Abgeschoben nach Afghanistan

Diakonie Deutschland, Brot für die Welt und Diakonie Hessen haben die lang erwartete umfangreiche Studie zu abgeschobenen Afghanen von Afghanistan-Expertin Friederike Stahlmann herausgegeben.

Abgeschobenen Afghanen drohen der Studie zufolge Gefahr für Leib und Leben, Verelendung und Verfolgung. Unter anderem werde ihnen wegen der Flucht nach Europa Verrat, Verwestlichung, unmoralisches Verhalten oder die Abkehr vom Islam vorgeworfen. Auch die Familien von Europa-Rückkehrern sind gefährdet. Vor diesem Hintergrund fehlt den Rückkehrern vielfach das überlebenswichtige familiäre Netz.

Studie „Erfahrungen und Perspektiven abgeschobener Afghanen im Kontext aktueller politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen Afghanistans“ sowie Fallbeispiele

Interview mit der Afghanistan-Expertin und Autorin der Studie Friederike Stahlmann

Bericht von ARD und DLF

Was fordert die Diakonie Deutschland auf Grundlage der Studie?

  1. Der geplante Abschiebeflug am 8.06.2021 muss unterbleiben.
  2. Die Bundesregierung und die Innenministerkonferenz (16.-18.Juni 2021) müssen die Lage neu bewerten und dürfen dies nicht Anwälten und Gerichten überlassen: Aus unserer Sicht lässt die Studie keine andere Konsequenz zu als einen generellen, bundesweiten Abschiebungsstopp nach Afghanistan.
  3. Die bereits inhaftierten Betroffenen müssen aus der Abschiebehaft entlassen werden. Evtl. Straftäter sollen ordnungsgemäß hier in Deutschland ihre Haft verbüßen.
  4. Die Studie belegt: Wir schicken die Menschen durch Abschiebungen nach Afghanistan sehenden Auges in den Tod oder in die Gefahr schwerster Verletzungen. Es bestehen spezifische Gefahren für Europa-Rückkehrer. Menschen dorthin abzuschieben, ist grob fahrlässig und bringt auch die dortigen sozialen und familiären Netzwerke der Betroffenen in Gefahr.
  5. Die Abschiebungen sind nicht nur rechtswidrig, sondern auch wirkungslos: Von 113 untersuchten Personen haben zwei Suizid begangen, 69 Prozent haben das Land bereits verlassen, 30 Prozent planen die erneute Flucht, nur eine Person will in Afghanistan bleiben.
  6. Auch Straftäter, sog. „Gefährder“ und „Identitätsverweigerer“ haben ein Recht auf Leben, einige Bundesländer schieben zudem Menschen ab, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen.
  7. Wir fordern eine rechtlich gesicherte Bleibeperspektive für die rund 30.000 afghanischen Ausreisepflichtigen. Sie sind zum Teil schon lange hier und trotz einer Duldung gut integriert. Auf absehbare Zeit kann nicht nach Afghanistan abgeschoben werden.

Gemeinsame Pressemitteilung von Diakonie Deutschland, Brot für die Welt und Diakonie Hessen:

Diakonie Deutschland, Brot für die Welt und Diakonie Hessen geben neue Studie zu abgeschobenen Afghanen heraus und fordern sofortigen Abschiebestopp

„Wir gefährden sehenden Auges das Leben dieser Menschen“

Berlin, den 4. Juni 2021 – Die Diakonie Deutschland, Brot für die Welt und die Diakonie Hessen fordern einen sofortigen Abschiebestopp nach Afghanistan. Einer am Freitag veröffentlichten Studie der Sozialwissenschaftlerin und Afghanistan- Expertin Friederike Stahlmann zufolge drohen abgeschobenen Afghanen Gefahr für Leib und Leben, Verelendung und Verfolgung. Unter anderem werde ihnen wegen der Flucht nach Europa Verrat, Verwestlichung, unmoralisches Verhalten oder die Abkehr vom Islam vorgeworfen. Auch die Familien von Europa-Rückkehrern sind der Studie zufolge gefährdet. Vor diesem Hintergrund fehlt den Rückkehrern vielfach das überlebenswichtige familiäre Netz. Bis auf einen Betroffenen haben alle bekannten Abgeschobenen das Land wieder verlassen oder planen dies. Zwei von ihnen haben Suizid begangen.

Die Studie „Erfahrungen und Perspektiven abgeschobener Afghanen im Kontext aktueller politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen Afghanistans“ ist im Auftrag der Diakonie Deutschland, Brot für die Welt und der Diakonie Hessen entstanden. Die Untersuchung basiert auf einer mehrjährigen Forschung und dokumentiert die Erfahrungen von 113 der 908 zwischen Dezember 2016 und März 2020 aus Deutschland abgeschobenen Afghanen.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie: „Wir gefährden sehenden Auges das Leben dieser Menschen durch Abschiebungen nach Afghanistan und setzen sie der Gefahr lebensbedrohlicher Verletzungen und Verelendung aus. Dies ist mit der Europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbar. Wir fordern die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den Bundesländern einen generellen, bundesweiten Abschiebestopp nach Afghanistan zu beschließen. Der geplante Abschiebeflug am 8. Juni muss unterbleiben, die bereits inhaftierten Betroffenen müssen aus der Abschiebehaft freigelassen werden. Menschen dorthin abzuschieben, ist grob fahrlässig und bringt auch die dortigen sozialen und familiären Netzwerke der Betroffenen in Gefahr.“

Die Präsidentin von Brot für die Welt, Dagmar Pruin, mahnt an: „Die Lage im kriegs- und krisengebeutelten Afghanistan ist seit Jahren dramatisch und hat sich pandemiebedingt noch weiter verschlechtert. Die eskalierende Dynamik der massiven Verelendung der Bevölkerung und die Sicherheitslage müssen zu einer Neubewertung auch des Auswärtigen Amts führen. Es ist nun erstmals in umfangreicher Recherche belegt: Die meisten der Abgeschobenen sind erneut geflohen und befinden sich derzeit in verzweifelter Lage in Ländern wie Iran, Pakistan, Türkei und Indien – keineswegs sichere Aufenthaltsorte für afghanische Staatsangehörige. Der derzeitige NATO-Truppenabzug droht die Sicherheitslage weiter zu verschärfen.“

Carsten Tag, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen: „Die Ergebnisse unserer Studie müssen nun auch Konsequenzen für die rund 30.000 Ausreisepflichtigen aus Afghanistan haben. Sie sind zum Teil trotz einer Duldung hierzulande gut integriert und gehen einer Beschäftigung oder einer Ausbildung nach. Das BAMF muss jetzt seine Entscheidungspraxis zu Afghanistan überdenken und es nicht den Gerichten überlassen, Menschen vor der Abschiebung zu bewahren. Vielmehr sollte ihnen von Anfang an die Bleibeperspektive auch rechtlich zugesichert sein.

Allein im Jahr 2020 wurde in über 21.000 Fällen ein Widerruf der Flüchtlingseigenschaft für afghanische Geflüchtete geprüft. Das ist angesichts der derzeitigen Lage in Afghanistan absurd und verhindert das Ankommen in der Gesellschaft.“

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat in einer am 3. Februar 2021 veröffentlichten Grundsatzentscheidung festgestellt, dass alleinstehende gesunde Männer im arbeitsfähigen Alter nicht abgeschoben werden dürfen, wenn weder ein soziales oder familiäres Netzwerk noch sonstige begünstigende Umstände vorliegen. Die neue Studie belegt nun, dass die Wahrscheinlichkeit für ein aufnahmewilliges soziales oder familiäres Netzwerk sehr gering ist, denn die Unterstützung Abgeschobener stellt aufgrund der weitverbreiteten Kollektivhaftung auch für ihre Familien eine erhebliche Gefahr dar. „Betroffene Familien versuchen entweder, sich zu schützen, indem sie den Kontakt verweigern, oder Abgeschobene müssen versteckt bleiben. Dieser soziale Ausschluss aufgrund der spezifischen Sicherheitsrisiken macht eine Reintegration oder eine Existenzgründung für Abgeschobene auch unabhängig von der derzeitigen Eskalation der Not nahezu unmöglich. Der Schutz des Lebens ist nicht garantiert, Abschiebungen nach Afghanistan müssen gestoppt werden“, so die Herausgeber.

„Trauer und Bitterkeit“

Die faz schreibt am 02. Mai 2021: „Die Hilfsorganisation Sea-Watch nahm nach eigenen Angaben bei mehreren Einsätzen insgesamt 455 Menschen an Bord. SOS Méditerranée brachte 236 Flüchtlinge nach Sizilien. Die Organisation kritisiert das Vorgehen der EU scharf“

Aus dem Artikel geht hervor, dass private Hilfsschiffe innerhalb weniger Tage Hunderte Menschen von überfüllten Flüchtlingsbooten im Mittelmeer gerettet haben. Auch die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch sei aktiv gewesen. So nüchtern die Meldung zunächst wirkt, entpuppt sich umso mehr das bittere Versagen der EU und die traurigen Konsequenzen ihrer „Abschottungspolitik“, wenn der Artikel in seiner Gänze gelesen wird: „Fünf Tage zuvor hatte das Rettungsschiff vor Libyen stundenlang bei schlechtem Wetter nach einem sinkenden Boot mit 130 Flüchtlingen an Bord gesucht, zu dem es einen Notruf gegeben hatte. Schließlich fand die Besatzung nur noch ein zerborstenes Schlauchboot und zahlreiche im Wasser treibende Tote.“

„In Libyen internierte, gefolterte und ausgebeutete Menschen haben keine andere Wahl, als die gefährliche Flucht über das Mittelmeer zu riskieren“, sagt Papke in dem Artikel. Diese Zustände in Libyen seien „den politisch Verantwortlichen in der EU wohlbekannt“.

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Amal, Hamburg!

Corona-Berichterstattung von Amal, Hamburg!

Hier gibt es tagesaktuell auf Arabisch, Dari und Farsi die wichtigsten Nachrichten (nicht nur) rund um das Thema Corona – von der Bundesnotbremse bis zur Diskussion um Astrazeneca. Auf www.amalhamburg.de (Arabisch) und www.amalhamburg.de/fa (Dari/(Farsi) wird Menschen ermöglicht, sich in ihrer Muttersprache im Alltag auf dem Laufenden zu halten.

Derzeit führt Amal, Hamburg! für die Deutschlandstiftung Integration und zusammen mit dem türkischen Radiosender Metropol FM die Kampagne „Corona stoppen“ durch. Unter anderem entstand ein Flyer, der derzeit über die Kassenärztlichen Vereinigungen und diverse andere Einrichtungen möglichst weit verbreitet wird. Sie können ihn hier zum Ausdrucken runterladen.

Amal, Hamburg! und Amal, Berlin! informieren täglich um 11 Uhr auf Arabisch und Farsi darüber, was in der Stadt los ist. Das Wichtigste vom Tage wird ergänzt durch Reportagen, Interviews und Kommentare. 14 Journalisten und Journalistinnen aus Syrien, Afghanistan, Iran und Ägypten betreiben diese mobile Nachrichtenplattform als eine lokale Tageszeitung für das Smartphone. Wir erreichen derzeit 130.000 Arabisch und Dari/Farsi sprechende Menschen über Facebook in Hamburg und Berlin.

Amal! ist ein Projekt der Evangelischen Journalistenschule und wird von der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Körber-Stiftung, der Schöpflin Stiftung, der Stiftung Mercator und anderen finanziert. Es wurde 2017 als „Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen“ prämiert.

Ein paar Einblicke in die Arbeit finden Sie hier: www.amalhamburg.de/de

Veranstaltungswoche geplant

Vom 23.-29. August 2021 wird eine Veranstaltungswoche in Hamburg rund um die Themen Migration und Flucht stattfinden – organisiert von hamburgasyl und dem Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen (BHFI). In der Rubrik zu-recht-kommen in der Leiste Mitmachen können Sie in die aktuellen Planungen einsehen. Wer selbst eine Aktion oder Veranstaltung in der Woche planen und mit ins Programm aufgenommen werden möchte, melde sich bitte unter: info@zu-recht-kommen.org.

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Abschiebung – Was tun?

13. April 2021 – Eine Handreichung zu Handlungsspielräumen bei Abschiebungen aus der Flüchtlingsunterkunft.

Abschiebungen gehören zum Alltag deutscher Migrationspolitik. Aus Hessen wurden im Jahr 2019 insgesamt 1.681 Menschen abgeschoben, also 30 bis 40 Personen pro Woche. Bundesweit waren zwischen 2016 und 2019 jährlich bis zu 25.000 Menschen von Abschiebungen betroffen. Vor diesem Hintergrund haben die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen e. V. und der Hessische Flüchtlingsrat die Handreichung „Abschiebungen aus der Flüchtlingsunterkunft – Rechtlicher Rahmen und Handlungsmöglichkeiten für die Soziale Arbeit in Hessen“ herausgegeben.

Den Text der PM und der Handreichung finden Sie hier.
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Kreuzweg für die Rechte der Flüchtlinge

in diesem Jahr auch als Podcast!


Flüchtlingsbeauftragte: Die Botschaften der Politik an Flüchtlinge sind höhnisch.

Hamburg (ce) – Der traditionelle Kreuzweg für die Rechte der Flüchtlinge, veranstaltet von der Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Flüchtlingsarbeit in Hamburg, findet in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie auch digital statt. Interessierte können anhand eines Podcasts (Kreuzweg-Podcast – Kreuzweg für die Rechte der Flüchtlinge (wordpress.com) die einzelnen Stationen verfolgen und die Anliegen teilen. Der Kreuzweg steht unter dem Motto des Bibelverses „Rette dich selbst!“. Seit mehr als 20 Jahren organisieren Akteur*innen der kirchlichen Flüchtlingsarbeit in Hamburg einen Weg zu verschiedenen thematischen Stationen, um auf die Ausgrenzung Geflüchteter und ihre Situation aufmerksam zu machen. Der Kreuzweg ist damit christliche Demonstration und politischer Gottesdienst zugleich.

„Mit den Worten „Rette dich selbst!“ wurde Jesus am Kreuz verhöhnt, und ähnlich höhnisch sind die Botschaften, die deutsche und europäische Politik an Flüchtlinge aussenden“, erläuterte die Flüchtlingsbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, Dietlind Jochims, das diesjährige Motto. Die Stationen des Kreuzwegs thematisieren unter anderem die Probleme Geflüchteter in den zentralen Erstaufnahmen oder die Abschiebungen nach Afghanistan selbst in Corona-Zeiten.

Das sichtbare Eintreten für die Menschenrechte ist dieses Jahr auf der Straße nur eingeschränkt möglich. Falls die zuständigen Behörden es erlauben, können sich Engagierte und Interessierte um 13 Uhr vor dem Hamburger Rathaus treffen, dann zum Domplatz vor der Hauptkirche St. Petri laufen und schließlich zu einer Abschlusskundgebung im Mahnmal St. Nikolai zusammenkommen. In einem Podcast werden deshalb die Anliegen für einen weiteren Kreis von Interessierten thematisiert, es kommen Migrant*innen selber zu Wort und die Forderungen und Fürbitten werden digital laut.

Die Initiatoren laden herzlich ein: Am Karfreitag unter Kreuzweg-Podcast – Kreuzweg für die Rechte der Flüchtlinge (wordpress.com). Oder um 13 Uhr vor dem Hamburger Rathaus – natürlich „Corona-sicher“ aber engagiert für die Rechte der Menschen auf der Flucht!  

Die Mitträger*innen des Kreuzwegs 2021 sind:

Brot & Rosen. Diakonische Basisgemeinschaft, AG Kirchliche Flüchtlingsarbeit Hamburg, Katholische Flüchtlingsseelsorge / Caritas, Mennonitengemeinde zu Hamburg und Altona, Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Hamburg, Zentrum für Mission und Ökumene, Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche

Für Rückfragen: Claudia Ebeling, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitarbeit der Flüchtlingsbeauftragten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), 040 30620 1542, 0151 62774518, claudia.ebeling@oekumene-gesellschaft.nordkirche.de

Unser Blog ist da!

11. Februar 2021 – Unser Blog, in dem wir als hamburgasyl Beiträge zu aktuellen Themen verfassen und veröffentlichen, ist endlich Online.

Den Auftakt macht Dietlind Jochims, die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, mit einem eindringlichen Brief an den Innensenator. Sie thematisiert die Abschiebungen nach Afghanistan, die aufgrund der dort verschärfenden Pandemiesituation erst recht nicht vertretbar seien!

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Abschiebemonitoring

Hamburg, der 01. Februar 2020 – Moritz Reinbach (30) ist seit Ende Januar der neue Abschiebebeobachter für Hamburg.

Der NDR berichtete über ihn und seine Tätigkeit: „Moritz Reinbach ist 30 Jahre jung und studierter Migrationswissenschaftler. Sein Job als Abschiebebeobachter ist es, darauf zu achten, dass mit Menschen bei der Abschiebung respektvoll umgegangen wird. Er begleitet am Flughafen den Teil der Abschiebung, der im Bereich der Bundespolizei stattfindet. Nicht dabei ist er, wenn die Geflüchteten aus ihren Unterkünften abgeholt und wenn sie später ins Flugzeug gesetzt werden.

Reinbach soll problematische Situationen dokumentieren und über diese regelmäßig mit Bundespolizei, Amnesty International und Diakonie beraten. Zudem verfasst er einmal im Jahr einen Tätigkeitsbericht.“

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Nähere Informationen über die Abschiebebeobachtung entnehmen Sie aus dem letzten Tätigkeitsbericht von Reinbachs Vorgänger.

Kontaktdaten zu dem neuen Abschiebebeobachter Moritz Rheinbach

Unzumutbar!

Die Diakonie stellt fest: Unzumutbare Zustände an der kroatischen Grenze – Hilfe für die Schutzsuchenden jetzt!

Berlin, den 01. Februar 2021 –  Anlässlich des morgigen Flüchtlingsgipfels appelliert die Diakonie Deutschland an die Bundesregierung, sich europaweit für die Hilfe Schutzsuchender an der bosnisch-kroatischen Grenze einzusetzen und die massiven Menschenrechtsverletzungen zu stoppen.

Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:
„Für Schutzsuchende ist die Situation an vielen europäischen Außengrenzen lebensbedrohlich, besonders in diesen Wintermonaten an der bosnisch-kroatischen Grenze. Menschen leben unter unzumutbaren Bedingungen in Wäldern und Industriebrachen und versuchen immer wieder, in die EU zu gelangen, um einen Asylantrag zu stellen. Die Brutalität, mit der die kroatische Grenzpolizei gegen Schutzsuchende – darunter viele Familien mit Kindern, unbegleitete Minderjährige und Kranke – vorgeht, ist nicht hinnehmbar. An diesen Zustand dürfen wir uns ganz und gar nicht gewöhnen.

Sich abzuschotten und Menschen schutzlos sich selbst zu überlassen, entspricht nicht unseren Werten. Die Zurückschiebungen verstoßen klar gegen europäisches Recht, das die Prüfung der Schutzbedürftigkeit unter menschenwürdigen Aufnahmebedingungen garantiert. Deutschland und die EU dürfen diese Rechtsverletzungen nicht länger tolerieren.

Die etwa 10.000 gestrandeten Schutzsuchenden in Bosnien-Herzegowina müssen jetzt evakuiert und umverteilt werden. Deutschland kann diese Menschen aufnehmen.“

Hintergrund:

Durch den starken Rückgang der Asylzahlen stehen in Aufnahmeeinrichtungen in Deutschland vielerorts Kapazitäten zur Verfügung. Nur 76.000 Personen haben nach ihrer Ankunft im Jahr 2020 erstmals Asyl beantragt. Bundesländer und Kommunen signalisieren ebenfalls wie die Diakonie und andere Wohlfahrtsverbände Aufnahmebereitschaft und sichern Unterstützung zu.

Weitere Informationen:

Statistik: Im Jahr 2020 wurden 76.061 grenzüberschreitende Asylerstanträge gestellt. 26.520 Asylerstanträge betrafen in Deutschland geborene Kinder im Alter von unter einem Jahr, sowie 19.589 Asylfolgeanträge von bereits in Deutschland lebenden Personen (insg. 122.170 Anträge)

Deutschland unterstützt bilateral kroatischen Grenzschutz mit Ausstattung und Ausbildung

Hilfswerke fordern Evakuierung

BAGFW: Europa muss sich endlich auf mehr Schutz für Flüchtlinge einigen

Berlin, 1.02.2021.  Anlässlich des morgigen Flüchtlingsgipfels unter Vorsitz von Bundeskanzlerin Merkel zieht Ulrich Lilie, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) Bilanz:

„Wir sind der Kanzlerin dankbar für ihre klare Botschaft der Menschlichkeit im Sommer 2015. Sie sorgte dafür, dass Menschen in Europa Schutz finden konnten.

Unzählige freiwillig Engagierte und hauptamtliche Mitarbeitende in den Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege haben gestärkt durch diese mitmenschliche Haltung mit angepackt, damit das gelingen konnte. Mehr als die Hälfte aller Geflüchteten ist inzwischen in den Arbeitsmarkt integriert, trotz aller Widrigkeiten der Flucht, traumatischen Belastungen, Trauer um Familienangehörige und des Verlusts der Heimat. Leider hat die Pandemie die gute Entwicklung der Arbeitsmarktintegration gebremst, wird sie aber langfristig nicht aufhalten. Das ist ein Erfolg, der langfristig auch Deutschland zu Gute kommt. Es zeigt: Frühzeitige Integrationsangebote und Teilhabe für alle sind ein Gewinn für die Gesellschaft.

Leider gab es auch Rückschritte in der Flüchtlingspolitik. Insbesondere die Einschränkung des Familiennachzugs und die verlängerte Wohnpflicht in der Erstaufnahme verringern die Chancen auf ein gelingendes Ankommen der geflüchteten Menschen.

Die Asylrechtsreform in der EU konnte trotz aller Anstrengungen der deutschen Ratspräsidentschaft nicht nach vorne gebracht werden. Gleichzeitig blicken wir auf besorgniserregende und menschenunwürdige Zustände für Geflüchtete an Europas

Außengrenzen: in Griechenland, auf den kanarischen Inseln, an der bosnisch- kroatischen Grenze. Bestehende Aufnahmestandards müssen ohne Wenn und Aber eingehalten werden. Wir unterstützen die Bundesregierung, dass das Kriterium der Ersteinreise in der EU abgeschafft wird. Asylverfahren sollten nach einer fairen Umverteilung dezentral in Europa und nicht an seinen Grenzen stattfinden.“

BAMF-Methode ändert sich

Das BAMF hat mitgeteilt, die Überstellungsfristen bei sogenannten Dublin-Kirchenasylen nur noch in Ausnahmefällen von sechs auf 18 Monaten zu verlängern. Dies geht aus einer Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (BAG Asyl) vom 13. Januar 2021 hervor.

Durch das Kirchenasyl werden Schutzsuchende für einen befristeten Zeitraum in kirchliche Räumen aufgenommen, um eine drohende Abschiebung zu verhindern. Ziel des Kirchenasyls ist es, in Härtefällen eine sorgfältige Überprüfung zu ermöglichen. In der Regel respektieren Behörden das Kirchenasyl und verzichten auf die Durchsetzung der Abschiebung.
Bei einem Großteil der Kirchenasyle handelt es sich um sogenannte Dublin-Fälle, also Fälle, in denen das BAMF festgestellt hat, dass ein anderer europäischer Staat für das Asylverfahren zuständig ist. Bei Dublin-Verfahren muss das BAMF bei Zuständigkeit eines anderen Staats die betroffene Person innerhalb von sechs Monaten nach dessen tatsächlicher oder gesetzlich fingierter Zustimmung dorthin überstellen, ansonsten wird Deutschland für das Asylverfahren zuständig. Nur wenn die betroffene Person „flüchtig“ ist, kann die Frist auf bis zu 18 Monate verlängert werden.
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Die Änderungen im Umgang des BAMF mit Dublin-Kirchenasylfällen, mit der jenes den BeVerwG-Beschluss vom 08. Juni 2020 umsetzt, sind jetzt auch in einem neuen Merkblatt Kirchenasyl auf der BAMF-Seite zusammengefasst.
Die Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate bei Kirchenasyl ist damit in fast allen Fällen vom Tisch.
Es gibt für das BAMF aber auch weiterhin noch zwei Fallkonstellationen, in denen es von einer 18-Monats-Frist ausgeht:

  • Wenn eine Ausländerbehörde die abgelehnten Asylbewerber/innen als‚ unbekannt verzogen‘ meldet, bevor die Kirchenasylmeldung beim Bundesamt eingeht.
  • Wenn die Ausländerbehörde oder der Kirchenvertreter bzw. die Kirchengemeinde ein Kirchenasyl meldet, ohne den neuen, konkreten Aufenthaltsort des Antragstellers mitzuteilen. Diese sind ja aber, wenn das Kirchenasyl gut begleitet wird, i.d.R. gut zu vermeiden.

Kommentar von Pastorin Dietlind Jochims