in mehreren Schritten erneut und weitete den Anwendungszeitraum von 15 auf 18 Monate aus. 2022 hat das Verfassungsgericht die 2019 eingeführten zusätzlichen Leistungskürzungen für Alleinstehende in Sammelunterkünften als verfassungswidrig gekippt (Beschluss vom 19.10.2022 – 1 BvL 3/21). Ein weiteres Verfahren ist anhängig (1 BvL 5/21).

Auch zu den Sanktionen, die das Asylbewerberleistungsgesetz vorsieht, hat sich das Bundesverfassungsgericht geäußert. Aus dem Urteil zu den Hartz-IV-Sanktionen vom 5.11.2019 geht klar hervor, dass die Sanktionen des Asylbewerberleistungsgesetzes mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind.

Das Asylbewerberleistungsgesetz verstößt damit gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, das Grundrecht auf Gleichheit, das Sozialstaatsgebot (Art. 1, 3, 20 GG), das Grundrecht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG), die UN-Kinderrechtskonvention und den UN-Sozialpakt.

Die Bundesregierung will das Asylbewerberleistungsgesetz laut Koalitionsvertrag von 2021 „im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ überarbeiten, doch das reicht nicht aus. Letztlich bleibt es damit beim doppelten Standard.

Unsere Forderungen

Es kann nicht zweierlei Maß für die Menschenwürde geben. Wir fordern das gleiche Recht auf Sozialleistungen für alle in Deutschland lebenden Menschen, ohne diskriminierende Unterschiede. Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden. Die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem einbezogen werden. Dies erfordert insbesondere folgende Änderungen:

  1. Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und Einbeziehung Geflüchteter ins Bürgergeld bzw. die Sozialhilfe (SGB II/XII). Auf migrationspolitisch motivierte Kürzungen und Sanktionen ist gemäß dem Urteil des BVerfG aus 2012 ausnahmslos zu verzichten.
  2. Einbeziehung aller Geflüchteten in die Sprach-, Qualifizierungs- und Arbeitsförderungsinstrumente des SGB II.
  3. Einbeziehung geflüchteter Menschen in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung (SGB V/XI). Dabei muss sichergestellt sein, dass auch Menschen ohne Papiere jederzeit ohne Angst vor Abschiebung Zugang zum Gesundheitssystem haben. Insbesondere muss ein Anspruch auf Sprachmittlung bei Inanspruchnahme von Leistungen im Gesundheitswesen verankert werden.
  4. Von Krankheit, Traumatisierung, Behinderung, Pflegebedürftigkeit Betroffene sowie schwangere, alleinerziehende und ältere Menschen und geflüchtete Kinder müssen – entsprechend ihrem Recht aus der EU-Aufnahmerichtlinie – einen Anspruch auf alle aufgrund ihrer besonderen Situation erforderlichen zusätzlichen Leistungen erhalten (insbesondere nach SGB IX, SGB VIII u.a.).
  5. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sind als Geldleistungen
    auszugestalten

Die Liste der unterzeichnenden Organisationen finden Sie hier und eine umfangreiche Stellungnahme und Analyse zu Asylbewerberleistungsgesetz, Hartz IV und Bürgergeldgesetz finden Sie hier.

Geschichten statt Schokolade

„Friede, Friede denen in der Ferne und denen in der Nähe, spricht Gott; ich will sie heilen.“ (Jesaja 57,19)

Frieden – kaum ein anderes Thema hat die politischen und auch die theologischen Diskussionen dieses Jahr so beschäftigt. Wie reden wir über Frieden? Wie sieht Friedensarbeit aus? Was ist wichtig und was verbietet sich? Was denken Menschen, die Krieg und Gewalt erlebt haben, dazu?

Willkommen zum #friedenAdventskalender!

Bis Weihnachten möchte er Sie und Euch begleiten mit 24 Geschichten, erzählt von Geflüchteten und Unterstützer:innen, die hier mit uns in Hamburg, Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern leben. Sie berichten von persönlichen Erfahrungen mit Frieden und Unfrieden, von der Suche nach innerem Frieden oder der dauernden Zerrissenheit.

Die Erzählungen wollen nicht hinter ihren Türchen bleiben. Die Sehnsucht nach Frieden drängt nach außen, sie will verändern und leben. Diese Sehnsucht in unsicheren Zeiten möchten wir sichtbar machen – und zeigen, was alles dazugehört zu wirklichem Frieden: Nicht nur das Ruhen von Waffen, sondern Freiheit, Gerechtigkeit, Sicherheit. Die Adventszeit lebt ja von Hoffnung darauf, manchmal aller Realität trotzend, oft gegen Widerstände.

Mögen sie also ausstrahlen, die Suchbewegungen nach Frieden von Sara, Wahid, Sorour, Hasib und den weiteren Nachbar:innen bei uns in der Nordkirche. Mögen sie, mögen wir alle mehr Frieden finden und bewirken, dass „Friede auf Erden“ spürbarer wird. Für die Menschen hier, die in Afghanistan, im Iran, der Ukraine, Syrien, Somalia und ach – überall.

Allen Erzählenden danken wir sehr für ihre Offenheit und ihren Mut und den weiteren Mitwirkenden, besonders den Flüchtlingsbeauftragten der Kirchenkreise in der Nordkirche, für ihr Engagement. Den Geschichten wünschen wir viele Leser:innen und dem Adventskalender eine weite Verbreitung. Wir werden uns weiter für den Schutz von Geflüchteten einsetzen und mitwirken an einer Kirche und einer Gesellschaft, die entschieden eintritt für Menschenrechte, die Empathie fördert und ermutigt zu Solidarität – und so auf Frieden hin wirkt. Nicht nur im Advent, aber gerade dann!