Pressemitteilung

Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft Kirchliche Flüchtlingsarbeit „hamburgasyl“ vom 12.08.2022: Geflüchtete aus der Ukraine in die Obdachlosigkeit geschickt

Hamburg schickt Geflüchtete aus der Ukraine nun immer öfter in die Obdachlosigkeit. Betroffen sind vor allem Menschen, die aus Drittstaaten kommen und in der Ukraine zum Beispiel studiert haben. Die Arbeitsgemeinschaft Kirchliche Flüchtlingsarbeit protestiert dagegen. „Damit bricht die Stadt die Zusagen, die sie diesen Menschen gegeben hat“, so Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche. Im April war das sog. „Hamburger Modell“ beschlossen worden: Drittstaatsangehörige aus der Ukraine sollten, genau wie ukrainische Geflüchtete, ein vorläufiges Aufenthaltspapier für zunächst sechs Monate bekommen. In dieser Zeit sollten sie klären, ob sie z. B. einen Studienplatz oder eine Arbeit finden können.
„Dafür braucht es aber Zeit“, sagt Jochims weiter. Für einen Studienplatz zum Beispiel muss man im Regelfall fließend Deutsch beherrschen und seine ausländischen Schulzeugnisse anerkennen lassen. „Statt den Betroffenen, die sich gerade viel Mühe geben, die Sprache zu erlernen, die sonstigen Voraussetzungen zu erfüllen, die teils Praktika machen, diese Zeit zu geben, sieht es nun so aus, als sollte einem nach dem anderen der Aufenthalt wieder entzogen werden.“ Die Betroffenen würden zur Ausreise binnen weniger Tage, oft nur einer Woche, aufgefordert. „Alle Bemühungen werden damit zunichte gemacht.“
Zusätzlich empört die kirchlichen Flüchtlingshelfer:innen, dass die aus der Ukraine Geflüchteten mit der Entscheidung auch aus ihren Unterkünften verwiesen werden. „Sie bekommen kein Dach über dem Kopf, keinerlei Leistungen, sind von einem Tag auf den anderen mittel- und obdachlos. So kann man mit Menschen, die gerade einem Krieg entkommen sind, nicht umgehen“, kritisiert Heiko Habbe von Fluchtpunkt. Auch wenn sie keine ukrainischen Staatsbürger seien, hätten sie den Krieg doch als Bruch im eigenen Leben erfahren. „Ihre ganze Lebensplanung war von einem Tag auf den anderen hinfällig. Wir sind in der Pflicht, auch diesen Menschen zu helfen, wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Nicht nur, aber auch aus wirtschaftlichen Interessen, weil es hier um angehende Fachkräfte geht.“

Für Presseanfragen steht Ihnen stellvertretend für die Arbeitsgemeinschaft die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche Dietlind Jochims und die Referentin für Flucht Dr. Katherine Braun zur Verfügung:
Pastorin Dietlind Jochims: +49 171 4118333; dietlind.jochims@flucht.nordkirche.de
Dr. Katherine Braun: +49 171 6816001; katherine.braun@flucht.nordkirche.de

Bustour: Menschenrechte auf der Flucht

Das Thema Flucht ist zurzeit doppelt präsent: Die Solidarität mit vor dem Krieg in der Ukraine Fliehenden  ist groß. Geflüchtete aus anderen Ländern sind oft schon auf ihrer Flucht Willkür, Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt. Der Zugang zu den eigenen Rechten wird Vielen verwehrt. Dabei sind Menschenrechte unbedingt und unteilbar! Umso wichtiger, in diesen Zeiten dafür einzustehen.

Die Info- und Aktions-Bustour „Menschenrechte auf der Flucht“ der Flüchtlingsbeauftragten durch die Kirchenkreise der Nordkirche möchte mit Kirchengemeinden, lokalen und regionalen Akteur*innen ins Gespräch kommen und für relevante Themen sensibilisieren und vernetzen.

Ein zentraler Bestandteil der Tour durch Mecklenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein ist die Ausstellung „Grenzerfahrungen“ von Pro Asyl u.a., die an verschiedenen Orten gezeigt wird. Der zeitliche Rahmen ergibt sich durch den 30. Jahrestag der Pogrome von Rostock-Lichtenhagen am 25. August über die interkulturellen Wochen bis zum „Tag des Flüchtlings“ am 30. September.

Mehr Infos, ein Video über die Bustour und das ganze Programm findet ihr hier: https://hamburgasyl.de/mitmachen/bustour-menschenrechte-auf-der-flucht/

Studierende aus Drittstaaten

Geflüchteten drittstaatsangehörigen Studierenden aus der Ukraine eine Perspektive geben!

Pressemitteilung vom 7. Juli: Die allgemeinen Studierendenausschüsse der Universitäten aus Hamburg sprechen sich für die nach Hamburg geflüchteten drittstaatsangehörigen Studierenden aus der Ukraine aus.

Die Hamburger ASten unterstützen seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine die geflüchteten Studierenden, gemeinsam mit dem Verein Asmaras’s World e.V (#beyondevacuation). Diese bereiten wir für die Fortsetzung ihres Studiums in Hamburg vor. Unsere Angebote beinhalten mehrere täglich stattfindende Deutschkurse, Sprachcafés, Studienplatzberatungen, Bewerbungshilfen und eine selbstorganisierte Bettenbörse.

Diese Gruppe der Studierenden erhielt nur eine sechsmonatige Aufenthaltserlaubnis in Hamburg. Das ist für die Studienvorbereitung nicht ausreichend!

Aus diesem Grund haben wir am 06.07.2022 einen offenen Brief an die Hamburger Wissenschafts- und Innenbehörde (Amt für Migration), an alle demokratischen Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft und den Hamburger Senat geschrieben.

Dazu erklärt Sarah Rambatz, Referentin AStA Universität Hamburg: “Wir appellieren an den gesunden Menschenverstand der Abgeordneten aus Hamburg, dass es angesichts des Fachkräftemangels keinen Sinn macht, hochqualifizierte Studierenden aus Deutschland auszuweisen. Sie befinden sich zudem bereits monatelang in studienvorbereitenden Maßnahmen und bringen alle Voraussetzungen für das Studium in Hamburg mit.”

Wir fordern:

–  die zweijährige Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse
–  die Ausfinanzierung der studienvorbereitenden Deutschkurse
–  die Aussetzung des Finanzierungsnachweises zum Studienzweck
–  die Absenkung der Zugangsvoraussetzungen der Hochschulen
–  die Aufenthaltstitel um 16 Abs.1 AufenthG (Studienvorbereitung), §17 AufenthG (Suche eines Studienplatzes) und §16a AufenthG (Berufsausbildung) zu erweitern

Absender:innen:

AStA der HafenCity Universität (HCU) AStA der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW Hamburg) AStA der Hochschule für Musik und Theater (HfMT Hamburg) AStA der Universität Hamburg Fridays For Future Hamburg Junges Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Hamburg Jusos Hamburg Medizin und Menschenrechte Hamburg – AG der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (BVMD) Students For Future Hamburg

Unser Blog – Recht auf Bildung

Das Recht auf Bildung ist festgeschrieben in den Kinderrechtskonventionen und sollte für alle Kinder unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus gelten. In der Praxis sieht die Situation jedoch häufig anders aus. Mehr als die Hälfte der Schulen deutschlandweit zeigen bei illegalisiertem Aufenthalt keinen Weg auf, Kinder in der Schule anzumelden, und auch in jeder zweiten Schulbehörde wird keine positive Aussage zum Schulbesuch getroffen.

Manja Laue von der ökumenischen Arbeitsstelle des Ev.-Luth. Kirchenkreises Hamburg-Ost berichtet auf unserem Blog von der Situation in Hamburg und ihren Erfahrungen.

Auf unserem Blog verfassen wir als hamburgasyl Beiträge zu aktuellen Themen.

Klage auf Gesundheitsversorgung

In Deutschland leben hunderttausende Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus. Sie gehen zur Arbeit, schicken ihre Kinder zur Schule – und haben keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Der Grund ist eine Vorschrift im Aufenthaltsgesetz: Staatliche Stellen müssen Menschen ohne Papiere umgehend an die Ausländerbehörde melden, wenn sie mit ihnen in Kontakt kommen. Die Ausländerbehörde leitet dann die Abschiebung in die Wege. Die Studie der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) “Ohne Angst zum Arzt” zeigt: Die Meldepflicht führt dazu, dass lebensbedrohliche Erkrankungen unbehandelt bleiben. Und sie verletzt Grund- und Menschenrechte.
(Quelle: https://freiheitsrechte.org/gesundheitsversorgung/)

Gemeinsam mit einem Kläger aus dem Kosovo reichten die Gesellschaft für Freiheitsrechte und die Organisation Ärzte der Welt am 10. Mai Klage ein gegen die Stadt Frankfurt um Zugang zu Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere. Der herzkranke Kläger lebt und arbeitet seit 30 Jahren in Deutschland, seit 2017 ohne geregelten Aufenthaltsstatus. Ohne Aufenthaltserlaubnis ist er faktisch von der Gesundheitsversorgung in Deutschland ausgeschlossen. Für eine Behandlung seiner Herzkrankheit muss er beim Sozialamt einen Behandlungsschein beantragen. Das Sozialamt ist verpflichtet, ihn sofort bei der Ausländerbehörde zu melden. Damit würde dem Kläger die Abschiebung drohen.

„Das Recht auf eine medizinische Grundversorgung ist Ausdruck der Menschenwürde und steht allen Menschen zu – unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Es ist ein Armutszeugnis für Deutschland, dass Schwerkranke, Schwangere und Kinder hier faktisch nicht zum Arzt gehen können, wenn sie keinen Aufenthaltstitel haben“, sagt Sarah Lincoln, Juristin und Verfahrenskoordinatorin der GFF. Weiterlesen…

Zur Petition…

Unser Blog – Rumänien

Wie sieht die Situation in Rumänien nach dem Angriffskrieg der Russischen Föderation auf die Ukraine aus?

Sangeeta Fager, Fachreferentin für die transnationale Vernetzung der Diakonie Hamburg arbeitet seit vielen Jahren mit sehr engagierten Kolleginnen und Kollegen aus Rumänien zum Thema Migration – freiwillige Migration im Zusammenhang mit der Suche nach Arbeit und neuen Perspektiven oder unfreiwillige Migration aufgrund von Flucht und Vertreibung. Es ging und geht immer darum, wie Migration sicher gemacht werden kann – denn egal ob freiwillig oder unfreiwillig: Migration macht verletzlich.

Einen Bericht über die Situation in Rumänien und die Arbeit der NGO’s vor Ort finden Sie auf unserem Blog, wo wir als hamburgasyl Beiträge zu aktuellen Themen verfassen.

Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan

Afghanistan: Bundesaufnahmeprogramm wird zur Alibi-Veranstaltung

Auf die Ende April bekanntgemachten Pläne des Bundesinnenministeriums für ein Aufnahmeprogramm Afghanistan reagiert PRO ASYL empört. 

„Ein Bundesaufnahmeprogramm für 5.000 Menschen aus Afghanistan ist lächerlich“, sagt Günter Burkhardt, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation PRO ASYL. „So wird ein Bundesaufnahmeprogramm zur Alibiveranstaltung. Das sind gerade einmal rund 1.000 Fälle, mit Familienangehörigen 5.000 Personen.“

Die Ministerialbürokratie des BMI  unterläuft mit ihren Finanzplanungen den Koalitionsvertrag.  Ministerin Faeser und  Ministerin Baerbock haben wiederholt öffentlich deutlich gemacht, dass die Aufnahme aus Afghanistan für sie eine hohe politische Priorität hat. Bei einem Gespräch mit der Zivilgesellschaft am 9. März wurden von beiden Ministerinnen klare politische Willensbekundungen abgegeben, in Afghanistan Bedrohte zu schützen. Diese werden nun nicht eingelöst. Der Finanzrahmen ist so eng gestrickt, dass die Ziele des Koalitionsvertrages nicht erreicht werden.

Im Koalitionsvertrag heißt es jedoch: „Wir wollen diejenigen besonders schützen, die der Bundesrepublik Deutschland im Ausland als Partner zur Seite standen und sich für Demokratie und gesellschaftliche Weiterentwicklung eingesetzt haben.“

Es ist skandalös, dass nun das Bundesinnenministeriums dem Deutschen Bundestag mitteilt, dass aufgrund der noch fehlenden politischen Einigung auf eine Größenordnung für 2022 und die Folgejahre eine Planung bei einer Kostenkalkulation von 5.000 Personen ansetzt und nur hierfür die finanziellen Mittel fordert.

„Deutschland  zeigt großartige Solidarität mit den Menschen, die aus der Ukraine vor dem Krieg fliehen. Aber die Menschen, die sich in Afghanistan für Menschenrechte und Demokratie eingesetzt haben, werden nun  von Deutschland im Stich gelassen, sollte sich dieser Vorschlag durchsetzen“, warnt Burkhardt. Burkhardt  appelliert an Bundesinnenministerin Faeser, „diese Pläne ihres Hauses einzukassieren“.

Dem Auswärtigen Amt wurden im vergangenen Sommer viele tausend gefährdete Personen gemeldet. Bei Nichtregierungsorganisationen liegen zehntausende von Emails vor, die Anträge der Betroffene auf Schutz wurden vielfach ministeriell nicht bearbeitet. Nur ein Bruchteil wurde für die sogenannte Menschenrechtsliste berücksichtigt.  Was zu tun ist, wurde im  Zehn-Punkte-Plan von PRO ASYL, Kabul Luftbrücke und dem Patenschaftsnetzwerk Afghanistan  zur Aufnahme und Evakuierung Verfolgter Mitte Februar formuliert.

Quelle ProAsyl

Ratsbeschluss Schutzsuchende aus der Ukraine

Der Europäische Rat hat am 3. März einstimmig beschlossen, die Massenzustromsrichtlinie zu aktivieren, um Geflüchteten aus der Ukraine vorübergehenden Schutz zu gewähren. Wichtig: Die Richtlinie muss erst noch in nationales Recht umgesetzt werden.

Der vorübergehende Schutz ist ein Notfallmechanismus, der im Fall eines Massenzustroms von Menschen angewandt werden kann, um Vertriebenen, die nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können, sofort und kollektiv (d. h. ohne vorherige Prüfung von Einzelanträgen) Schutz zu gewähren. Die deutsche Pressemitteilung des Rates ist hier zu finden.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie äußerte sich dazu: „Die Antwort der EU auf die Ukraine zur Frage der Flüchtlingsaufnahme ist eindrucksvoll. Die Konflikte in Bezug auf Rechtstaatlichkeit, Menschenrechte, Umgang mit Geflüchteten und Zivilgesellschaft unter den Mitgliedsstaaten scheinen nun der Vergangenheit anzugehören. Heute wurde ein gemeinsamer humanitärer Schutzstatus für alle Menschen beschlossen, die aus der Ukraine fliehen müssen.

Sehr zu begrüßen ist der pragmatische Umgang mit der Verteilung innerhalb der EU. Die Geflüchteten können ihr Zufluchtsland selbst auswählen, ein absolutes Novum. Sie können sich dahin begeben, wohin sie familiäre oder sonstige Verbindungen haben. Für Innenministerin Faeser ist der Verteilungsschlüssel in der EU zu Recht entbehrlich. Auch die Interessen der Geflüchteten zu berücksichtigen, ist eine langjährige Forderung der Diakonie und vieler anderer. Die Erfahrungen, die wir nun machen, sollte die EU in das Asylsystem übernehmen.“

Abschiebehaftanstalt Glückstadt

Seit August letzten Jahres ist die Abschiebehafteinrichtung in Glückstadt in Betrieb. Das Kooperationsprojekt von Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg soll als Ultima Ratio bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht dienen und sicherstellen, dass sich Menschen dieser nicht entziehen, so die übereinstimmende Haltung der drei Landesregierungen. Demnach soll auch die sogenannte Rückfürungseinrichtung am Hamburger Flughafen in diesem Jahr geschlossen werden. Die ehemalige Marine-Kaserne in Glückstadt wurde unter Schirmherrschaft von Schleswig-Holstein aufwendig und kostenintensiv umfunktioniert und soll für insgesamt 60 Inhaftierte Platz bieten – 20 Plätze für jedes beteiligte Bundesland. Aktuell steht noch nicht die gesamte Kapazität zur Verfügung, da einerseits die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen sein sollen, andererseits sich nicht genug Bedienstete für den Abschiebehaftvollzug finden lassen. Um dies zu ändern hat Schleswig-Holstein eine eigene Ausbildung für Abschiebehaftvollzugsbedienstete geschaffen.

Es ist aus unserer Perspektive zwingend notwendig, Strukturen zu stärken, die den Inhaftierten Menschen rechtlich zur Seite stehen. Nicht zuletzt die aussagekräftige Statistik des renommierten Migrationsrechtsanwalts Peter Fahlbusch zeigt, dass es regelmäßig zu rechtswidrigen Inhaftierungen Ausreisepflichtiger kommt. Demnach waren knapp über 50% aller Mandant:innen von ihm, die sich bundesweit in Abschiebehaftanstalten befanden, zu Unrecht in Haft. Diese hohe Fehlerquote von rechtlichen Entscheidungen zeigt, dass es nötig ist, den betroffenen Menschen eine Lobby zu geben und sie zu unterstützen. Folglich sind wir erfreut, dass die Diakonie Rantzau-Münsterdorf in der Einrichtung die offizielle Sozialberatung übernimmt und Inhaftierten zur Seite steht. Weitere Organisationen und Gruppen, die sich in Glückstadt engagieren sind: Flüchtlingsrat SH, Refugee Law Clinic Kiel, Besuchsgruppe Glückstadt (http://glueckstadtohneabschiebehaft.blogsport.eu/). Auch die Hamburger Law Clinic unterstützt mit ihrer Expertise bei rechtlichen Abschiebehaftberatung in Glückstadt (info@abschiebehaftberatung-hh.de).

 Die Innenministerin von Schleswig-Holstein Dr. Sabine Sütterlin-Waack wirbt mit dem Slogan „Wohnen minus Freiheit“ für die Akzeptanz der neuen Einrichtung und nutzt bewusst Worte wie Bewohnende oder Untergebrachte anstatt Inhaftierte. Es scheint, dass der interessierten Öffentlichkeit und Nachbarschaft ein Bild vermittelt werden soll, das wenig mit der Realität zu tun hat. Dies zeigt sich, wenn man vor der neu hochgezogen 6 Meter hohen Betonwand der Einrichtung steht, über die kein Blick von außen in das Innere der Haftanstalt geworfen werden kann. Noch viel weniger können die Inhaftierten über die Mauer rausschauen geschweige denn rausgehen. Auf dem alten Kasernenareal wurden neben ein paar Sportgeräten vor allem Sicherheitsarchitektur installiert: Zäune, Gitter, Nato-Draht, Kameras, Schlösser und Zellen, darunter auch besonders gesicherte Hafträume z.B. für suizidale Menschen. Den Inhaftierten werden ihre Smartphones bei Aufnahme abgenommen und mit nicht-internetfähigen Handys ausgetauscht, sodass den Menschen erschwert wird, ihre üblichen sozialen Kontakte Aufrecht zu erhalten.

Wohnen hat für uns viele Facetten, aber mitnichten hat der Alltag für Inhaftierte in Glückstadt damit zu tun. Sie sind ausgeschlossen vom gesellschaftlichen Leben, warten auf ihre Abschiebung ins Ungewisse und befinden sich in einem Vollzug, der dem einer Strafhaft ähnelt.
Und genau hier liegt der Knackpunkt: Wir sprechen i.d.R. nicht von verurteilten Staftäter:innen. Wir sprechen von Schutzsuchenden, die sich in Deutschland ein neues Leben aufbauen wollten. 

Mehr Informationen:
Der NDR hat eine dreiteilige Dokumentation veröffentlicht, die eindrucksvoll die Entstehungsgeschichte der Abschiebehafteinrichtung in Glückstadt begleitet und verschiedene Perspektiven auf den Bau der Einrichtung beleuchtet.

Teil 1
Teil 2
Teil 3

Diakonie zum Tag der Migrant*innen

Zum Internationalen Tag der Migrantinnen und Migranten am 18. Dezember

Diakonie: Drei Sofortmaßnahmen zum Schutz der Rechte von Migrantinnen und Migranten in Deutschland

Berlin, 17. Dezember 2021 – Migrantinnen und Migranten brauchen in Deutschland einen besseren Schutz ihrer Menschenrechte.

Dazu fordert die Diakonie von der neuen Bundesregierung drei Sofortmaßnahmen:

1. Deutschland muss endlich der UN-Wanderarbeiter-Konvention beitreten

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland: „Arbeitsmigrantinnen und -migranten leisten einen erheblichen Beitrag zum Wohlstand in Deutschland. Sie sind aber in vielerlei Weise benachteiligt. Die Menschen benötigen umfassend Schutz bei Krankheit oder einem Unfall und einen sicheren Aufenthaltsstatus. Durch den Beitritt zur Wanderarbeiter-Konvention verpflichtet sich der deutsche Gesetzgeber, die Rechte der Menschen zu verbessern, von deren Arbeit die Gesellschaft profitiert. Dies wäre – auch im internationalen Kontext – ein wichtiges Signal.“

2. 24-Stunden-Betreuung in der häuslichen Pflege reformieren und legal gestalten

Die 24-Stunden-Betreuung in der häuslichen Pflege durch osteuropäische Kräfte muss grundlegend reformiert und legal ausgestaltet werden. Eine Betreuung rund um die Uhr durch eine einzige Pflegekraft wurde vom Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 24. Juni als rechtswidrig erklärt. Sie ist ethisch nicht zu verantworten und auch aus pflegewissenschaftlicher Perspektive inakzeptabel.

Maria Loheide: „Die Bundesregierung muss ausbeuterische Beschäftigungsverhältnisse in der häuslichen 24-Stunden-Betreuung unterbinden. Dazu muss sie ein Maßnahmenpaket entwickeln, das die häusliche Versorgung pflegebedürftiger Menschen verlässlich sichert. Für die geschätzt 800.000 Pflege- und Betreuungskräfte in privaten Haushalten müssen dieselben Regeln und Rahmenbedingungen gelten wie für alle anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland auch. Dazu gehören der Mindestlohn und die Begrenzung der Arbeitszeit durch das Arbeitszeitgesetz. Die Praxis ist davon leider weit entfernt.“

3. Arbeitssuchende EU-Staatsangehörige sozial absichern

Arbeitssuchende EU-Staatsangehörige dürfen nicht länger von Sozialleistungen und Kindergeld ausgeschlossen werden. Alle Unionsbürgerinnen und Unionsbürger in Deutschland brauchen die gleichen sozialen Rechte.

Maria Loheide: „EU-Staatsangehörige müssen sozial abgesichert sein, wenn sie sich rechtmäßig zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten. Eine Freizügigkeit zur Arbeitssuche ohne Garantie auf Existenzsicherung wird zum Nährboden für Ausbeutung und Menschenhandel.“

Zum Hintergrund:

Weltweit leben und arbeiten etwa 3,3 Prozent aller Menschen und etwa 4,4 Prozent aller Erwerbstätigen in Staaten, in denen sie nicht geboren wurden. Zurzeit sind weltweit ungefähr 260 Millionen Menschen Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter. Sie

– füllen wichtige Lücken in den Arbeitsmärkten wohlhabender Länder,

– zahlen in die Sozialversicherungssysteme mehr ein als sie in Form von Leistungen erhalten,

– zahlen mehr Steuern als es ihrem Anteil an der Nutzung staatlicher Leistungen entspricht und

– fördern den technologischen Fortschritt in Deutschland.

Eine große Gruppe sind Frauen, die hauswirtschaftliche und pflegerische Arbeiten in anderen Ländern übernehmen, oft ohne Arbeitsverträge, die den rechtlichen Rahmenbedingungen entsprechen. Zu dieser Gruppe gehören bis zu 800.000 Live-in-Kräfte (sogenannte „24-Stunden-Betreuerinnen“), die nach aktuellen Schätzungen zurzeit in Deutschland tätig sind.

Migrantinnen und Migranten brauchen besonderen Schutz ihrer Menschenrechte. Die Vereinten Nationen haben deshalb am 18. Dezember 1990 das Internationale Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen verabschiedet. Die Konvention verlangt von den Vertragsstaaten vorbeugenden Schutz sowie die Verhinderung von Missbrauch und Ausbeutung von Wanderarbeitenden und ihren Angehörigen.

Auch das Ziel 15 des Globalen Migrationspakts, dem sich 2018 Deutschland im Rahmen der Vereinten Nationen politisch verpflichtet hat, verlangt die „Gewährleistung des Zugangs von Migranten zu Grundleistungen“.

Weitere Informationen:

Wissen Kompakt Migrationsfachdienste: https://www.diakonie.de/wissen-kompakt/migrationsfachdienste   

Übersicht über diakonische Angebote der Migrationsberatung: https://hilfe.diakonie.de/hilfe-vor-ort/angebote-fuer-eingewanderte-und-gefluechtete/bundesweit/?text=Migrationsberatung&ersteller=&ansicht=liste