Flucht-Adventskalender – auch 2023!

Auch in diesem Jahr gibt es wieder einen Flucht-Adventskalender der Flüchtlingsbeauftragten der Nordkirche.

Dazu ein paar einleitende Worte der Flüchtlingsbeauftragten der Nordkirche, Dietlind Jochims:

„…denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge“ der bekannte Vers aus der Weihnachtsgeschichte ist das Thema unserer diesjährigen Grüße zum Advent, wie jedes Jahr in Form von Geschichten statt Schokolade.  

Willkommen zum #Schutzraum-Adventskalender! https://www.flucht.adventskalender-nordkirche.de/

Vom 1. Dezember bis Weihnachten möchte er Sie und Euch begleiten mit 24 Geschichten, erzählt von Geflüchteten und Unterstützer:innen, die hier mit uns in Hamburg, Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern leben. Sie berichten über Erfahrungen von Schutzlosigkeit und der Suche nach sicheren Räumen.
Diese Sehnsucht nach Raum in der Herberge in unsicheren Zeiten möchten wir sichtbar machen – und zeigen, was zu wirklich sicheren Räumen alles dazugehört:
Nicht das Abschotten und Ausgrenzen, sondern weite Tore und Herzen,
Menschenwürde für jeden einzelnen Menschen.
Denn es gibt Raum in der Herberge – nicht nur im Advent, aber gerade dann!

Wir freuen uns, wenn der Adventskalender weite Verbreitung findet – online (per Mail, auf Webseiten, in den Social Media) und in Gesprächen!


40 Jahre Kirchenasyl

Vom 30.-31. August waren einige von Hamburgasyl Teil der 40-Jahre Kirchenasyl Jubiläumskonsferenz. Seit nunmehr 40 Jahren ist die Kirchenasylbewegung in Deutschland aktiv. Wir kämpfen mit geflüchteten Menschen für gerechten Zugang zu Sicherheit und Schutz. Am 30. Und 31. August 2023 gedachten wir der Anfänge in den 1980er Jahren, diskutierten über unsere aktuelle Praxis und tauschen uns mit Freund*innen aus der internationalen Sanctuary-Bewegung aus.

In den eröffnenden Worten stellt Dietlind Jochims, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche und Teil unseres hamburger Netzwerks fest:

"Unsere Jubiläen haben immer etwas Ambivalentes. Sie sind stärkend und motivierend. Es ist gut, dass wir hier auch kontrovers diskutieren und neue Aspekte bedenken können. Dass wir kluge Gedanken prominent in die Öffentlichkeit bringen können. Dass wir voneinander lernen können, besonders auch von den Erfahrungen aus dem internationalen Sanctuary Movement. Wir sind viele. Gleichzeitig ist es erschütternd, wie viele Kirchenasyle es immer noch geben muss, damit Würde und Rechte zumindest für Einzelne in einem inzwischen vollständig dysfunktionalen Dublinirrsinn etwas repariert werden."

Hier einige visuellen Eindrücke von der Jubiläumstagung in der Heilig-Kreuz-Kirche in Berlin:

Frag Dr. Sommer!

Am 26. und 27. Juni fand zum 23. Mal das Flüchtlingssymposium in der evangelischen Akademie in Berlin statt. Unter dem Titel „An Europas Grenzen und in Deutschland. Flüchtlingsschutz als Kern unserer Werte“ diskutierten wir mit Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft. Es ging um aktuelle Fragen zum Flüchtlingsschutz, wie des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, Aufnahme in den Kommunen und Umsetzung des Koalitionsvertrags.

Im Rahmen des Abschlusspanels übergab Dietlind Jochims, stellvertretend für die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche zuvor gesammelte Fragen an Dr. Sommer, Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. In den zahlreichen Fragen geht es vor allem um die aktuelle Entscheidungspraxis des BAMF zu Dublin Rückführungen u.a. nach Litauen, Kroatien oder Italien und über die von den Kirchengemeinden eingereichten Härtefalldossiers.
In den Härtefalldossiers begründen die Gemeinden den jeweiligen Einzelfall und legen die besondere Härte dar. Selbst in Fällen, in denen eine Trennung von Ehepaaren drohte oder Menschen brutale Push-Backs an den EU-Grenzen erlebt haben, lehnte das BAMF die Möglichkeit ab, dass Menschen für ihr Asylverfahren in Deutschland verbleiben konnten. Diese Entscheidungspraxis verstört nicht nur die Gemeinden, sondern auch uns als Beratungsstellen, Kirche und Netzwerk.

Von Dr. Sommer wollten wir wissen:

Halten sie es für realistisch, was Sie Menschen nach Pushbacks und Gewalterfahrungen antworten, nämlich: Es ist zu erwarten, dass diese sich zur Beschwerde an die zuständen Vorgesetzten in Kroatien wenden?

Warum übt das BAMF selbst dann keinen Selbsteintritt aus, wenn es um Staaten geht, in denen Geflüchtete nach Urteil des EuGH nicht im Einklang mit EU-Recht behandelt werden z.B. Litauen?

Und was sind eigentlich ihre Kriterien eines Einzelfalls?

Herr Sommer hat die vielen Fragen mitgenommen und wir sind auf seine Antworten gespannt.

Wir werden weiterhin für die Rechte für Menschen auf der Flucht einstehen und auch das Bundesamt daran erinnern, dass Menschenrechte die Grundlage jedes staatlichen Handelns darstellen müssen.

Keine Kompromisse beim Flüchtlingsschutz!

Als Teil eines Bündnisses von mehr als 50 Organisationen fordern die Flüchtlingsbeauftragten der Nordkirche die Bundesregierung zur Abkehr von ihren Plänen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems auf. Mit Blick auf das Treffen der EU-Innenminister am 8. Juni 2023 appelliert das Bündnis an Innenministerin Nancy Faeser (SPD), ihrer humanitären Verantwortung gerecht zu werden und ihren eigenen Koalitionsvertrag ernst zu nehmen. Es dürfe keine Kompromisse auf Kosten des Flüchtlingsschutzes geben.

Das gemeinsame Statement mit unseren Forderungen kann hier abgerufen werden.

Hamburg, den 6. Juni: Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) hat das Statement ebenfalls unterzeichnet. Dies wurde auf der Sitzung der Kirchenleitung vergangenes Wochenende beschlossen.

Pressemittelung

Innenausschuss muss echtes Bleiberecht für Drittstaatsangehörige aus der Ukraine gewährleisten und Versprechen gegenüber Studierenden einhalten!

Kundgebung vom Bündnis für ein Sicheres Bleiberecht für drittstaatsangehörige Geflüchtete aus der Ukraine am 17.11.2022 um 16 Uhr am Adolphsplatz 6

Wir sind ein Bündnis aus Flüchtlingsinitiativen, Politik und Kirchen und kämpfen seit vielen Monaten für ein Bleiberecht für alle drittstaatsangehörigen Geflüchteten aus der Ukraine. Am 17.11.22 um 17 Uhr steht die Zukunft der Drittstaatsangehörigen auf der Tagesordnung des Innenausschusses der Bürgerschaft. 

Der Hamburger Senat hatte zwar angekündigt, dass zumindest die ca. 900 drittstaatsangehörigen Studierenden, die aus der Ukraine nach Hamburg geflohen waren, eine Chance für ein Aufenthaltsrecht erhalten sollen. Von Seiten des Amts für Migration werden jedoch weiterhin überzogene Anforderungen gestellt. Einer Studentin im Studienvorbereitungsprogramm der HAW, die sogar eine der rar gesäten Stipendienzusagen bis zum Ende des kommenden Sommersemesters erhalten hatte, wurde mitgeteilt, ein Stipendium für „nur“ elf Monate würde nicht ausreichen. Selbst diejenigen, die studienvorbereitende Sprachkurse besuchen und ihren Lebensunterhalt vollständig aus Erwerbstätigkeit bestreiten, werden aktuell abgelehnt.

Sista Oloruntoyin von der Community Anlaufstelle ARRiVATi erklärt: Es herrscht große Unsicherheit unter den Studenten, die aufgefordert wurden, das Land innerhalb von nur zwei Wochen zu verlassen. Solche Entscheidungen verhindern einen geordneten Schutz gerade derjenigen, die in der Ukraine traumatische Erfahrungen machen mussten und nun in einen prekären Status gezwungen werden, der sie zusätzlich belastet. Die Hamburger Innenbehörde zeigt einen weiteren Höhepunkt in der kontinuierlichen Durchsetzung diskriminierender Maßnahmen zur Verhinderung des Schutzes von Kriegsgeflüchteten aus sogenannten Drittstaaten.

In Bremen, München und diversen Ausländerbehörden anderer Bundesländer werden mittlerweile pragmatische Lösungen gefunden und Fiktionsbescheinigungen auf Grundlage des § 24 Aufenthaltsgesetz verlängert oder direkt für ein Jahr gewährt. Das heißt, dass die Drittstaatsangehörigen vorübergehend Integrationsmöglichkeiten wie ukrainische Staatsangehörige haben. In NRW erhalten ausbildungs- oder studienwillige Drittstaatsangehörige einjährige Fiktionsbescheinigungen, die zur Teilzeiterwerbstätigkeit berechtigen. Zuletzt wurden in Hamburg reihenweise Anträge der Studierenden im Schnellverfahren abgelehnt und diese zur Ausreise innerhalb von zwei Wochen aufgefordert. Dabei wird durch das Amt für Migration in rechtswidriger Weise das Recht auf Anhörung vor Erlass einer Ausreiseverfügung verletzt.

Merle Ahrens von der Härtefallberatung Caritasverband für das Erzbistum Hamburg e.V.: „Viele Drittstaatsangehörige aus der Ukraine bekommen aktuell Ausreiseverfügungen. Das ist die Vorstufe zur Abschiebung. Sie werden vor der Ablehnung ihrer Anträge nicht in einem ordnungsgemäßen Verfahren angehört. Dies ist rechtlich fragwürdig und führt zu vielen unnötigen Widerspruchsverfahren. Das Amt für Migration zeigt, dass es entgegen politischen Absprachen nicht wohlwollend mit der Situation der geflüchteten Drittstaatsangehörigen umgeht.

Susanne Ehlermann-Petersen von Omas gegen Rechts:Das ist keine faire Chance, sondern eine Farce! Die Drittstaatsagenhörigen sind vor demselben Krieg geflohen wie die ukrainischen Staatsagenhörigen. Sie haben mit großem Aufwand eine Studienmöglichkeit in der Ukraine erreicht und stehen jetzt vor dem Aus. Ihr Aufenthalt und Bleiberecht bereichert Hamburg. Bildung schafft Zukunft. Abschiebung ist Gewalt. Hamburg wirbt sehr gerne mit dem Slogan, das Tor zur Welt zu sein.  Öffnen Sie das Tor für eine sinnvolle Zukunft aller!

Pressemitteilung

Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft Kirchliche Flüchtlingsarbeit „hamburgasyl“ vom 12.08.2022: Geflüchtete aus der Ukraine in die Obdachlosigkeit geschickt

Hamburg schickt Geflüchtete aus der Ukraine nun immer öfter in die Obdachlosigkeit. Betroffen sind vor allem Menschen, die aus Drittstaaten kommen und in der Ukraine zum Beispiel studiert haben. Die Arbeitsgemeinschaft Kirchliche Flüchtlingsarbeit protestiert dagegen. „Damit bricht die Stadt die Zusagen, die sie diesen Menschen gegeben hat“, so Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche. Im April war das sog. „Hamburger Modell“ beschlossen worden: Drittstaatsangehörige aus der Ukraine sollten, genau wie ukrainische Geflüchtete, ein vorläufiges Aufenthaltspapier für zunächst sechs Monate bekommen. In dieser Zeit sollten sie klären, ob sie z. B. einen Studienplatz oder eine Arbeit finden können.
„Dafür braucht es aber Zeit“, sagt Jochims weiter. Für einen Studienplatz zum Beispiel muss man im Regelfall fließend Deutsch beherrschen und seine ausländischen Schulzeugnisse anerkennen lassen. „Statt den Betroffenen, die sich gerade viel Mühe geben, die Sprache zu erlernen, die sonstigen Voraussetzungen zu erfüllen, die teils Praktika machen, diese Zeit zu geben, sieht es nun so aus, als sollte einem nach dem anderen der Aufenthalt wieder entzogen werden.“ Die Betroffenen würden zur Ausreise binnen weniger Tage, oft nur einer Woche, aufgefordert. „Alle Bemühungen werden damit zunichte gemacht.“
Zusätzlich empört die kirchlichen Flüchtlingshelfer:innen, dass die aus der Ukraine Geflüchteten mit der Entscheidung auch aus ihren Unterkünften verwiesen werden. „Sie bekommen kein Dach über dem Kopf, keinerlei Leistungen, sind von einem Tag auf den anderen mittel- und obdachlos. So kann man mit Menschen, die gerade einem Krieg entkommen sind, nicht umgehen“, kritisiert Heiko Habbe von Fluchtpunkt. Auch wenn sie keine ukrainischen Staatsbürger seien, hätten sie den Krieg doch als Bruch im eigenen Leben erfahren. „Ihre ganze Lebensplanung war von einem Tag auf den anderen hinfällig. Wir sind in der Pflicht, auch diesen Menschen zu helfen, wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Nicht nur, aber auch aus wirtschaftlichen Interessen, weil es hier um angehende Fachkräfte geht.“

Für Presseanfragen steht Ihnen stellvertretend für die Arbeitsgemeinschaft die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche Dietlind Jochims und die Referentin für Flucht Dr. Katherine Braun zur Verfügung:
Pastorin Dietlind Jochims: +49 171 4118333; dietlind.jochims@flucht.nordkirche.de
Dr. Katherine Braun: +49 171 6816001; katherine.braun@flucht.nordkirche.de

Bustour: Menschenrechte auf der Flucht

Das Thema Flucht ist zurzeit doppelt präsent: Die Solidarität mit vor dem Krieg in der Ukraine Fliehenden  ist groß. Geflüchtete aus anderen Ländern sind oft schon auf ihrer Flucht Willkür, Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt. Der Zugang zu den eigenen Rechten wird Vielen verwehrt. Dabei sind Menschenrechte unbedingt und unteilbar! Umso wichtiger, in diesen Zeiten dafür einzustehen.

Die Info- und Aktions-Bustour „Menschenrechte auf der Flucht“ der Flüchtlingsbeauftragten durch die Kirchenkreise der Nordkirche möchte mit Kirchengemeinden, lokalen und regionalen Akteur*innen ins Gespräch kommen und für relevante Themen sensibilisieren und vernetzen.

Ein zentraler Bestandteil der Tour durch Mecklenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein ist die Ausstellung „Grenzerfahrungen“ von Pro Asyl u.a., die an verschiedenen Orten gezeigt wird. Der zeitliche Rahmen ergibt sich durch den 30. Jahrestag der Pogrome von Rostock-Lichtenhagen am 25. August über die interkulturellen Wochen bis zum „Tag des Flüchtlings“ am 30. September.

Mehr Infos, ein Video über die Bustour und das ganze Programm findet ihr hier: https://hamburgasyl.de/mitmachen/bustour-menschenrechte-auf-der-flucht/

Abschiebehaftanstalt Glückstadt

Seit August letzten Jahres ist die Abschiebehafteinrichtung in Glückstadt in Betrieb. Das Kooperationsprojekt von Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg soll als Ultima Ratio bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht dienen und sicherstellen, dass sich Menschen dieser nicht entziehen, so die übereinstimmende Haltung der drei Landesregierungen. Demnach soll auch die sogenannte Rückfürungseinrichtung am Hamburger Flughafen in diesem Jahr geschlossen werden. Die ehemalige Marine-Kaserne in Glückstadt wurde unter Schirmherrschaft von Schleswig-Holstein aufwendig und kostenintensiv umfunktioniert und soll für insgesamt 60 Inhaftierte Platz bieten – 20 Plätze für jedes beteiligte Bundesland. Aktuell steht noch nicht die gesamte Kapazität zur Verfügung, da einerseits die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen sein sollen, andererseits sich nicht genug Bedienstete für den Abschiebehaftvollzug finden lassen. Um dies zu ändern hat Schleswig-Holstein eine eigene Ausbildung für Abschiebehaftvollzugsbedienstete geschaffen.

Es ist aus unserer Perspektive zwingend notwendig, Strukturen zu stärken, die den Inhaftierten Menschen rechtlich zur Seite stehen. Nicht zuletzt die aussagekräftige Statistik des renommierten Migrationsrechtsanwalts Peter Fahlbusch zeigt, dass es regelmäßig zu rechtswidrigen Inhaftierungen Ausreisepflichtiger kommt. Demnach waren knapp über 50% aller Mandant:innen von ihm, die sich bundesweit in Abschiebehaftanstalten befanden, zu Unrecht in Haft. Diese hohe Fehlerquote von rechtlichen Entscheidungen zeigt, dass es nötig ist, den betroffenen Menschen eine Lobby zu geben und sie zu unterstützen. Folglich sind wir erfreut, dass die Diakonie Rantzau-Münsterdorf in der Einrichtung die offizielle Sozialberatung übernimmt und Inhaftierten zur Seite steht. Weitere Organisationen und Gruppen, die sich in Glückstadt engagieren sind: Flüchtlingsrat SH, Refugee Law Clinic Kiel, Besuchsgruppe Glückstadt (http://glueckstadtohneabschiebehaft.blogsport.eu/). Auch die Hamburger Law Clinic unterstützt mit ihrer Expertise bei rechtlichen Abschiebehaftberatung in Glückstadt (info@abschiebehaftberatung-hh.de).

 Die Innenministerin von Schleswig-Holstein Dr. Sabine Sütterlin-Waack wirbt mit dem Slogan „Wohnen minus Freiheit“ für die Akzeptanz der neuen Einrichtung und nutzt bewusst Worte wie Bewohnende oder Untergebrachte anstatt Inhaftierte. Es scheint, dass der interessierten Öffentlichkeit und Nachbarschaft ein Bild vermittelt werden soll, das wenig mit der Realität zu tun hat. Dies zeigt sich, wenn man vor der neu hochgezogen 6 Meter hohen Betonwand der Einrichtung steht, über die kein Blick von außen in das Innere der Haftanstalt geworfen werden kann. Noch viel weniger können die Inhaftierten über die Mauer rausschauen geschweige denn rausgehen. Auf dem alten Kasernenareal wurden neben ein paar Sportgeräten vor allem Sicherheitsarchitektur installiert: Zäune, Gitter, Nato-Draht, Kameras, Schlösser und Zellen, darunter auch besonders gesicherte Hafträume z.B. für suizidale Menschen. Den Inhaftierten werden ihre Smartphones bei Aufnahme abgenommen und mit nicht-internetfähigen Handys ausgetauscht, sodass den Menschen erschwert wird, ihre üblichen sozialen Kontakte Aufrecht zu erhalten.

Wohnen hat für uns viele Facetten, aber mitnichten hat der Alltag für Inhaftierte in Glückstadt damit zu tun. Sie sind ausgeschlossen vom gesellschaftlichen Leben, warten auf ihre Abschiebung ins Ungewisse und befinden sich in einem Vollzug, der dem einer Strafhaft ähnelt.
Und genau hier liegt der Knackpunkt: Wir sprechen i.d.R. nicht von verurteilten Staftäter:innen. Wir sprechen von Schutzsuchenden, die sich in Deutschland ein neues Leben aufbauen wollten. 

Mehr Informationen:
Der NDR hat eine dreiteilige Dokumentation veröffentlicht, die eindrucksvoll die Entstehungsgeschichte der Abschiebehafteinrichtung in Glückstadt begleitet und verschiedene Perspektiven auf den Bau der Einrichtung beleuchtet.

Teil 1
Teil 2
Teil 3

Diakonie zum Tag der Migrant*innen

Zum Internationalen Tag der Migrantinnen und Migranten am 18. Dezember

Diakonie: Drei Sofortmaßnahmen zum Schutz der Rechte von Migrantinnen und Migranten in Deutschland

Berlin, 17. Dezember 2021 – Migrantinnen und Migranten brauchen in Deutschland einen besseren Schutz ihrer Menschenrechte.

Dazu fordert die Diakonie von der neuen Bundesregierung drei Sofortmaßnahmen:

1. Deutschland muss endlich der UN-Wanderarbeiter-Konvention beitreten

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland: „Arbeitsmigrantinnen und -migranten leisten einen erheblichen Beitrag zum Wohlstand in Deutschland. Sie sind aber in vielerlei Weise benachteiligt. Die Menschen benötigen umfassend Schutz bei Krankheit oder einem Unfall und einen sicheren Aufenthaltsstatus. Durch den Beitritt zur Wanderarbeiter-Konvention verpflichtet sich der deutsche Gesetzgeber, die Rechte der Menschen zu verbessern, von deren Arbeit die Gesellschaft profitiert. Dies wäre – auch im internationalen Kontext – ein wichtiges Signal.“

2. 24-Stunden-Betreuung in der häuslichen Pflege reformieren und legal gestalten

Die 24-Stunden-Betreuung in der häuslichen Pflege durch osteuropäische Kräfte muss grundlegend reformiert und legal ausgestaltet werden. Eine Betreuung rund um die Uhr durch eine einzige Pflegekraft wurde vom Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 24. Juni als rechtswidrig erklärt. Sie ist ethisch nicht zu verantworten und auch aus pflegewissenschaftlicher Perspektive inakzeptabel.

Maria Loheide: „Die Bundesregierung muss ausbeuterische Beschäftigungsverhältnisse in der häuslichen 24-Stunden-Betreuung unterbinden. Dazu muss sie ein Maßnahmenpaket entwickeln, das die häusliche Versorgung pflegebedürftiger Menschen verlässlich sichert. Für die geschätzt 800.000 Pflege- und Betreuungskräfte in privaten Haushalten müssen dieselben Regeln und Rahmenbedingungen gelten wie für alle anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland auch. Dazu gehören der Mindestlohn und die Begrenzung der Arbeitszeit durch das Arbeitszeitgesetz. Die Praxis ist davon leider weit entfernt.“

3. Arbeitssuchende EU-Staatsangehörige sozial absichern

Arbeitssuchende EU-Staatsangehörige dürfen nicht länger von Sozialleistungen und Kindergeld ausgeschlossen werden. Alle Unionsbürgerinnen und Unionsbürger in Deutschland brauchen die gleichen sozialen Rechte.

Maria Loheide: „EU-Staatsangehörige müssen sozial abgesichert sein, wenn sie sich rechtmäßig zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten. Eine Freizügigkeit zur Arbeitssuche ohne Garantie auf Existenzsicherung wird zum Nährboden für Ausbeutung und Menschenhandel.“

Zum Hintergrund:

Weltweit leben und arbeiten etwa 3,3 Prozent aller Menschen und etwa 4,4 Prozent aller Erwerbstätigen in Staaten, in denen sie nicht geboren wurden. Zurzeit sind weltweit ungefähr 260 Millionen Menschen Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter. Sie

– füllen wichtige Lücken in den Arbeitsmärkten wohlhabender Länder,

– zahlen in die Sozialversicherungssysteme mehr ein als sie in Form von Leistungen erhalten,

– zahlen mehr Steuern als es ihrem Anteil an der Nutzung staatlicher Leistungen entspricht und

– fördern den technologischen Fortschritt in Deutschland.

Eine große Gruppe sind Frauen, die hauswirtschaftliche und pflegerische Arbeiten in anderen Ländern übernehmen, oft ohne Arbeitsverträge, die den rechtlichen Rahmenbedingungen entsprechen. Zu dieser Gruppe gehören bis zu 800.000 Live-in-Kräfte (sogenannte „24-Stunden-Betreuerinnen“), die nach aktuellen Schätzungen zurzeit in Deutschland tätig sind.

Migrantinnen und Migranten brauchen besonderen Schutz ihrer Menschenrechte. Die Vereinten Nationen haben deshalb am 18. Dezember 1990 das Internationale Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen verabschiedet. Die Konvention verlangt von den Vertragsstaaten vorbeugenden Schutz sowie die Verhinderung von Missbrauch und Ausbeutung von Wanderarbeitenden und ihren Angehörigen.

Auch das Ziel 15 des Globalen Migrationspakts, dem sich 2018 Deutschland im Rahmen der Vereinten Nationen politisch verpflichtet hat, verlangt die „Gewährleistung des Zugangs von Migranten zu Grundleistungen“.

Weitere Informationen:

Wissen Kompakt Migrationsfachdienste: https://www.diakonie.de/wissen-kompakt/migrationsfachdienste   

Übersicht über diakonische Angebote der Migrationsberatung: https://hilfe.diakonie.de/hilfe-vor-ort/angebote-fuer-eingewanderte-und-gefluechtete/bundesweit/?text=Migrationsberatung&ersteller=&ansicht=liste

„GrünesLichtfürAufnahme“

Schon seit Monaten zeigt sich an der Polnisch-Belarussischen Grenze ein Bild, was mit Humanität und Menschenwürde nichts mehr gemein hat. Schutzsuchende werden in einem geopolitischen Konflikt genutzt, um politische Interessen durchzudrücken und sind der Situation hilflos ausgeliefert. Sie können weder vor noch zurück. Seit einigen Tagen eskaliert die Situation zunehmend: Menschen werden von der polnischen Polizei mit Gewalt nach Belarus zurückgedrängt, bekommen dort keinerlei Versorgung und müssen im (Ur-)Wald ausharren. Hinzukommen nun die kalten Temperaturen.

Trotz der perfiden Art und Weise, wie der belarussische Machthaber Lukaschenko Menschen an die E.U. Grenze schleust und sie als Druckmittel nutzt, kann die Antwort weder Grenzschließung noch illegale Push-Backs heißen.

Wir appellieren an politische Entscheidungsträger*innen, Druck auf die polnische Regierung aufzubauen, das Grundrecht auf Asyl zu gewährleisten und Schutzsuchende einreisen zu lassen. Gleichzeitig müssen humanitäre & medizinische Hilfsangebote von Internationalen Organisationen und NGOs ermöglicht werden, sowie unabhängige Pressevertreter*innen in der betroffenen Region zugelassen werden.

Damit nicht noch mehr Menschen auf dieser Fluchtroute zu Tode kommen, muss umgehend gehandelt werden. Wenn die Europäische Union für Werte wie Humanität und Menschenwürde stehen will, muss sie es jetzt umso mehr zeigen!

Aktion:

Unter dem Titel „Grünes Licht für Aufnahme“ fordern derzeit zahlreiche Organisationen – u.a. die SEEBRÜCKE, ProAsyl, Campact, Kindernothilfe, medico –  die alte und neue Bundesregierung auf, Schutzsuchenden und Migranten insb. im polnisch-belarussischen Grenzgebiet zu helfen. Am vergangenen Wochenende wurden dazu tausende Lichter vor dem Berliner Reichstagsgebäude aufgestellt – so wie die Anwohner*innen im polnischen Grenzgebiet. Dort signalisiert das grüne Licht im Fenster, dass Geflüchtete für konkrete Hilfe anklopfen können.

In gleicher Weise sollen in den kommenden Tagen auch in Deutschland bundesweit zehntausende grüne Lichter leuchten – vor allem am 3. Advent, dem 12. Dezember, dem zentralen Aktionstag von „Grünes Licht für Aufnahme“. Wer beim mitmachen möchte, kann dazu kostenfrei Kerzen-Sets mit Teelichtern und grünem Transparentpapier bestellen. Die Sets gibt es mit 1, 3 oder auch 10 Kerzen: https://aktion.campact.de/campact/gruenes-licht/feedback-kerzenset-bestellen.
Machen Sie gerne in ihren Kirchen und Netzwerken auf diese Adventsaktion aufmerksam. Weitere Informationen finden Sie hier sowie in den Sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #GrünesLichtfürAufnahme

Weitere Einschätzungen:

Für weitere Informationen zur aktuellen Lage empfiehlt sich, ein Pressegespräch vom „Mediendienst Integration“ zu hören.

„Die EU-Kommission schlägt vor, Polen, Lettland und Litauen Sonderinstrumente an die Hand zu geben, um die „Notlage“ an der Grenze zu Belarus zu bewältigen. Dieser Vorschlag ist Teil einer bedrohlichen Entwicklung: der Inszenierung eines permanenten Ausnahmezustands an den EU-Außengrenzen, durch die grundlegende Rechte außer Kraft gesetzt werden.“
Gerne möchten wir in diesem Kontext auf einen Beitrag von Andreas Grünewald von Brot für die Welt verweisen, der die Entwicklungen an der Polnisch-Belarussischen Grenze und vor allem den Umgang der EU damit einordnet.
Zum vollständigen Beitrag geht es hier.