Diakonie veröffentlicht Handreichung zum Umgang mit Rechtspopulismus

Das Erstarken rechtspopulistischer Kräfte stellt auch die Wohlfahrtspflege vor neue Herausforderungen: Erzieher, die beim Wickeln auf einen Hakenkreuz-Body stoßen. Pflegeheimbewohnerinnen, die nur von deutschen Pflegekräften versorgt werden wollen. Spenden von Pegida nur für „deutsche“ Obdachlose. Mitarbeitende, die auf Facebook gegen Flüchtlinge hetzen. Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer, die bedroht werden – unerfreuliche Einzelbeispiele aus der Arbeit der Diakonie.Die Diakonie hat dazu am 28. November 2018 in Berlin eine Handreichung zum Umgang mit Rechtspopulismus vorgestellt. „Sie richtet sich an alle, die in der Diakonie jeden Tag engagiert an der Seite der Menschen arbeiten“, sagt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. „Das Erstarken rechtspopulistischer Kräfte stellt auch die Diakonie vor neue Herausforderungen. Wir dulden in unseren Einrichtungen keinen Rassismus oder Antisemitismus, keine Ausgrenzung oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, erklärt der Diakonie-Chef weiter. “Die Diakonie bleibt bei ihrem christlichen Selbstverständnis und an der Seite der Schwachen und Benachteiligten“, sagt Lilie. Die Angebote der Diakonie stehen allen Menschen offen, unabhängig von Hautfarbe und Geschlecht, Weltanschauung und Religion. Mit der Handreichung will die Diakonie ihren Mitarbeitenden helfen, angemessen auf Provokationen und Tabubrüche – auch aus den eigenen Reihen – zu reagieren. „Die Frage ist doch, wo müssen wir klare Grenzen setzen, und an welcher Stelle können wir gelassen bleiben, um den Populisten nicht in die Hände zu spielen?“, fragt Lilie.

https://hamburgasyl.de/wp-content/uploads/Umgang-mit-Rechtspopulismus.pdf

Engagiert statt nur besorgt

Postkarten-Aktion wirbt um „Verfassungsschützer“ und „Volle Kanne Selbstvertrauen“

50.000 Postkarten werden ab 22. November als CityCards in über 290 Standorten von Hamburg, Norderstedt, Wedel und Pinneberg verteilt: Sie werben überwiegend in Restaurants um Spenden für die Unterstützung notleidender Menschen. „Engagiert statt nur besorgt“ heißt die Kampagne. Hauptamtliche MitarbeiterInnen diakonischer Einrichtungen haben den Spenden-Aufruf gemeinsam entwickelt. In Hamburg wenden sich „Patchwork – Beratungsstelle für Frauen in Häuslicher Gewalt“, und „fluchtpunkt“, die kirchliche Beratungsstelle für Flüchtlinge, mit dem Aufruf an die Öffentlichkeit.

„Den Schutz der Verfassung überlassen wir nicht dem Verfassungsschutz“. Mit dieser Postkarte ruft „fluchtpunkt“ auf zu finanzieller Unterstützung seiner Rechtsberatung für Flüchtlinge. Fluchtpunkt bietet Flüchtlingen eine kostenlose Rechtshilfe, arbeitet unabhängig von staatlichen Stellen und ist auf Spenden angewiesen. „Wir vertreten die Klientinnen und Klienten vor Behörden und Gerichten. Das ist in dieser Form ziemlich einmalig“, erklärt Leiterin Anne Harms. Die Arbeit erfordert eine hohe Spezialisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und viel Zeit in jedem einzelnen Fall. Die Arbeit ist deshalb vergleichsweise teuer, aber sehr erfolgreich. Leiterin Anne Harms: „Das Grundrecht auf Asyl ist ein Kernbestand unserer Verfassung. Leider wird es durch Schnellverfahren, Verschärfung der Beweislast und Deklarierung sicherer Herkunftsländer mehr und mehr ausgehöhlt. Es wird schwerer, den Verfolgten und Bedrohten zu ihrem Recht zu verhelfen und so die Verfassung zu schützen. Diesen Schutz der Verfassung überlassen wir nicht dem Verfassungsschutz. 50 Euro finanzieren eine Rechtsberatung. Wer spendet, wird auf diese Weise zum  Verfassungsschützer.

„Volle Kanne Selbstvertrauen“ heißt die Postkarte von „Patchwork“. Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle für Frauen in Häuslicher Gewalt haben den Slogan entwickelt. Sie beraten seit 21 Jahren Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind. Viele Ehrenamtliche sind von neun bis 19 Uhr telefonisch erreichbar. Die Grundausstattung finanziert der Träger, das Diakonische Werk Hamburg-West/Südholstein. Für einen einladenden Cafébetrieb des Beratungscafés in Hamburg-Ottensen mit Personal und Getränken sucht Patchwork Spender. In einer angenehmen Atmosphäre kann der geschützte Gesprächsraum Vertrauen schaffen. „Frauen in häuslicher Gewalt brauchen viel Unterstützung, um in ihrem Selbstwert gestärkt zu werden“, sagt Mitarbeiterin Annette von Schröder. „Der Schritt in das Patchwork-Café ist auch ein Schritt aus der Gewaltspirale. 50 Euro finanzieren eine Stunde Cafébetrieb. Schenken Sie volle Kanne Selbstvertrauen.

Das Diakonische Werk Hamburg-West/Südholstein unterstützt die Postkarten-Werbung. Andrea Makies, kaufmännische Geschäftsführerin: „Wir würden uns freuen, wenn viele Menschen die Postkarten entdecken, mitnehmen und die Kontonummer für eine Spende an die Einrichtung nutzen.“  Eine Internet-Seite www.engagiert-statt-nur-besorgt.de bietet online Spendenformulare und Informationen über den Spendenzweck.

 

Kontakt für die Presse:

 

fluchtpunkt – Kirchliche Beratungsstelle für Flüchtlinge in Hamburg“:
Anne Harms, Leiterin – info@fluchtpunkt-hamburg.de – Tel. (040) 43 25 00 80
Eifflerstraße 3 – 22769 Hamburg

 

 

 

Patchwork – Beratungsstelle von Frauen für Frauen gegen Gewalt:
Annette von Schroeder, info@patchwork-hamburg.org  –  Tel. (040) 38 61 08 43
Bahrenfelder Straße 255 – 22765 Hamburg

 

 

 

Diakonisches Werk Hamburg-West/Südholstein (Träger der Einrichtungen):
Andrea Makies, Kaufmännische Geschäftsführerin – Tel. (040) 58 95 01 20

Fotos: Postkarten für „fluchtpunkt“ und „Patchwork“.  Fotos: Archiv Diakonisches Werk Hamburg-West/Südholstein

Menschenrechte statt Grenzen schützen!

Vom 9. bis 11. November 2018 fand in Hamburg die Jahrestagung der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche statt. Unter dem Titel „Kirchenasyl zwischen Institution und Bewegung“ kamen über 100 TeilnehmerInnen aus ganz Deutschland  zusammen, um die Auswirkungen der aktuellen Abschottungspolitik und der neuen Sanktionen gegen das Kirchenasyl zu diskutieren.

„Wir brauchen als Kirchenasylbewegung die Vernetzung und den Austausch untereinander. Einerseits als Bestärkung und Ermutigung nach innen, andererseits, um weiterhin entschlossen für das Kirchenasyl einzutreten.“, so Dietlind Jochims, Vorsitzende der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Asyl in der Kirche. „Anstatt anzuerkennen, dass das Dublin-System gescheitert ist, wird den Kirchengemeinden vorgeworfen, sich nicht an die Regeln zu halten. Es geht uns um eine Würdigung jedes Einzelfalls. Das geht in der aktuellen Diskussion um oft unter.“ In Workshops, Vorträgen und Podiumsdiskussionen widmeten sich die Teilnehmenden der Tagung den Entwicklungen im deutschen und europäischen Asylrecht, dem gesellschaftlichen Diskurs um Migration und Flüchtlinge, sowie Fragen rund um das Kirchenasyl.

Ausgehend von den Diskussionen während der Tagung veröffentlichte die BAG Asyl in der Kirche eine Abschlusserklärung  mit deutlicher Kritik an der derzeitigen europäischen Asylpolitik. Dietlind Jochims dazu: „Bei jedem Kirchenasyl geht es um eine individuelle Härte. Mit jedem Kirchenasyl wird aber auch das Bild eines europäisches Asylsystems deutlicher, das vollkommen unterschiedliche Standards und Anerkennungsquoten in den einzelnen Mitgliedsstaaten hat. Von Humanität und Achtung der Menschenwürde ist in dieser Asyllotterie wenig zu spüren.“

Die Abschlusserklärung ist hier als PDF Datei zu finden.

Dietlind Jochims
Vorsitzende der Ökumenischen BAG Asyl in der Kirche e.V.
dietlind.jochims@oemf.nordkirche.de

„Solidarity First“

Die Diakonie Deutschland hat gemeinsam mit der Kirchlichen Kommission für Migranten in Europa (CCME) von 15.-20.10.2018 die 15. Europäische Asylrechtskonferenz ausgerichtet. Etwa 150 Teilnehmende aus 16 europäischen Ländern aus dem kirchlichen und nicht-kirchlichen Kontext haben sich auf Chios und in Athen unter dem Konferenztitel „Solidarity First – Reclaiming the values and principles of Europe” versammelt.

Auf Grundlage der Diskussionen und Erkenntnisse aus den Exkursionen u.a. in dem Hotspot Vial und anderen Flüchtlingslagern in Griechenland forderten die Konferenzteilnehmer in ihrer Abschlusserklärung am 20.10.2018:

  • Die Beendigung des Hotspot-Ansatzes, sowohl in seiner bestehenden Form als auch als Vorlage für ein zukünftiges EU-Asyl-Regime.
  • Den sofortigen Transfer der Asylsuchenden von den Inseln auf das griechische Festland sowie die sofortige Verbesserung der Aufnahmebedingungen auf den Inseln. Die Verantwortung hierfür sehen wir gleichermaßen bei den europäischen und den griechischen Behörden.
  • Die Beendigung der Externalisierungsstrategie der EU zugunsten einer gemeinsamen Asylpolitik (GEAS), die in Bezug auf Aufnahme und Ablauf, Zugang zum Verfahren und Teilung der Verantwortung zwischen allen Partnern hohe Standards erfüllt.
  • Die Einrichtung sicherer Zugangswege nach Europa für Schutz und aus anderen Gründen, beispielsweise der Familienzusammenführung und Arbeitsmigration

Katharina Stamm, juristische Referentin für Europäische Migrationspolitik der Diakonie Deutschland: ”Was wir gesehen haben stellt ein weiteres Mal das Dublin-System in Frage, das Griechenland und andere Länder an den EU-Außengrenzen mit einer überproportionalen Verantwortung allein lässt. Wir sind der festen Überzeugung, dass Europa sein Bekenntnis zu Flüchtlingsschutz erneuern und einen wirklich funktionierenden Solidaritätsmechanismus einführen muss. Sofortige Maßnahmen sind erforderlich, um die untragbaren Zustände für Flüchtlinge in den hotspots zu verbessern.“

Hier die O-Töne der drei OrganisatorInnen:

Participants were shocked by the living conditions housed in the Vial hotspot on Chios, and later condemned the “undignified and humiliating” situation in the conference resolution. They also expressed concern about the impact on local populations of policies keeping asylum seekers at the border of the European Union. “We can only conclude that Europe cannot continue with its asylum policy as-is,” remarked Dr Torsten Moritz, general secretary of CCME. “As churches we want to see this reality of suffering and death replaced by one of solidarity, fellowship, and hope.”

While those gathered in Greece represented a diversity of interests and national contexts, they agreed on a common call for solidarity between member states of the EU and with refugees as guiding principles for a true Common European Asylum System. “What we have witnessed here calls into question the current regime of the Dublin Regulation, which leaves Greece among other countries at the EU external borders with disproportionate responsibility,” remarked Katharina Stamm legal adviser on European Migration Policy of Diakonie Deutschland. “We strongly believe that Europe must renew its commitment to refugee protection, find a truly working solidarity mechanism and do to more to help those arriving in Greece and those welcoming them.”

“The evaluation of the field visits and the information received during the days of the conference highlighted the fact that the hot spot approach can’t be a “best practice for future” European policies on the management of mixed migration arrivals,” said the CCME Vice Moderator Efthalia Pappa from the church of Greece. “Durable solutions regarding reception, asylum procedures and return policies need to be in conformity with the European acquis and Member States need to implement effectively the core fundamental principles of solidarity and burden sharing,” she added.

Hier können Sie die Abschlusserklärung der Konferenz auf deutsch und englisch, die Presseerklärung von CCME vom 22.10.2018 sowie die Agenda der 15. Europäischen Asylrechtskonferenz herunterladen. Weitere Informationen finden Sie hier: https://info.brot-fuer-die- welt.de/blog/ein-weiterso- darf-es-nicht-geben

Wir sind mehr!

Die letzten Wochen zeigte sich ein buntes Bild auf den Straßen Hamburgs und vieler andere Städte in Deutschland. Tausende Menschen, die den Aufrufen folgten und sich gemeinsam bewegten, um für sichere Fluchtrouten und gegen rechte Tendenzen zu demonstrieren. Sie waren laut, bunt, stark und mehr!

Es bewegt sich was, wenn alle zusammen für Geflüchtete und ihr Recht auf Leben eintreten. Wenn die Politik auf ihre tödliche Ignoranz aufmerksam gemacht wird und wenn wir nicht müde werden, lauter, bunter, stärker und mehr zu sein, als die, die für Abschottung und Tod sind.

Seebrücke

Am 02. September 2018 kamen über 16.000 Menschen zur Demonstration des Bündis Seebrücke zusammen. Die Initiative entstand spontan, als das Seenotrettungsschiff „Lifeline“ im Juni mit 234 Menschen an Bord am Einlaufen in einen Hafen gehindert worden war. Während die Zahl der Menschen, die im Mittelmeer ihr Leben verloren haben, bereits im Juni bei über 1.200 lag (im Oktober sind es bereits über 1.800 Menschen), wurden immer mehr Schiffe der privaten Seenotretter*innen in europäischen Häfen festgesetzt und Kapitäne vor Gericht angeklagt.  Unter der Ansage „Wenn die europäischen Regierungen in der Flüchtlingsfrage versagten, liege es an den Städten zu handeln“ ruft das Bündnis Seebrücke in deutschen Städten seit Juli zu Demonstrationen auf.

Auch die Wohlfahrtsverbände der katholischen und evangelischen Kirche, Caritas und Diakonie, beteiligen sich an der Demonstration „Seebrücke“ in Hamburg. Es müsse ein Zeichen gesetzt werden, dass eine Politik der Angst nicht im Sinne von Christen ist, sagte Caritasdirektor Michael Edele. Kirsten Fehrs, Bischöfin Nordkirche sagte auf der Demo: „Denn wir dürfen nicht unwidersprochen hinnehmen, wenn Menschenwürde verletzt wird, wie jetzt zum Beispiel in Chemnitz. Wir dürfen nicht dulden, dass man Flüchtlinge auf See ertrinken lässt und  auch nicht, dass sie angepöbelt und zusammengeschlagen werden! […] Auf dem Mittelmeer spielt sich eine humanitäre Katastrophe ab, und also brauchen wir Rettungsmissionen – je mehr, desto besser. Schiffe brauchen wir, die dafür geeignet sind, mit ausgebildeten Helfern und niedrigen Bordwänden. Und nötig sind Rechtssicherheit und eine politische Lösung!“

We’ll come united

„Gegen Abschiebung, Ausgrenzung und rechte Hetze – für Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte für alle!“ Unter diesem Slogan rief das Bündnis We’ll come united zur antirassistischen Parade in Hamburg am 29. September 2018 auf. Der Aufruf dieser offenen Initiative wurde vielfach gehört: Fast 30.000 Menschen kamen aus 35 Städten mit Bussen in die Hansestadt um für Schutz und gegen die Abschiebung von Geflüchteten zu demonstrieren. Über 40 individuell gestaltete Trucks mit unterschiedlichem Programm waren unterwegs. Die Liste der Initiativen liest sich bunt: Queers United – Love is not a crime, Stand up against deportation and make noise!, Erdogan not welcome – kein Deal mit der Türkei, Lampedusa in Hamburg – 5 years of resistance!, Romani-Truck from Latveria, Heimat deine Schnauze!, Stoppt das Massensterben im Mittelmeer – Seenotrettung ist kein Verbrechen, Bleibistan – Keine Abschiebungen nach Afghanistan! und Omas gegen Rechts. Das Signal ist deutlich: Wir sind mehr!

#unteilbar

Über 242.000 Menschen gingen zwei Wochen später in Berlin bei der #unteilbar Demonstration auf die Straßen. Am 13. Oktober rief das Bündnis Unteilbar unter dem Motto „Solidarität statt Ausgrenzung – für eine offene und freie Gesellschaft“ auf, und es kamen mehr Menschen als erwartet. Es kamen Menschen und Initiativen aus ganz Deutschland, die mit ihren unterschiedlichen Blickwinkeln für ein gemeinsames Ziel auf die Straße gingen. „Die Initiative zu der Demonstration entstand, weil wir dem zunehmenden Rechtsruck der vergangenen Wochen und Monate etwas entgegenstellen wollen. Wir wollen uns nicht spalten lassen, Menschenrechte sind unteilbar“, sagt Nora Berneis, die Sprecherin der Initiative. In dem Aufruf zur Demonstration heißt es: „Wir lassen nicht zu, dass Sozialstaat, Flucht und Migration gegeneinander ausgespielt werden. Wir halten dagegen, wenn Grund- und Freiheitsrechte weiter eingeschränkt werden sollen.“ Dem schlossen sich über 450 Organisationen, Initiativen, Künstler*innen und Prominente an. Auch Bundesaußenminister Heiko Maas sah in dem Aufruf  „ein großartiges Signal“, denn Deutschland lasse sich nicht spalten, „von rechten Populisten schon gar nicht“.

Wie gehts weiter?

Am 24. Oktober gibt es um 18:30 Uhr ein von dem Bündnis Seebrücke organisiertes „Lichtermeer für sichere Häfen“  in Hamburg: 

Vom 24. – 26.10. findet in Hamburg die Konferenz der Ministerpräsidenten statt. Aus diesem Anlass erinnern wir an den Beschluss Hamburgs, sicherer Hafen für Gerettete und Geflüchtete sein zu wollen.
DEN WORTEN MÜSSEN NUN TATEN FOLGEN, damit das Sterben im Mittelmeer tatsächlich beendet wird.
Nach einer kurzen Kundgebung ziehen wir einmal um die Binnenalster. Bringt Kerzen (windsicher, am besten Grablichter) mit!

Am 05. November finden wieder überall in Deutschland am Seenot-Montag dezentrale Flashmobs der Rettungsboote statt – auch du kannst dabei sein!

Mehr Seenotrettung ist nötig! Die echten Boote liegen fest, aber jeden Montag lassen wir überall Boote nachwachsen, so dass die neue Woche gleich hoffnungsvoll beginnt! Gefaltete, mit Straßenkreide gemalte, auf dem Fahrradgepäckträger herum gefahrene, als Brosche getragene… was immer euch einfällt. Alle Boote tragen eine “Boot”schaft und ergeben zusammen einen dezentralen “Flashmob” aus Booten. Alle können mitmachen, mit viel oder wenig Aufwand, als Gruppenaktion oder alleine auf dem Weg zur Arbeit. Egal ob am Wohnzimmerfenster oder an der Bushaltestelle, ob du nur ein Boot beiträgst oder viele: Hauptsache, viele viele Boote im öffentlichen Raum. Macht Fotos und postet sie mit #seenotmontag, oder macht eure Aktion still und leise. Schreibt Presse an und berichtet. Teilt diese Veranstaltung, übersetzt sie in andere Sprachen oder erstellt eigene lokale Veranstaltungen. Und ganz wichtig: für jede Einzelaktion und evtl entstehenden Dreck oder Müll sind natürlich alle selbst verantwortlich!
#Seenotmontag #seebrücke

#NichtMeineLager

AnkERzentren, Kontrollierte Zentren, Ausschiffungsplattformen – bei der Abwehr von Geflüchteten kennt die gegenwärtige europäische Politik vor allem eine Antwort: Isolation in Lagern.

Wer auf dem Mittelmeer in die Hände der libyschen Küstenwache gerät, dem droht die Verschleppung in eines der berüchtigten libyschen Gefangenenlager.
Wer den griechischen EU-„Hotspot“ Moria auf Lesbos erreicht, sitzt dort unter menschenunwürdigen Bedingungen fest.
Wem die Flucht bis nach Deutschland gelingt, dem drohen bis zu zwei Jahre Isolation in einem AnkERzentrum.
Dieser Entrechtung von Schutzsuchenden und der Entmenschlichung unserer Gesellschaft treten wir entschieden entgegen – das sind nicht unsere Lager!

UNTERSTÜTZEN SIE DIE AKTION VON PROASYL »NICHT MEINE LAGER«!

Für ein offenes und faires Europa! Für die Aufnahme geflüchteter Menschen! Für das Recht auf Schutz und Asyl.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Neue UNHCR-Richtlinien: Abschiebungen sind dringend auszusetzen

UNHCR hat seine neuen Richtlinien zu Afghanistan veröffentlicht und bringt es auf den Punkt: Geflüchtete Afghan*innen können nicht nach Kabul geschickt werden! PRO ASYL forderte die Sammelabschiebung für Dienstag, den 11.09., akut auszusetzen. Entscheidungen über Leib und Leben dürfen diese Erkenntnisse nicht ignorieren. Trotzdem wurde der Abschiebeflug mit rund 20 Personen durchgeführt und ist am Mittwoch morgen in Kabul gelandet.

Das neue 120-Seiten-Papier des UNHCR beschreibt unter detaillierter Quellenangabe, wie sich die Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitäre Lage in Afghanistan weiter verändert hat. Diese Beschreibung verläuft diametral zur derzeitigen Praxis der Abschiebungen nach Afghanistan, konkret nach Kabul. Gerade für die entscheidende Frage der Situation in der Hauptstadt heißt es nämlich, dass dort kein Schutz zu finden ist (S. 114):

»UNHCR considers that given the current security, human rights and humanitarian situation in Kabul, an IFA/IRA [interne Schutz- oder Neuansiedlungsalternative] is generally not available in the city.«

UNHCR beschreibt ausdrücklich die Gefahren, die sich durch die verschärfte Sicherheitslage für Zivilist*innen ergeben (S. 112):

»(…) civilians who partake in day-to-day economic and social activities in Kabul are exposed to a risk of falling victim to the generalized violence that affects the city.«

»In Hinblick auf die gegenwärtige Sicherheits- und Menschenrechtslage, sowie die humanitäre Situation, ist Kabul keine generelle interne Fluchtalternative.«

Die Innenminister der Bundesländer müssen Abschiebungen nach Afghanistan stoppen, Behörden und Gerichte diese neuen Berichte ernst nehmen. Die derzeitige Asylentscheidungs- und Abschiebepraxis widerspricht den Fakten.

Weitere Informationen: ProAsyl

 

Konzepte für das plurale Miteinander

Berlin, 6. September 2018

Zu den Äußerungen von Bundesinnenminister Horst Seehofer, die Migration sei „die Mutter aller politischen Probleme“, sagt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie:

„Die Aufgabe von ,Vater Staat‘ ist es, für das plurale Miteinander politische Konzepte zu entwickeln, statt die Migration als ,Mutter aller politischen Probleme‘ zu beklagen. Mit einer solchen Äußerung stößt Innenminister Horst Seehofer Millionen von Zugewanderten vor den Kopf, die in unserem Land leben und ohne die Deutschland jetzt und auch in Zukunft nicht auskommt.

Wir müssen heute gemeinsam ein Land gestalten, das vielfältiger, älter, digitaler und damit auch ungleicher wird. Dieser Weg ist demografisch längst vorgezeichnet. Die Bundesregierung sollte Ideen liefern, wie Deutschland in zehn Jahren aussehen soll.“

Ein längeres Interview zu Rechtpopulismus, Flüchtlingsaufnahme und Pflegeproblematik finden Sie in der Neuen Osnabrücker Zeitung: https://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/1513221/diakonie-praesident-lilie-eine-gesellschaft-der-egoisten-funktioniert-nicht

Seebrücke Hamburg

Mit der SEEBRÜCKE-Großdemonstration am 2. September 2018 haben wir ein gemeinsames Zeichen gesetzt gegen die Politik der Angst und der Abschottung, wie sie von vielen europäischen Regierungen betrieben wird. Die Demonstration wurde getragen von aktiven Menschen, von Bündnissen und Organisationen aus verschiedenen Bereichen der Zivilgesellschaft und der antirassistischen Bewegung. Bei aller Unterschiedlichkeit sind wir uns einig in drei zentralen Punkten:

1. Das Ertrinkenlassen von Menschen ist falsch und muss aufhören.
2. Seenotrettung ist eine humanitäre Pflicht und kein Verbrechen.
3. Es muss sichere Fluchtwege nach Europa geben.

Wir wollen, dass sich die Hansestadt Hamburg zu diesen Zielen bekennt und entsprechend handelt. Unsere Stadt soll zum SICHEREN HAFEN werden, in dem Gerettete und Geflüchtete Aufnahme finden und in Sicherheit leben können.

Informationen zum Bündnis und weiteren Aktionen finden Sie hier: http://seebruecke-hamburg.de/

Redebeitrag von Heiko Habbe

„Wie eng wir heute auch stehen: Wir stehen immer auf Lücke. Und zwischen uns, da steht die Trauer, steht der Schmerz. Die Trauer um die, die im Mittelmeer ertrunken und in der Wüste geblieben sind, der Schmerz um die, die in libyschen Folterlagern stecken.

Wir trauern um mindestens 1.500 Menschen, die allein in diesem Jahr im Mittelmeer ums Leben kamen. Die starben, weil niemand ihnen zu Hilfe kam. Wie die junge Anwältin Freshta aus Afghanistan, ertrunken Ende März in der griechischen Ägäis mit fast ihrer ganzen Familie, weil eine Rettungsaktion der Küstenwache 24 Stunden zu spät gestartet wurde. Wir trauern um sie und am alle, deren Namen wir nicht kennen.

Wir trauern auch um Daniel Hillig. Er starb vor einer Woche in Chemnitz. Aber unsere Trauer treibt uns nicht dazu, Hass und Hetze zu verbreiten. Unsere Trauer ist Solidarität, Solidarität mit Daniels Familie, mit allen, die sich in Chemnitz und überall den Rechtsextremisten und Rassisten in den Weg stellen. Und zu denen Daniel Hillig auch gehört hätte. Lasst uns heute gemeinsam ein starkes Zeichen dieser Solidarität senden, nach Sachsen und in die ganze Republik. Unser Motto: #HerzStattHetze!

Und dass wir zusammenstehen, ist auch bitter notwendig. Denn ich habe das Gefühl, dass in dieser Gesellschaft zunehmend etwas ins Rutschen kommt. Dass wir uns von gemeinsamen Grundwerten wie Humanität und Rechtsstaatlichkeit zunehmend entfernen.

Wir erleben, dass viele von den Bildern des Sterbens im Mittelmeer so abgestumpft sind, dass ernsthaft darüber diskutiert wird, ob man Schiffbrüchige retten oder es lieber lassen soll. Aber es ist nicht zu ertragen, dass wir Politik auf dem Rücken von Menschenleben machen. Seenotrettung ist unverhandelbar, und sie muss es auch bleiben, weil das Leben jedes Menschen wertvoll ist.

Die Humanität geht uns sonst verloren, und ich habe Sorge, dass wir auch den Rechtsstaat aufgeben. Rechtsstaat ist ja nicht da, wo Behörden maximale Härte zeigen. Sondern da, wo ihre Macht gezügelt wird durch Gesetze und Gerichte. Rechtsstaat ist, wo der Schwache Schutz findet. Und deshalb: Wenn abgeschoben wird um jeden Preis, aus laufenden Verfahren, gegen Gesetz und Gerichtsentscheidung, wenn Menschen hinterher verschwinden oder sich das Leben nehmen: dann geben wir den Rechtsstaat preis. Politiker, die meinen, Gerichte müssten nach dem „gesunden Rechtsempfinden der Bevölkerung“ entscheiden: die geben den Rechtsstaat preis. Eine Polizei, die randalierenden Hooligans und Neonazis die Straße überlässt, die Unbeteiligte nicht vor Gewalttätern schützen kann, die gibt den Rechtsstaat preis. Ein Innenminister, der zu alledem schweigt, der nach zwei Tagen rechter Hetzjagden nicht mehr über die Lippen bringt, als das „Verständnis“ für die „Betroffenheit in der Bevölkerung“, der gibt den Rechtsstaat preis. Und hier müssen wir auch Verantwortlichkeit einfordern, und wir fordern: Herr Seehofer, treten Sie zurück!

Damit das Sterben im Mittelmeer ein Ende hat, fordern wir: Seenotrettung jetzt! Die Schiffe müssen von der Kette, und die Besatzungen dürfen nicht kriminalisiert werden.

Damit das Geschachere um Flüchtlingsaufnahme in Europa ein Ende hat, fordern wir im Hamburger Appell: Hamburg muss zum sicheren Hafen werden! Köln, Bonn, viele Städte, zuletzt Bremen, sind da schon einen Schritt weiter. Herr Tschentscher, öffnen Sie das Tor zur Welt für gerettete Flüchtlinge aus dem Mittelmeer!

Damit der rechte Hass nicht die Oberhand gewinnt, fordern wir die Straße zurück. Wir treten ein für ein buntes, vielfältiges und offenes Deutschland, und wir verlangen von der Politik, dass sie unsere Sorgen mindestens so ernst nimmt wie die der Wut- und Hutbürger.

Das Problem in dieser Gesellschaft heißt nicht Migration. Es heißt Rassismus. Aber #wirsindmehr!“

Kirchenasyl: Menschenrechte gehen vor!

Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V. (BAG) kritisiert eine Verengung der Kirchenasyldiskussion auf formale Aspekte und weist den einseitigen Vorwurf an Kirchengemeinden, sich nicht an Regeln zu halten, zurück. “Eine solche Fokussierung greift wesentlich zu kurz”, sagt die Vorstandsvorsitzende der BAG, Pastorin Dietlind Jochims. “Das zentrale Anliegen von Kirchenasyl ist der Schutz von Menschenrechten, nicht Regelkonformität.”

2015 hatten sich nach einem Streit um das Kirchenasyl das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die Kirchen auf eine Kommunikationsstruktur geeinigt, die gute Lösungen in besonderen Härtefällen ermöglichen sollte. Dabei ging es in erster Linie um Dublin-Kirchenasyle, die Rücküberstellungen innerhalb Europas verhindern sollten. “Wir haben diese Vereinbarung begrüßt. Besondere Härtefälle beim BAMF vorbringen und eine Überprüfung erreichen zu können, das war eine Chance”, so Jochims.

Insofern sei das Einreichen eines Härtefalldossiers wünschenswert und im eigenen Interesse der Kirchengemeinden und Betroffenen: Nur so könne das BAMF die vorgebrachten Umstände sichten und bewerten. Eine Dossierquote von lediglich 50% sei unbefriedigend, so Jochims. Als ein Regelverstoß allerdings könnten in der Vergangenheit nicht eingereichte Dossiers nicht automatisch gewertet werden: Eine Verpflichtung zur Vorlage gab es in der Vereinbarung von 2015 nicht. Für etliche Fälle hatten Kirchen und BAMF bisher außerdem ausdrücklich vereinbart, kein Dossier zu erstellen.

Zum ganzen Bild gehört nach Aussage der BAG ebenfalls: Seit 2016 gibt es deutliche Kritik auch an dem Umgang des BAMF mit der Vereinbarung. Mitte 2016 hatte das Dublinreferat die Bearbeitung der Dossiers übernommen, bis dahin war die Qualitätssicherung des BAMF zuständig. Die Anerkennungsquote für Dossiers ist seit diesem Zuständigkeitswechsel von 80% auf 20% gesunken. Antworten sind oft erschreckend allgemein und pauschal. Individuelle Erfahrungen und humanitäre Gesichtspunkte bleiben unberücksichtigt. An ärztliche Stellungnahmen werden immer höhere Anforderungen gestellt. Jochims: “Wir vermissen Überlegungen, wie diese Defizite im BAMF endlich behoben werden sollen. Eingereichte Einzelfälle qualitativ gut zu überprüfen, das gehört selbstverständlich auch zur Vereinbarung.”

Die BAG bedauert sehr, dass es keine Rückkehr zu guter Kommuniktion und lösungsorientiertem Miteinander gegeben hat. Stattdessen wurde auf Weisung des Bundesinnenministers zum 1. August eine Reihe von Verschärfungen für die Gemeinden und die Menschen im Kirchenasyl eingeführt. “Von dem ursprünglich gemeinsam geäußerten Anliegen, besondere humanitäre Härten für Geflüchtete zu vermeiden, hat man sich mit diesen Maßnahmen leider noch weiter entfernt.”

Ob die Sanktionen rechtlich zulässig sind, wird überprüft werden. Aber auch unter erschwerten Bedingungen werden Kirchengemeinden sich nicht entmutigen lassen. Wir sind froh, dass es Gemeinden gibt, die aus chirstlicher Verantwortung handeln, wenn Menschen durch eine Abschiebung Lebensgefahr oder eine Verletzung ihrer Menschenrechte droht”, sagt Jochims.

Hier finden Sie die Pressemitteilung der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche.