Fünf- Punkte-Plan

…für eine funktionierende Asyl-, Aufnahme- und Integrationspolitik

Menschen schützen, Kommunen unterstützen, Chancen nutzen

Positionspapier eines Bündnisses aus zivilgesellschaftlichen Organisationen und Wohlfahrtsverbänden, unter anderem bestehend aus Diakonie Deutschland, PRO ASYL und Caritas:

Aktuelle Herausforderungen bei der Aufnahme geflüchteter Menschen machen mehr denn je deutlich: Es braucht eine gut funktionierende Asyl-, Aufnahme- und Integrationspolitik. Statt Geflüchtete gesellschaftlich und rechtlich auszugrenzen, ist ein Umdenken nötig, um ihre Aufnahme zu meistern und sich unserer Gesellschaft bietenden Chancen zu nutzen. Die derzeitigen Abschottungs- und Abwehrdiskussionen helfen dabei nicht. Sie halten Menschen auf der Flucht auch nicht davon ab, ein Leben in Sicherheit zu suchen.

Was es braucht, sind lösungsorientierte und pragmatische Ideen für eine gute Aufnahme und schnelle Integration. Eine vorausschauende Politik muss für die nächsten Jahre mitplanen.

Im öffentlichen politischen Diskurs vermissen wir faktenbasierte und menschenrechtsgeleitete Vorschläge. Vergessen werden oft die Erfolge der Flüchtlingsaufnahme der letzten Jahre sowie die der Aufnahme von einer Million geflüchteter Menschen aus der Ukraine. Dabei zeigen die Beispiele: Die Gesellschaft kann viel, wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schafft.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“: Dieses Grundrecht sowie das Bekenntnis des Grundgesetzes zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten – wie dem Menschenrecht, Asyl zu suchen – müssen stets Maßstab der deutschen Politik sein. Dies muss auch konsequent für nach Deutschland geflüchtete Menschen gelten und darf nicht in Frage gestellt werden.

Gemeinsam fordert das Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen und Wohlfahrtsverbände von der Bundesregierung und den Landesregierungen folgende Maßnahmen für eine funktionierende Asyl-, Aufnahme- und Integrationspolitik:

  1. Eine zukunftsorientierte Aufnahme für Asylsuchende
  2. Fokus auf Integration und Partizipation
  3. Sozialrechtliche Eingliederung statt Ausgrenzung
  4. Unterstützungsstrukturen erhalten und dem Bedarf anpassen
  5. Eine Sozialpolitik, die alle mitdenkt

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Petition

Die Landes-Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände in Schleswig-Holstein hat im Zuge der Lobbyarbeit gegen die avisierten Bundesmittelkürzungen im Bereich Migration und Flucht eine bundesweite Petition gestartet. 

Petitionstext:

Die Bundesregierung plant große finanzielle Einschnitte im Bereich der Beratung und Begleitung von Neuzugewanderten in Deutschland. 

Vorgesehen sind 30%ige Kürzungen für die Migrationsberatung von erwachsenen Zugewanderten und für die Beratung von Jugendlichen und jungen Zugewanderten, eine 60%ige Kürzung für alle psychosozialen Angebote für Geflüchtete in Deutschland und Kürzungen der Asylverfahrensberatung. 

Dies hätte zur Folge, dass die notwendige Beratung und Begleitung aller Neuzugewanderten in grundlegenden Bereichen in vielen Regionen eingestelllt werden muss. 

In der Folge hätten Neuzugewanderte keinerlei Beratung, Begleitung und Orientierung bei der Integration. 

Dies alles passiert in Zeiten hoher Flüchtlingszuwanderung und führt in der Folge für die Neuzugewanderten zur Orientierungslosigkeit. 

Eine unabhängige Beratung und Begleitung ermöglicht das Verstehen der hiesigen Systeme, unterstützt bei allen notwendigen Schritten wie Spracherwerb, Arbeitsaufnahme, Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse, Kita, Schule, Bildung, Gesundheit , bei allen Behördenangelegenheiten und führt zu einem eigenständigen unabhängigen Leben. 

Wir fordern daher die sofortige Rücknahme der vorgesehenen Kürzungen und die Anpassung der Förderungen an die notwendigen Bedarfe! 

Zur Petition:
https://chng.it/zTshGkmHJq 

Leave no one behind

Flüchtlingsbeauftragte spricht über brutale Realität
Interview mit Pastorin Elisabeth Hartmann-Runge

Das Thema Migration dominiert mal wieder die Nachrichten. Politisch werden auf allen Ebenen Begrenzungen und Abgrenzungen diskutiert. Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie diese Schlagzeilen?

Ich bin sehr lange in diesem „Feld“ unterwegs und habe als Teil des Netzwerkes der Solidarität mit Geflüchteten viele Migrations- und Asyldebatten mit verfolgt. Ich habe dabei gelernt, dass es zuerst um die Auseinandersetzung mit Fakten und die Analyse von Interessenlagen und dann um sachliche Argumentation und Positionierung geht. Natürlich berührt die Vehemenz, mit der der Fokus der aktuellen Debatte auf der Abgrenzung und Grenzsicherung gegenüber Schutzsuchenden liegt, auch meine Gefühle. Vieles sind wirklich Schlag-Zeilen, in denen das komplexe Geschehen von Flucht und Migration reduziert und mit kriminalisierenden Untertönen und Schuldzuweisungen versehen wird. Das macht mich wütend, traurig, fassungslos.

Es kostet Kraft, genau hinzusehen und hinzuhören. Ich bin aber froh, dass ich diese Gefühle mit anderen teilen und mit ihnen zusammen Widerspruch zum Ausdruck bringen kann. Das gibt auch neue Kraft.  Und es motiviert mich zu wissen, dass es in vielen europäischen Ländern solche Initiativen gibt. Zum Teil haben sie es viel schwerer als wir hier.

Das gesamte Interview gibts es hier: http://www.nordkirche.de/nachrichten/nachrichten-detail/nachricht/fluechtlingsbeauftragte-ich-hoere-von-brutaler-entwuerdigender-behandlung

Recht auf Familiennachzug

Diakonie Deutschland, 20. September 2023: Tausende nach Deutschland geflüchtete Kinder leben getrennt von einem oder beiden Elternteilen oder von ihren Geschwistern; Eltern leben getrennt von ihren Kindern oder Ehepartner*innen. Dabei haben sie ein Recht auf Familiennachzug, aber gesetzliche und bürokratische Hürden verhindern immer noch die Umsetzung.

Bisher ist noch keine Änderung erfolgt: Die Diakonie Deutschland fordert deswegen die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen am heutigen Weltkindertag in einem gemeinsamem Statement von insgesamt 33 Organisationen erneut auf, den Koalitionsvertrag und das Recht auf Familiennachzug jetzt umzusetzen. Kinder und ihre Familien können nicht länger warten!

Unser heutiger Apell findet sich hier.

Konkret fordern wir die nachfolgenden Reformen (detailliert beschrieben im Statement von 2022):

  1. Den Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wiederherstellen.
  2. Den Rechtsanspruch für Geschwister beim Elternnachzug zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten verankern.
  3. Die EuGH-Urteile aus 2022 bezüglich des Zeitpunkts der Minderjährigkeit für volljährig werdende und bereits im Verfahren volljährig gewordene Minderjährige umsetzen.
  4. Administrative Hürden im Visumsverfahren durch digitale Antragstellung und ausreichende Finanzierung abbauen.
  5. Das Erfordernis von Sprachkenntnissen vor der Einreise generell abschaffen.

Social Media Kampagne:
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Abschiebestopp Iran verlängert

Am 18. August hat die Innenministerkonferenz im Umlaufverfahren beschlossen, den Abschiebestopp in den Iran (mit Ausnahme von speziellen Fällen) zu verlängern.

Dazu wurde jüngst ein Erlass des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz an die Ausländerbehörden bekannt:

Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) hat sich mit ihrem Umlaufbeschluss vom 18. August 2023 darauf verständigt, dass angesichts der gegenwärtigen Menschenrechtslage im Iran bis zum 31. Dezember 2023 keine Abschiebungen in die Islamische Republik Iran durchgeführt werden.

Ich ordne daher die Aussetzung von Abschiebungen in die Islamische Republik Iran gem. § 60a Abs. 1 AufenthG bis zum 31. Dezember 2023 an.

Nach sorgfältiger Einzelfallprüfung soll die Rückführung von Gefährdern und Personen, die schwere Straftaten begangen haben, sowie Personen, bei denen das Ausweisungsinteresse besonders schwer wiegt, und Ausreisepflichtigen, die hartnäckig ihre Mitwirkung an der Identitätsfeststellung verweigern, weiterhin durchgeführt werden.

Siehe auch Mitteilung des Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westphalen: https://www.kommunen.nrw/informationen/mitteilungen/datenbank/detailansicht/dokument/imk-beschluss-zu-abschiebungsstopp-iran.html

Neue „sichere“ Herkunftsländer

Georgien und Moldau sollen künftig als sichere Herkunftsländer gelten, das hat die Ampel-Regierung heute auf ihrer Kabinettsklausur in Meseberg beschlossen. So sollen Abschiebungen erleichtert werden. Im Voraus hat PRO ASYL eine Presseerklärung heraus gegeben und das Vorhaben kritisiert.

**Neue „sichere“ Herkunftsländer: Was nicht sicher ist, wird sicher gemacht* * * *

Der Einstufung Georgiens und der Republik Moldau als sogenannte sichere Herkunftsländer stehen verfassungsrechtliche Einwände entgegen, da es unter anderem keine landesweite Sicherheit und keine Sicherheit für alle Gruppen gibt. PRO ASYL hat hierzu eine ausführliche Stellungnahme verfasst.

In beiden Ländern gibt es abtrünnige Regionen, die von Russland kontrolliert werden. Somit besteht den Ländern keine Sicherheit im ganzen Land. Außerdem wird nicht auf die Gefahr des zunehmenden russischen Einflusses eingegangen und auch nicht auf die geänderte geopolitische Gefahrenlage seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Auch die jüngsten Rückschritte bezüglich Demokratie und Rechtsstaat in Georgien werden nicht berücksichtigt. In Georgien wird die LGBTIQ+-Community stark unter Druck gesetzt und der Staat schützt sie nicht vor gewaltsamen Übergriffen. Auch die Lage der Pressefreiheit ist sehr kritisch zu bewerten. In Moldau werden Rom*nja stark ausgegrenzt und diskriminiert. Dies kann eine kumulative Verfolgung darstellen.  

Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL: „Um die Idee der Abschottung voranzutreiben, ist der Ampelregierung anscheinend jedes Mittel recht. Auch das Hinwegsetzen über höchstinstanzliche Urteile. PRO ASYL lehnt dieses Konzept der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten ab, es widerspricht der Ursprungsidee des Asylrechts, welches eine individuelle detaillierte Prüfung zur Grundlage hat, und wird schwerwiegende Folgen für betroffene Menschen haben.“   Zudem wurde der Referentenentwurf mit einer Stellungnahmefrist von weniger als 48 Stunden an die Verbände geschickt. Ein Prozess, der gute Gesetzgebung unterstützen soll, wird so zur Farce.   „Hier wurde aus politischem Kalkül heraus versucht, kritische Stimmen ruhigzustellen. Dies ist aus Sicht von PRO ASYL inakzeptabel“, so Alaows weiter.

PRO ASYL fordert das Bundesinnenministerium auf, den Gesetzentwurf zurückzuziehen und auf das Abschreckungs- Konzept der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten grundsätzlich zu verzichten.  

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil von 1996 festgelegt, dass die Einstufung als „sichere Herkunftsstaaten“ erfordert, dass in jenem Staat eine gewisse Stabilität und hinreichende Kontinuität der Verhältnisse bereits eingetreten ist und deshalb weder Verfolgungshandlungen noch unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Bestrafung stattfinden. Der Gesetzgeber ist zudem verpflichtet, eine gründliche antizipierte Tatsachen- und Beweiswürdigung der verfügbaren Quellen vorzunehmen, wenn er einen Staat als sicher listen wolle. Zudem dürfen nur solche Staaten als sichere Herkunftsstaaten gelten, in denen Sicherheit vor Verfolgung „landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen“ besteht.

Pressemitteilung Nordkirche

In der Nacht zum Donnerstag (3. August 2023) wurde eine Patientin aus der Psychiatrischen Klinik Rickling abgeschoben. Die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Dietlind Jochims, bezeichnet diesen Vorgang als „einen Skandal“.

Hamburg (jd/dds) In der Nacht zum Donnerstag (3. August) wurde eine Frau aus Tunesien, die sich als Patientin in der Psychiatrischen Klinik Rickling (Kreis Segeberg) aufgehalten hat, abgeschoben. „Dass eine Abschiebung aus einer laufenden Behandlung im Krankenhaus erfolgt, ist ein Skandal“ erklärt Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche). „Zusätzlich alarmiert uns, wenn in einer kirchlichen Einrichtung die Patientensicherheit nicht gewährleistet scheint.“ Gemeinsam mit den Flüchtlingsbeauftragten in den Kirchenkreisen fordert Jochims eine gründliche Untersuchung der Recht- und Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme.

Schutzraum Krankenhaus darf nicht angetastet werden

Außerdem brauche es eine über den Einzelfall hinaus wirksame Klärung und Sicherheit für Patientinnen und Patienten sowie für Beschäftigte in Kliniken, so Jochims. Hier sei ein Erlass hilfreich, wie es ihn in anderen Bundesländern gibt: Ausländerbehörden in Rheinland-Pfalz und Thüringen zum Beispiel dürfen dort keine Abschiebungen aus Krankenhäusern mehr vornehmen. „Der Schutzraum Krankenhaus ist eine Voraussetzung für die Gesundung und darf nicht angetastet werden“, fordert die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche.

Bei Folgeabschiebung droht Gefahr für Leib und Leben

Die Tunesierin Mariem F. war aufgrund ihrer Homosexualität in ihrem Herkunftsland verfolgt worden und hatte zuerst in Schweden Schutz gesucht. Dort wurde ihr Asylantrag abgelehnt und die Abschiebung in das Herkunftsland angekündigt. Daraufhin floh Mariem F. nach Deutschland. Hier wurde im Rahmen der Dublin III-Verordnung die Zuständigkeit Schwedens festgestellt und die Rückführung angekündigt. Nach einem Suizidversuch befand sich Mariem F. im Juni und jetzt seit Mitte Juli in stationärer Behandlung in der Psychiatrischen Klinik Rickling. Sie ist inzwischen in Schweden angekommen. Dort erwartet Mariem F. die weitere Abschiebung in ein Land, in dem ihr als lesbische Frau Gefahr für Leib und Leben droht.

Pressemitteilung als pdf

World Refugee Day

– Keine Kompromisse bei Menschenrechten!
– Gleiche Rechte für alle Schutzsuchenden!
– Kein weiterer Abbau von Flüchtlingsrechten in Europa!

Am 26.05.23 feierte Deutschland ein trauriges Jubiläum – 30 Jahre Asylrechtsverschärfung.
Auf Betreiben der CDU-FDP- Regierung schränkte der Bundestag 1993 das Asylrecht drastisch ein. Auch die meisten SPD-Abgeordneten wollten die Zahl Schutzsuchender einschränken und stimmten zu. 3 Tage später starben in Solingen bei einem rassistischen Brandanschlag fünf aus der Türkei stammende Frauen und Mädchen.

In diesen Tagen sind EU und deutsche Regierung dabei, dem deutschen und europäischen Asylsystem und den Rechten der mit Ziel Deutschland fliehenden Menschen den Todesstoß zu versetzen. Das werden wir nicht hinnehmen! Wir rufen daher anlässlich des World Refugee Day am 20. Juni zu Protesten auf!
Trotz einer Aufforderung von PRO ASYL, den Flüchtlingsräten und mehr als 50 Organisationen an die
Bundesregierung zur Abkehr von ihren Plänen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), wurde beim Treffen der EU-Innenminister*innen am 8. Juni 2023 mit Zustimmung von Innenministerin Nancy Faeser (SPD), diese gravierende Deformation des EU-Asylrechts beschlossen. Die Regierung hat damit ihren eigenen Koalitionsvertrag gebrochen. Die erzielten „Kompromisse“ gehen auf Kosten des Flüchtlingsschutzes!

Die Regelungen, auf die sich die EU-Innenminister*innen geeinigt haben, werden schwerwiegende Folgen haben: Unter anderem wurde beschlossen verpflichtende Grenzverfahren einzuführen, das Konzept der „sicheren Drittstaaten“ zu verschärfen und das „Dublin-System“ zu modifizieren. Die EU- Minister machen damit das Asylrecht zum Ausnahmerecht, das nur noch ganz wenige in Anspruch nehmen können:

1. Massiv erschwerter Zugang zum EU-Asylsystem durch Sperrung der Fluchtwege
Die bisher schon unmenschliche Zurückweisung von flüchtenden Menschen an den EU-Grenzen unter Beteiligung der EU-Grenz“schutz“agentur FRONTEX wird besonders im Mittelmeer intensiviert. EU- Staaten legalisieren die gegen EU-Recht verstoßenden Pushbacks. Rettungsschiffe werden durch immer strengere Auflagen daran gehindert Leben zu retten. Es werden sogar die Verbrecher der „Libyschen Küstenwache“ bei der mörderischen Jagd auf Flüchtende unterstützt und finanziert.

2. Das Prinzip der „sicheren Drittstaaten“ und „sicheren Herkunftsländer“
Das Konzept der sogenannten „sicheren Drittstaaten“, also Rückschiebung in Staaten, die Flüchtende auf ihrer Flucht passiert haben und die als „sicher“ erklärt wurden, dient dazu, dass europäische Staaten die Verantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen auslagern. So werden in Griechenland z.B. die Anträge von syrischen, afghanischen und weiteren Asylsuchenden als „unzulässig“ abgelehnt, weil die Türkei für sie sicher sei – obwohl diese massiv nach Afghanistan und auch nach Syrien abschiebt. Hunderte Schutz suchende Menschen vor der griechischen Küste ertrunken! Wir fordern: Dieses Konzept wurde schon vor 30 Jahren ins deutsche Asylrecht eingeführt und ergänzt durch das Prinzip der „sicheren Herkunftsstaaten“. Danach werden Asylanträge von Menschen aus Staaten, die von Deutschen Behörden als „sicher“ eingestuft wurden, von vornherein als unbegründet abgelehnt. Die Liste dieser Staaten soll nun noch ausgeweitet werden.

3. Internierungs-Lager in EU-Nachbarstaaten und Asylverfahren an den Außengrenzen
Geplant ist, Flüchtende in geschlossenen Lagern an der EU-Außengrenze oder in EU-Nachbarstaaten wie Tunesien zu internieren. Befinden sich die Lager auf EU-Territorium, wird so getan, als wenn sie nicht eingereist wären, ihr Asylantrag wird im Eilverfahren geprüft (wobei nicht der Fluchtgrund, sondern Herkunft und Fluchtweg geprüft werden). Bis zu 12 Wochen soll diese „Vorprüfung“ und Internierung dauern. Und die allermeisten werden dann abgeschoben. Den Menschen wird die Möglichkeit genommen, sich rechtlich beraten zu lassen, sie werden von der Außenwelt abgeschirmt. Nicht einmal Familien mit Kindern werden von den verpflichtenden Grenzverfahren ausgenommen – selbst dem Überschreiten dieser roten Linie hat die Bundesregierung zugestimmt und damit vor den Forderungen der EU-Länder mit rechten Regierungen kapituliert.

4. Modifizierte Fortführung der „Dublin-Verordnung“
Die unfairen Zuständigkeitsregelungen der Dublin-Verordnung werden im Prinzip beibehalten. Das gilt insbesondere für das Ersteinreise-Kriterium, nach dem der EU-Staat, in dem ein Geflüchteter zuerst europäischen Boden betreten hat, für sein Asylverfahren zuständig ist. Bisher konnten Menschen aus zentraleuropäischen Staaten wie der BRD innerhalb von 6 Monaten in den Ankunftsstaat zurückgeschoben werden. Das geht vor allem zu Lasten der Schutzsuchenden, die lange auf die Prüfung ihres Asylantrags in der EU warten müssen. Nun wurde beschlossen, dass die Schutzsuchenden (nach der bis zu 12-wöchigen „Vorprüfung“ an der Außengrenze) paritätisch auf die EU-Staaten verteilt werden sollen. Aber die unwilligen Mitgliedsstaaten müssen – trotz der viel beschworenen Solidarität – auch zukünftig keine Flüchtlinge aufnehmen. Stattdessen können sie Geld zahlen, mit dem Grenzsicherungsmaßnahmen finanziert werden: 22.000 € soll ein Mensch auf der Flucht wert sein, den sie nicht aufnehmen wollen! So bekommt der Ausverkauf der Menschenrechte eine buchstäbliche Bedeutung.

Diese Liste der Schäbigkeiten gegenüber Menschen, die sich auf der Flucht nach Europa befinden, wird der Öffentlichkeit auch noch als Lösung der Probleme der deutschen Kommunen bei der Unterbringung und Versorgung geflüchteter Personen verkauft! Dabei wird seit einem Jahr mit der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Aufnahme der Kriegs- geflüchteten aus der Ukraine bewiesen, dass es auch anders, nämlich menschlicher geht. Doch statt diese EU-Richtlinie auf ALLE geflüchteten Menschen in der EU anzuwenden, werden Geflüchtete ohne ukrainischen Pass diskriminiert. Auch das werden wir niemals akzeptieren!
Noch sind die Beschlüsse nicht Gesetz: Das EU-Parlament muss ihnen noch zustimmen.

Wir appellieren an das EU-Parlament, seiner humanitären Verantwortung gerecht zu werden und
an die Bundesregierung, ihren eigenen Koalitionsvertrag ernst zu nehmen:

  1. Für menschenwürdige und faire Asylverfahren: Keine verpflichtenden Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen!
  2. Weg mit dem Drittstaats-Prinzip! Keine neuen „sicheren Drittstaaten“!
  3. Für echte Solidarität in der Flüchtlingsaufnahme: Keine Weiterführung des gescheiterten Dublin-Systems!
  4. Keine Behinderung der Seenotrettung!
  5. Sichere Fluchtwege nach Europa!
  6. Gleiche Rechte für ALLE Schutzsuchenden nach dem Vorbild der Behandlung Geflüchteter mit ukrainischem Pass!


Unterzeichnende Gruppen:

Amnesty International + Bergedorfer Bündnis gegen Rechts + Bunte Hände
+ DFG-VK LV Hbg. + Flüchtlingsrat Hbg. + Freie Deutsch-Syrische Gesellschaft
+ GEW LV Hbg. + hamburgasyl – AG Kirchliche Flüchtlingsarbeit + Hamburger Hilfskonvois
+ Hamburger Bündnis gegen Rechts + NINA womeN IN Action + OMAS GEGEN RECHTS Hbg.
+ RESQSHIP + Sea-Watch + Solidarische Stadt Hbg.
+ Verband deutsch-syrischer Hilfsvereine + VVN-BdA LV Hbg. + WillkommensKulturHaus Ottensen + Wir für Niendorf

Aufruf World Refugee Day

Veranstaltungsprogramm World Refugee Day Rathaus Altona

Pressemitteilung ProAsyl

Bundesverwaltungsgericht bejaht Unverletzlichkeit der Wohnung für Geflüchtete – und schränkt den Schutz durch die Hintertür wieder ein – Bündnis plant Verfassungsbeschwerde

Das Bundesverwaltungsgericht wies heute zwei Klagen geflüchteter Menschen zurück und versagte den Bewohner*innen von Erstaufnahmeeinrichtungen den vollen Schutz ihrer Grundrechte. Das Gericht entschied, dass die Unverletzlichkeit der Wohnung grundsätzlich auch für die Zimmer von Geflüchteten in Erstaufnahmeeinrichtungen gilt. Weiter stellte das Gericht klar: Wie Privatwohnungen dürfen Zimmer von Geflüchteten nur in Fällen einer dringenden Gefahr betreten werden. Das Gericht billigte dennoch die Praxis, Wohnheimzimmer zum Zweck der Abschiebung zu jeder Tageszeit auch ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss zu durchsuchen. Die Klage gegen die Hausordnung in Freiburg, die dem Sicherheitspersonal weite Betretungs- und Kontrollrechte einräumte, wies das Bundesverwaltungsgericht als unzulässig zurück.

Beide Klageverfahren wurden von einem Bündnis von Organisationen unterstützt, dem die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF), PRO ASYL, die Aktion Bleiberecht Freiburg und der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg angehören. Das Bündnis sieht in dem Urteil die Bestätigung der anhaltenden Praxis, die Rechte von Geflüchteten unzulässig zu beschneiden, um migrationspolitische Zeichen zu setzen. Um den vollen Grundrechtsschutz gerichtlich durchzusetzen, plant das Bündnis nun den Gang zum Bundesverfassungsgericht.

„Die Klarstellung, dass die Unverletztlichkeit der Wohnung vollumfänglich auch in Geflüchteten-Unterkünften gilt, war wichtig“, betont Sarah Lincoln, Rechtsanwältin und Fallkoordinatorin bei der GFF. „Dieser Schutz ist aber wenig wert, wenn das Gericht am Ende andere kreative Wege findet, um den Schutz zu unterlaufen: indem es die Abschiebung aus einem Schlafzimmer nicht als Durchsuchung sieht, indem es die Ausreisepflicht zur dringenden Gefahr für die Rechtsordnung erklärt, indem es die gerichtliche Überprüfung von Hausordnungen unmöglich macht.“

„Diese Urteile sind enttäuschend. Wieder einmal zeigt sich, wie schwer es für Geflüchtete ist, sich gegen Verletzung ihrer Grundrechte gerichtlich zu wehren. Obwohl das Gericht erkennen lässt, dass es die angegriffenen Hausordnungen für rechtswidrig hält, lässt es den Rechtsschutz an formalen Gründen scheitern“, mahnt Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL. „Was das Bundesverwaltungsgericht mit der einen Hand an Grundrechtsschutz für Geflüchtete gibt, nimmt es mit der anderen Hand, indem es überfallartige Abschiebungen erlaubt. Das könnte die jetzt schon harte Abschiebungspraxis verschärfen.“

„Wir haben nicht nur für uns geklagt, sondern für alle Menschen, die in diesen gefängnisähnlichen Camps leben. Deswegen verstehen wir nicht, warum das Gericht nur deshalb nicht entscheiden will, weil wir dort nicht mehr leben. Viele geflüchtete Menschen sind nach wie vor von diesen repressiven Regeln betroffen. Wir kämpfen weiter für ein selbstbestimmtes Wohnen“, sagt Ba Gando, Kläger aus Freiburg.

„Heute wurde wieder einmal deutlich: Die Rechte von geflüchteten Menschen sind in Gefahr – wir bekommen nicht den gleichen Schutz wie andere Menschen“ sagt Alassa Mfouapon, der wegen seiner Abschiebung aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen geklagt hatte.

„Auch wenn die Klage unzulässig ist: Das Gericht hat sehr deutlich gemacht, dass die Hausordnungen rechtswidrig sind. Es fehlt nicht nur an einer gesetzlichen Grundlage. Zimmer dürfen auch nur bei einer dringenden Gefahr betreten werden. Die Bundesländer müssen jetzt ihre Aufnahmegesetze und die Hausordnungen überarbeiten. Wir brauchen endlich eine Debatte über eine Aufnahmepolitik, die sich an den Schutzsuchenden orientiert“, fordert Ben Bubeck von der Aktion Bleiberecht Freiburg, die sich seit Jahren für eine menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten einsetzt.  

Zu den Urteilen

Das Bundesverwaltungsgericht verhandelte zu zwei Verfahren. In dem einen Verfahren wies das Gericht die Klage gegen eine nächtliche Zimmerdurchsuchung zum Zwecke der Abschiebung zurück. Das Gericht sah zwar die Unverletzlichkeit der Wohnung auch für die Zimmer von Geflüchteten in Erstaufnahmeeinrichtungen als anwendbar an. Es erteilte damit der Auffassung der Vorinstanz eine klare Absage, wonach – ähnlich wie bei Geschäfträumen – für Wohnheimzimmer nicht der volle Schutz aus Art. 13 GG gelte. Allerdings wertete es die polizeiliche Maßnahme nicht als Durchsuchung, die nach dem Grundgesetz stets einen richterlichen Beschluss erfordert. Weil der kleine Raum auf einen Blick erfasst werden konnte, sei keine Suche erforderlich gewesen. Damit hebelt das Gericht den Schutz des Wohnraums in kleinen Wohnungen aus.

Das Gericht sah eine dringende Gefahr für das Betreten des Zimmers für ausreichend, aber auch erforderlich. Diese Gefahr sei mit der Ausreisepflicht des Klägers gegeben. Auch damit wird das Grundrecht auf Schutz der Wohnung ausgehöhlt. Eine dringende Gefahr setzt eine Ausnahmesituation voraus, in der ein wichtiges Rechtsgut wie Leib oder Leben gefährdet ist. Nur dann kann das Eindringen in den privaten Lebensraum zulässig sein. Die reine Ausreisepflicht des Klägers kann dafür nicht ausreichen – zumal es keinen Versuch gab, den Kläger abzuschieben, ohne ihn nachts aus dem Bett zu reißen. In diesem Verfahren vertrat Rechtsanwalt Roland Meister den Kläger, gemeinsam mit Sarah Lincoln.

Die Klage wegen der Hausordnung der Landeserstaufnahmeeinrichtung Freiburg wies das Gericht als unzulässig zurück, weil das Rechtsschutzinteresse fehle. Damit wird der Rechtsschutz gegen Hausordnungen faktisch unmöglich gemacht, weil eine Entscheidung in der Hauptsache niemals in dem Zeitraum erreicht werden kann, in dem die Kläger in der Unterkunft wohnen. Indem die Bundesländer die Geflüchteten umverteilen, können sie sich dann außerdem leicht einer Klage entledigen. Dieses Verfahren wurde über den Rechtshilfefonds von PRO ASYL gefördert und von Rechtsanwalt Thorsten Deppner und Sarah Lincoln vertreten.

Die Beschneidung der Rechte von Geflüchteten in Erstaufnahmeeinrichtungen ist ein Beispiel von vielen für Vorstöße aus Politik und Verwaltung, Asylsuchenden den geltenden Schutz ihrer Grundrechte zu verweigern. Das Bündnis prüft mit den Klägern gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Verfassungsbeschwerde einzulegen.

Weitere Informationen

Zum Fall Hausordnungen Freiburg: https://freiheitsrechte.org/themen/soziale-teilhabe/hausordnung
Zum Fall Polizeirazzia Ellwangen: https://freiheitsrechte.org/themen/soziale-teilhabe/lea-ellwangen

Kontakt für Presseanfragen

Gesellschaft für Freiheitsrechte: Dr. Maria Scharlau, Tel. 01579/2493108, presse@freiheitsrechte.org
Presse-Stelle PRO ASYL: Tel. 069/24231430, presse@proasyl.de

https://www.proasyl.de/pressemitteilung/bundesverwaltungsgericht-bejaht-unverletzlichkeit-der-wohnung-fuer-gefluechtete-und-schraenkt-den-schutz-durch-die-hintertuer-wieder-ein-buendnis-plant-verfassungsbeschwerde/

Jahresbericht Abschiebungsbeobachtung

Pressemitteilung Diakonie Hamburg: Diakonie Abschiebungsbeobachter am Hamburg Flughafen legt Jahresbericht 2022 vor und fordert bessere Bedingungen für Betroffene

Aus dem jetzt vorgelegten Jahresbericht 2022 des Abschiebebeobachters am Hamburger Flughafen geht hervor, dass die Probleme der letzten Jahre weiterhin bestehen. So sind Verständigungsprobleme oder Abschiebungen von mittellosen Personen im Berichtszeitraum weiterhin vorgekommen. Dr. Dirk Hauer, Migrationsexperte des Diakonischen Werks Hamburg: „Dass Menschen ohne einen Cent in der Tasche abgeschoben werden, verschlimmert die ohnehin schwierige Situation der Betroffenen. Wir appellieren an die zuständigen Behörden, Ermessensspielräume im Sinne der Betroffenen auszuschöpfen.“ Auch fehlt weiterhin eine einheitliche Zuständigkeit bei gescheiterten Abschiebungen. Dr. Dirk Hauer: „Es kann nicht sein, dass Personen nach einer gescheiterten Abschiebung einfach sich selbst überlassen werden. Es braucht eine klare Zuständigkeit, wer die Personen wieder nach Hause bringt. Wir appellieren hier an die Fürsorgepflicht insbesondere gegenüber vulnerablen Personen.“ 

Der Abschiebebeobachter kritisiert in seinem Bericht den mangelnden Schutz von Minderjährigen. So sollte ein Minderjähriger nach Gambia abgeschoben werden, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen zum Schutz von Minderjährigen nicht erfüllt waren.Hans-Peter Strenge, Moderator des Flughafenforums, dem Begleitgremium der Abschiebebeobachtung: „Dass ein unbegleiteter Minderjähriger entgegen den rechtlichen Bestimmungen abgeschoben werden sollte, führte zu einhelliger Bestürzung unter allen Forumsmitgliedern. Um mehr Fachexpertise zum Thema Kindeswohl in die Arbeit des Forums einfließen zu lassen, soll die Besetzung um den Kinderschutzbund zukünftig erweitert werden.“

Link zum Jahresbericht

Auf Grundlage des Jahresberichts berichtet der Abschiebungsbeobachters am 11.05.2023 ab 17.00 Uhr den Mitgliedern des Innenausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft in einer öffentlichen Sitzung.

 https://www.diakonie-hamburg.de/de/presse/pressemitteilungen/Diakonie-Abschiebungsbeobachter-am-Hamburg-Flughafen-legt-Jahresbericht-2022-vor-und-fordert-bessere-Bedingungen-fuer-Betroffene/

Bericht des NDR

Hintergrund

Das Diakonische Werk beobachtet im Rahmen eines Monitoringprojekts Abschiebungen am Hamburger Flughafen. Unser Projektmitarbeiter, Moritz Reinbach, beobachtet und dokumentiert Vollzugsmaßnahmen der Bundespolizei und steht allen an Abschiebungen beteiligten Personen als Ansprechpartner zur Verfügung. Im Fokus der Beobachtung stehen die Wahrung humanitärer Mindeststandards und die Sicherstellung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

Die quartalsweisen Berichte und Problemanzeigen des Abschiebungsbeobachters werden im Hamburger Flughafenforum zwischen der Bundespolizei, den Landesbehörden aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen besprochen. Das Forum wird von Staatsrat a.D. Hans-Peter Strenge moderiert.

Das Projekt „Abschiebungsbeobachtung am Hamburger Flughafen“ ist ein Projekt des Diakonischen Werkes Hamburg und wird finanziert durch die Behörde für Inneres und Sport in Hamburg. Im vorliegenden Berichtszeitraum wurden 157 Rückführungen von unserem Mitarbeiter Moritz Reinbach beobachtet.