Stellungnahme zum Migrationsgipfel

Am 6. November fand der Migrationsgipfel von Bundeskanzler Scholz und den Ministerpräsident*innen der Bundesländer statt. Die Beschlüsse stellen eine bittere migrationspolitische Wende dar, die sich schon seit Wochen abzeichnet. Das ausgerufene Ziel, „die Zahlen zu senken“, ist angesichts der aktuellen Weltlage menschenrechtlich verwerflich, unseriös und unsolidarisch. „Anstatt eine zukunftsfähige Asyl‑, Aufnahme- und Integrationspolitik zu gestalten – wie vor dem Gipfel von einem zivilgesellschaftlichen Bündnis mit einem Fünf-Punkte-Plan gefordert – wird die aktuelle Politik der Ausgrenzung, Abschiebung und Abschottung weiter gestärkt“ (ProAsyl).

Auch die Diakonie Deutschland kritisiert die geplanten Leistungskürzungen für Asylbewerber*innen. Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland: „Es ist ein Trugschluss, das niedrigere Leistungen oder Bezahlkarten Menschen davon abhalten werden, Schutz zu suchen. Auch wird in der Diskussion vergessen, dass bestimmte Leistungen dazu dienen, zum Beispiel die Integration von Geflüchteten mit Behinderungen zu ermöglichen. Zur kurz in der Debatte kommt jetzt auch: Wir brauchen Zuwanderung und sollten uns deshalb auch um die Verbesserung von regulären Zugangswegen bemühen. Und selbstverständlich brauchen wir eine schnellere und bessere Integration und dafür eben die erforderlichen Mittel. Wer hier gut integriert arbeitet, bereichert unsere Gesellschaft in vielfacher Hinsicht und hilft uns, auch unsere Sozialsysteme zu stabilisieren. Begrüßenswert ist die Idee einer Kommission für Migration, in der auch Kirchen, Gewerkschaften und Organisationen aus der Zivilgesellschaft dringend einbezogen werden sollen. Dieses Erfolgsmodell hat schon 2015 funktioniert und wir fordern schon lange, dass an diese guten Erfahrungen angeknüpft wird. Nur im Zusammenschluss von Politik und Zivilgesellschaft werden wir überzeugende Lösungen finden können.“

Fünf- Punkte-Plan

…für eine funktionierende Asyl-, Aufnahme- und Integrationspolitik

Menschen schützen, Kommunen unterstützen, Chancen nutzen

Positionspapier eines Bündnisses aus zivilgesellschaftlichen Organisationen und Wohlfahrtsverbänden, unter anderem bestehend aus Diakonie Deutschland, PRO ASYL und Caritas:

Aktuelle Herausforderungen bei der Aufnahme geflüchteter Menschen machen mehr denn je deutlich: Es braucht eine gut funktionierende Asyl-, Aufnahme- und Integrationspolitik. Statt Geflüchtete gesellschaftlich und rechtlich auszugrenzen, ist ein Umdenken nötig, um ihre Aufnahme zu meistern und sich unserer Gesellschaft bietenden Chancen zu nutzen. Die derzeitigen Abschottungs- und Abwehrdiskussionen helfen dabei nicht. Sie halten Menschen auf der Flucht auch nicht davon ab, ein Leben in Sicherheit zu suchen.

Was es braucht, sind lösungsorientierte und pragmatische Ideen für eine gute Aufnahme und schnelle Integration. Eine vorausschauende Politik muss für die nächsten Jahre mitplanen.

Im öffentlichen politischen Diskurs vermissen wir faktenbasierte und menschenrechtsgeleitete Vorschläge. Vergessen werden oft die Erfolge der Flüchtlingsaufnahme der letzten Jahre sowie die der Aufnahme von einer Million geflüchteter Menschen aus der Ukraine. Dabei zeigen die Beispiele: Die Gesellschaft kann viel, wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schafft.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“: Dieses Grundrecht sowie das Bekenntnis des Grundgesetzes zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten – wie dem Menschenrecht, Asyl zu suchen – müssen stets Maßstab der deutschen Politik sein. Dies muss auch konsequent für nach Deutschland geflüchtete Menschen gelten und darf nicht in Frage gestellt werden.

Gemeinsam fordert das Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen und Wohlfahrtsverbände von der Bundesregierung und den Landesregierungen folgende Maßnahmen für eine funktionierende Asyl-, Aufnahme- und Integrationspolitik:

  1. Eine zukunftsorientierte Aufnahme für Asylsuchende
  2. Fokus auf Integration und Partizipation
  3. Sozialrechtliche Eingliederung statt Ausgrenzung
  4. Unterstützungsstrukturen erhalten und dem Bedarf anpassen
  5. Eine Sozialpolitik, die alle mitdenkt

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Petition

Die Landes-Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände in Schleswig-Holstein hat im Zuge der Lobbyarbeit gegen die avisierten Bundesmittelkürzungen im Bereich Migration und Flucht eine bundesweite Petition gestartet. 

Petitionstext:

Die Bundesregierung plant große finanzielle Einschnitte im Bereich der Beratung und Begleitung von Neuzugewanderten in Deutschland. 

Vorgesehen sind 30%ige Kürzungen für die Migrationsberatung von erwachsenen Zugewanderten und für die Beratung von Jugendlichen und jungen Zugewanderten, eine 60%ige Kürzung für alle psychosozialen Angebote für Geflüchtete in Deutschland und Kürzungen der Asylverfahrensberatung. 

Dies hätte zur Folge, dass die notwendige Beratung und Begleitung aller Neuzugewanderten in grundlegenden Bereichen in vielen Regionen eingestelllt werden muss. 

In der Folge hätten Neuzugewanderte keinerlei Beratung, Begleitung und Orientierung bei der Integration. 

Dies alles passiert in Zeiten hoher Flüchtlingszuwanderung und führt in der Folge für die Neuzugewanderten zur Orientierungslosigkeit. 

Eine unabhängige Beratung und Begleitung ermöglicht das Verstehen der hiesigen Systeme, unterstützt bei allen notwendigen Schritten wie Spracherwerb, Arbeitsaufnahme, Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse, Kita, Schule, Bildung, Gesundheit , bei allen Behördenangelegenheiten und führt zu einem eigenständigen unabhängigen Leben. 

Wir fordern daher die sofortige Rücknahme der vorgesehenen Kürzungen und die Anpassung der Förderungen an die notwendigen Bedarfe! 

Zur Petition:
https://chng.it/zTshGkmHJq 

Leave no one behind

Flüchtlingsbeauftragte spricht über brutale Realität
Interview mit Pastorin Elisabeth Hartmann-Runge

Das Thema Migration dominiert mal wieder die Nachrichten. Politisch werden auf allen Ebenen Begrenzungen und Abgrenzungen diskutiert. Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie diese Schlagzeilen?

Ich bin sehr lange in diesem „Feld“ unterwegs und habe als Teil des Netzwerkes der Solidarität mit Geflüchteten viele Migrations- und Asyldebatten mit verfolgt. Ich habe dabei gelernt, dass es zuerst um die Auseinandersetzung mit Fakten und die Analyse von Interessenlagen und dann um sachliche Argumentation und Positionierung geht. Natürlich berührt die Vehemenz, mit der der Fokus der aktuellen Debatte auf der Abgrenzung und Grenzsicherung gegenüber Schutzsuchenden liegt, auch meine Gefühle. Vieles sind wirklich Schlag-Zeilen, in denen das komplexe Geschehen von Flucht und Migration reduziert und mit kriminalisierenden Untertönen und Schuldzuweisungen versehen wird. Das macht mich wütend, traurig, fassungslos.

Es kostet Kraft, genau hinzusehen und hinzuhören. Ich bin aber froh, dass ich diese Gefühle mit anderen teilen und mit ihnen zusammen Widerspruch zum Ausdruck bringen kann. Das gibt auch neue Kraft.  Und es motiviert mich zu wissen, dass es in vielen europäischen Ländern solche Initiativen gibt. Zum Teil haben sie es viel schwerer als wir hier.

Das gesamte Interview gibts es hier: http://www.nordkirche.de/nachrichten/nachrichten-detail/nachricht/fluechtlingsbeauftragte-ich-hoere-von-brutaler-entwuerdigender-behandlung

Recht auf Familiennachzug

Diakonie Deutschland, 20. September 2023: Tausende nach Deutschland geflüchtete Kinder leben getrennt von einem oder beiden Elternteilen oder von ihren Geschwistern; Eltern leben getrennt von ihren Kindern oder Ehepartner*innen. Dabei haben sie ein Recht auf Familiennachzug, aber gesetzliche und bürokratische Hürden verhindern immer noch die Umsetzung.

Bisher ist noch keine Änderung erfolgt: Die Diakonie Deutschland fordert deswegen die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen am heutigen Weltkindertag in einem gemeinsamem Statement von insgesamt 33 Organisationen erneut auf, den Koalitionsvertrag und das Recht auf Familiennachzug jetzt umzusetzen. Kinder und ihre Familien können nicht länger warten!

Unser heutiger Apell findet sich hier.

Konkret fordern wir die nachfolgenden Reformen (detailliert beschrieben im Statement von 2022):

  1. Den Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wiederherstellen.
  2. Den Rechtsanspruch für Geschwister beim Elternnachzug zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten verankern.
  3. Die EuGH-Urteile aus 2022 bezüglich des Zeitpunkts der Minderjährigkeit für volljährig werdende und bereits im Verfahren volljährig gewordene Minderjährige umsetzen.
  4. Administrative Hürden im Visumsverfahren durch digitale Antragstellung und ausreichende Finanzierung abbauen.
  5. Das Erfordernis von Sprachkenntnissen vor der Einreise generell abschaffen.

Social Media Kampagne:
Instagram
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Abschiebestopp Iran verlängert

Am 18. August hat die Innenministerkonferenz im Umlaufverfahren beschlossen, den Abschiebestopp in den Iran (mit Ausnahme von speziellen Fällen) zu verlängern.

Dazu wurde jüngst ein Erlass des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz an die Ausländerbehörden bekannt:

Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) hat sich mit ihrem Umlaufbeschluss vom 18. August 2023 darauf verständigt, dass angesichts der gegenwärtigen Menschenrechtslage im Iran bis zum 31. Dezember 2023 keine Abschiebungen in die Islamische Republik Iran durchgeführt werden.

Ich ordne daher die Aussetzung von Abschiebungen in die Islamische Republik Iran gem. § 60a Abs. 1 AufenthG bis zum 31. Dezember 2023 an.

Nach sorgfältiger Einzelfallprüfung soll die Rückführung von Gefährdern und Personen, die schwere Straftaten begangen haben, sowie Personen, bei denen das Ausweisungsinteresse besonders schwer wiegt, und Ausreisepflichtigen, die hartnäckig ihre Mitwirkung an der Identitätsfeststellung verweigern, weiterhin durchgeführt werden.

Siehe auch Mitteilung des Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westphalen: https://www.kommunen.nrw/informationen/mitteilungen/datenbank/detailansicht/dokument/imk-beschluss-zu-abschiebungsstopp-iran.html

40 Jahre Kirchenasyl

Vom 30.-31. August waren einige von Hamburgasyl Teil der 40-Jahre Kirchenasyl Jubiläumskonsferenz. Seit nunmehr 40 Jahren ist die Kirchenasylbewegung in Deutschland aktiv. Wir kämpfen mit geflüchteten Menschen für gerechten Zugang zu Sicherheit und Schutz. Am 30. Und 31. August 2023 gedachten wir der Anfänge in den 1980er Jahren, diskutierten über unsere aktuelle Praxis und tauschen uns mit Freund*innen aus der internationalen Sanctuary-Bewegung aus.

In den eröffnenden Worten stellt Dietlind Jochims, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche und Teil unseres hamburger Netzwerks fest:

"Unsere Jubiläen haben immer etwas Ambivalentes. Sie sind stärkend und motivierend. Es ist gut, dass wir hier auch kontrovers diskutieren und neue Aspekte bedenken können. Dass wir kluge Gedanken prominent in die Öffentlichkeit bringen können. Dass wir voneinander lernen können, besonders auch von den Erfahrungen aus dem internationalen Sanctuary Movement. Wir sind viele. Gleichzeitig ist es erschütternd, wie viele Kirchenasyle es immer noch geben muss, damit Würde und Rechte zumindest für Einzelne in einem inzwischen vollständig dysfunktionalen Dublinirrsinn etwas repariert werden."

Hier einige visuellen Eindrücke von der Jubiläumstagung in der Heilig-Kreuz-Kirche in Berlin:

Neue „sichere“ Herkunftsländer

Georgien und Moldau sollen künftig als sichere Herkunftsländer gelten, das hat die Ampel-Regierung heute auf ihrer Kabinettsklausur in Meseberg beschlossen. So sollen Abschiebungen erleichtert werden. Im Voraus hat PRO ASYL eine Presseerklärung heraus gegeben und das Vorhaben kritisiert.

**Neue „sichere“ Herkunftsländer: Was nicht sicher ist, wird sicher gemacht* * * *

Der Einstufung Georgiens und der Republik Moldau als sogenannte sichere Herkunftsländer stehen verfassungsrechtliche Einwände entgegen, da es unter anderem keine landesweite Sicherheit und keine Sicherheit für alle Gruppen gibt. PRO ASYL hat hierzu eine ausführliche Stellungnahme verfasst.

In beiden Ländern gibt es abtrünnige Regionen, die von Russland kontrolliert werden. Somit besteht den Ländern keine Sicherheit im ganzen Land. Außerdem wird nicht auf die Gefahr des zunehmenden russischen Einflusses eingegangen und auch nicht auf die geänderte geopolitische Gefahrenlage seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Auch die jüngsten Rückschritte bezüglich Demokratie und Rechtsstaat in Georgien werden nicht berücksichtigt. In Georgien wird die LGBTIQ+-Community stark unter Druck gesetzt und der Staat schützt sie nicht vor gewaltsamen Übergriffen. Auch die Lage der Pressefreiheit ist sehr kritisch zu bewerten. In Moldau werden Rom*nja stark ausgegrenzt und diskriminiert. Dies kann eine kumulative Verfolgung darstellen.  

Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL: „Um die Idee der Abschottung voranzutreiben, ist der Ampelregierung anscheinend jedes Mittel recht. Auch das Hinwegsetzen über höchstinstanzliche Urteile. PRO ASYL lehnt dieses Konzept der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten ab, es widerspricht der Ursprungsidee des Asylrechts, welches eine individuelle detaillierte Prüfung zur Grundlage hat, und wird schwerwiegende Folgen für betroffene Menschen haben.“   Zudem wurde der Referentenentwurf mit einer Stellungnahmefrist von weniger als 48 Stunden an die Verbände geschickt. Ein Prozess, der gute Gesetzgebung unterstützen soll, wird so zur Farce.   „Hier wurde aus politischem Kalkül heraus versucht, kritische Stimmen ruhigzustellen. Dies ist aus Sicht von PRO ASYL inakzeptabel“, so Alaows weiter.

PRO ASYL fordert das Bundesinnenministerium auf, den Gesetzentwurf zurückzuziehen und auf das Abschreckungs- Konzept der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten grundsätzlich zu verzichten.  

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil von 1996 festgelegt, dass die Einstufung als „sichere Herkunftsstaaten“ erfordert, dass in jenem Staat eine gewisse Stabilität und hinreichende Kontinuität der Verhältnisse bereits eingetreten ist und deshalb weder Verfolgungshandlungen noch unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Bestrafung stattfinden. Der Gesetzgeber ist zudem verpflichtet, eine gründliche antizipierte Tatsachen- und Beweiswürdigung der verfügbaren Quellen vorzunehmen, wenn er einen Staat als sicher listen wolle. Zudem dürfen nur solche Staaten als sichere Herkunftsstaaten gelten, in denen Sicherheit vor Verfolgung „landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen“ besteht.

Pressemitteilung Nordkirche

In der Nacht zum Donnerstag (3. August 2023) wurde eine Patientin aus der Psychiatrischen Klinik Rickling abgeschoben. Die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Dietlind Jochims, bezeichnet diesen Vorgang als „einen Skandal“.

Hamburg (jd/dds) In der Nacht zum Donnerstag (3. August) wurde eine Frau aus Tunesien, die sich als Patientin in der Psychiatrischen Klinik Rickling (Kreis Segeberg) aufgehalten hat, abgeschoben. „Dass eine Abschiebung aus einer laufenden Behandlung im Krankenhaus erfolgt, ist ein Skandal“ erklärt Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche). „Zusätzlich alarmiert uns, wenn in einer kirchlichen Einrichtung die Patientensicherheit nicht gewährleistet scheint.“ Gemeinsam mit den Flüchtlingsbeauftragten in den Kirchenkreisen fordert Jochims eine gründliche Untersuchung der Recht- und Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme.

Schutzraum Krankenhaus darf nicht angetastet werden

Außerdem brauche es eine über den Einzelfall hinaus wirksame Klärung und Sicherheit für Patientinnen und Patienten sowie für Beschäftigte in Kliniken, so Jochims. Hier sei ein Erlass hilfreich, wie es ihn in anderen Bundesländern gibt: Ausländerbehörden in Rheinland-Pfalz und Thüringen zum Beispiel dürfen dort keine Abschiebungen aus Krankenhäusern mehr vornehmen. „Der Schutzraum Krankenhaus ist eine Voraussetzung für die Gesundung und darf nicht angetastet werden“, fordert die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche.

Bei Folgeabschiebung droht Gefahr für Leib und Leben

Die Tunesierin Mariem F. war aufgrund ihrer Homosexualität in ihrem Herkunftsland verfolgt worden und hatte zuerst in Schweden Schutz gesucht. Dort wurde ihr Asylantrag abgelehnt und die Abschiebung in das Herkunftsland angekündigt. Daraufhin floh Mariem F. nach Deutschland. Hier wurde im Rahmen der Dublin III-Verordnung die Zuständigkeit Schwedens festgestellt und die Rückführung angekündigt. Nach einem Suizidversuch befand sich Mariem F. im Juni und jetzt seit Mitte Juli in stationärer Behandlung in der Psychiatrischen Klinik Rickling. Sie ist inzwischen in Schweden angekommen. Dort erwartet Mariem F. die weitere Abschiebung in ein Land, in dem ihr als lesbische Frau Gefahr für Leib und Leben droht.

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Frag Dr. Sommer!

Am 26. und 27. Juni fand zum 23. Mal das Flüchtlingssymposium in der evangelischen Akademie in Berlin statt. Unter dem Titel „An Europas Grenzen und in Deutschland. Flüchtlingsschutz als Kern unserer Werte“ diskutierten wir mit Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft. Es ging um aktuelle Fragen zum Flüchtlingsschutz, wie des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, Aufnahme in den Kommunen und Umsetzung des Koalitionsvertrags.

Im Rahmen des Abschlusspanels übergab Dietlind Jochims, stellvertretend für die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche zuvor gesammelte Fragen an Dr. Sommer, Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. In den zahlreichen Fragen geht es vor allem um die aktuelle Entscheidungspraxis des BAMF zu Dublin Rückführungen u.a. nach Litauen, Kroatien oder Italien und über die von den Kirchengemeinden eingereichten Härtefalldossiers.
In den Härtefalldossiers begründen die Gemeinden den jeweiligen Einzelfall und legen die besondere Härte dar. Selbst in Fällen, in denen eine Trennung von Ehepaaren drohte oder Menschen brutale Push-Backs an den EU-Grenzen erlebt haben, lehnte das BAMF die Möglichkeit ab, dass Menschen für ihr Asylverfahren in Deutschland verbleiben konnten. Diese Entscheidungspraxis verstört nicht nur die Gemeinden, sondern auch uns als Beratungsstellen, Kirche und Netzwerk.

Von Dr. Sommer wollten wir wissen:

Halten sie es für realistisch, was Sie Menschen nach Pushbacks und Gewalterfahrungen antworten, nämlich: Es ist zu erwarten, dass diese sich zur Beschwerde an die zuständen Vorgesetzten in Kroatien wenden?

Warum übt das BAMF selbst dann keinen Selbsteintritt aus, wenn es um Staaten geht, in denen Geflüchtete nach Urteil des EuGH nicht im Einklang mit EU-Recht behandelt werden z.B. Litauen?

Und was sind eigentlich ihre Kriterien eines Einzelfalls?

Herr Sommer hat die vielen Fragen mitgenommen und wir sind auf seine Antworten gespannt.

Wir werden weiterhin für die Rechte für Menschen auf der Flucht einstehen und auch das Bundesamt daran erinnern, dass Menschenrechte die Grundlage jedes staatlichen Handelns darstellen müssen.